Moth To A Flame

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TW: slight mention of sexual content

„To burn with desire and keep quiet about it is the greatest punishment we can bring on ourselves."
-Frederico García Lorca

Kais POV

Geräusche verstummten.
Augen schlossen sich.
Probleme verschwanden.
Ihre Umgebung löste sich auf.
Sie schienen die Luft anzuhalten.
Nein, sie schienen gar keine mehr zu brauchen.
Zum ersten Mal mussten sie keine Angst vor dem Ertrinken haben. Sie hatten sich gefunden. Unterwasser. Und es schien, als könnte es ihnen nichts mehr anhaben. In diesem Moment waren sie unsterblich.

Kai war keine Person mit besonders tiefgreifenden Gefühlen. Äußere Einflüsse berührten meist nur die Oberfläche seines Inneren. Nichts schien ihn wirklich zu treffen. Häufig hatte er gedacht gar keine Gefühle zu haben. Kaltherzig zu sein. Weil das genau das war, das er fühlte. Kälte. Immer. Nichts würde sein Innenleben je so gut beschreiben können, wie eine alles auslöschende, unüberwindbare Kälte, deren Ursprung weit zurück in seiner Vergangenheit lag. Wie oft hatte er sich gewünscht etwas würde das Eis zum zerbrechen bringen und ihn fühlen lassen. Und nach einer so langen Zeit war es noch immer Julian, der seinen Weg zu Kai fand. Julian, der für die notwendige Wärme sorgte um die Kälte zu verdrängen. Es war Julian. Und Julian war es schon immer gewesen.

Nichts in seinem Leben hatte seine Gefühle derart unkontrolliert hervorbringen können, wie Julian es getan hatte. Nichts hatte ihn derart leiden lassen. Julian war für die schönsten und schlimmsten Momente seines Lebens verantwortlich.
Kai wusste, dass es falsch war. Kai war von dem ersten Moment bis zum letzten klar gewesen, dass es egoistisch war. Es war egoistisch eine Freundschaft für ein dummes Gefühl aufs Spiel zu setzen. Ein Spiel, das er verlieren würde. Nur war es kein dummes Gefühl. Es war nie nur ein dummes Gefühl gewesen. Es war so viel mehr als das. Julian war so viel mehr als das. Er war alles, das Kai kannte. Er war alles. Und dagegen konnte Kai sich nicht wehren. Egal wie sehr er es versuchte. Er wurde angezogen von der Wärme, die das perfekte Gegenstück zu der Kälte in seinem Inneren darstellte. Die Kälte und die Ruhe, die Julian brauchte. Es war unmöglich dagegen anzukämpfen.

Kai brauchte Julian. Und er wollte, dass Julian das wusste. Die eine Hand an Julians Taille zog er ihn näher zu sich. Es war kein liebevoller Kuss. Es war ein Kuss voller Verzweiflung. Und Angst. Es waren so viele Emotionen und gleichzeitig viel zu wenig. Kai wollte so viel mehr. Er presste Julian enger gegen die Wand hinter ihnen. Julian zog Kai näher zu sich herunter und stellte sich gleichzeitig auf Zehenspitzen, damit der Abstand zwischen ihnen so gering wie möglich war. Weil sie einander brauchten. Für immer. Und das war neu. Denn zum ersten Mal hatte Kai das Gefühl, nicht nur brauchte Julian. Julian brauchte ihn ebenfalls. Und wie konnte er seinem besten Freund diesen Wunsch abschlagen? Wie hätte er nein sagen können, als Julian ihn darum gebeten hatte ihn zu küssen?

Es war nicht das erste Mal, dass Kai sich so fühlte. Das Gefühl kam ihm so bekannt vor, dass seine Erinnerung mit der Gegenwart zu verschmelzen schien.
Sie lösten sich voneinander. Stirn an Stirn. Wie vor einem wichtigen Spiel. Eine vertraute Position. Sie atmeten schwer. Im gleichen Takt. Sie waren eins. Aber sie verharrten nicht in dieser Position wie sonst. Kais Hand tastete nach Julians. Er hielt sie. Und dann zog er Julian zum nächsten Fahrstuhl. Seine Hand ließ er erst in ihrem Zimmer wieder los.

Kais Sinne schienen mit allem überfordert. Die Musik war zu laut, das Licht zu bunt und Julian war zu nah. Viel zu nah. Niemand konnte sie sehen aber Kai hatte trotzdem Angst. Schreckliche Angst.

Er hatte Angst, obwohl sie niemand sehen konnte. Aber er überwand seine Angst. Für Julian.

Er beugte sich leicht herunter und schließlich überwog die Neugier. Das Verlangen.

I just wanna feel again ~ BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt