Kapitel 24 - Perfekt

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Keine 24 Stunden später stand ich schon wieder vor dem Raum, in dem das Nachsitzen stattfand. Diesmal jedoch mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ich allein war. Rose war schon auf dem direkten Weg nach Hause. Sie war selbst jetzt aufgeregt wegen ihres Dates über welches wir in der Pause sprachen. Heute war Donnerstag, was bedeutete, dass ihr Date in zwei Tagen stattfand. Sie war meinem Rat gefolgt und hatte einen öffentlichen Ort gewählt. Man konnte schließlich nie wissen, mit wem man es beim Online-Dating zu tun hatte.

Ich drückte die Klinke herunter und betrat den Raum. Hinten saßen wieder Dick & Doof. Als sie mich bemerkten schauten sie auf. Noch war kein Lehrer im Zimmer und das nutzen sie aus.
"Hör mal. Ich war gestern noch nicht fertig mit meinem gefühlsduseligen Gelabere.", er stoppte kurz und kam ein Schritt auf mich zu,"Aber ich möchte das noch schnell klären." Als er so vor mir stand, bemerkte ich erst wie groß und bullig er war. Er erfüllte definitiv die Anforderungen eines Schulrüpels.
"Was ist denn?", versuchte ich nicht all zu verängstigt zu wirken.
"Wir wollten dir nur sagen... Wir stehen hinter dir. Oder? Ist doch so, Jungs?" Er drehte sich um und starrte zu den anderen vier. Alle nickten einstimmig und stießen begeisterte Jubelrufe aus. Etwas verunsichert blickte ich sie an.
"Wobei genau steht ihr hinter mir?" Jetzt schauten sie vielleicht verdutzt. Ich sollte ein Foto davon machen...
"Im Krieg? Zwischen deiner Macht und der Macht..." Ich unterbrach 'Dick' mit einem lauten Lachen. Als ich mich beruhigt hatte, begann ich die ganze Sache aufzuklären.
"Jungs, hört mal. Es gibt keinen 'Krieg'. Ihr habt wahrscheinlich einfach zu viel WOW gezockt oder so. Alles was ich getan habe ist, Lucy meine Meinung zu sagen. Wenn die Leute es ähnlich oder genauso sehen, sollen sie das Selbe tun oder es lassen. Sie sollten aber nicht warten, dass irgendjemand ihnen vorschreibt 'zu kämpfen'. Vielleicht braucht es einen Auslöser, jemand muss den Stein ins Rollen bringen. Den gab es jetzt...", bevor ich weiter reden konnte, räusperte sich jemand hinter mir. Als ich mich umdrehte, sah ich Dylan.
"Ist hier das Nachsitzen?", fragte er wenig einfallsreich. Der Lehrer, der heute Aufsicht hatte, schritt gerade an ihm vorbei und murmelte mies gelaunt:"Ja, das ist es." Dylan setzte sich auf den Platz direkt vor mir. Er hatte mich dabei unterbrochen, meinen langen Monolog zu beenden. Ich dachte trotzdem, dass das, was ich ausdrücken wollte, rüber kam. Ich wollte keine Anführerin sein, oder die nächste Lucy werden. Das hier war eine Schule. Man sollte eigentlich in Ruhe und Frieden miteinander leben oder zumindest unterrichtet werden. Hier sollte Demokratie herrschen und keine Diktatur. Gott! Jetzt klang es ja doch wie Krieg... So schlimm was Lucy nicht. Oder doch? Als ihr Freundin hatte ich komischerweise ziemlich wenig von all dem mitbekommen. So, als wollte Lucy nicht, dass ich etwas mitbekam. Vielleicht sollte ich mich mal genauer darüber informieren, wen Lucy so alles schlecht behandelt hat.

Ich verlor mich in meinen Gedanken, als Dylan sich plötzlich umdrehte und mit mir sprach.
"Ich habe gehört, was du eben gesagt hast. Das ist wirklich beeindruckend. Ich meine die ganze Aktion." Er schenkte mir ein verschmitztes Lächeln, welches mein Herz zum rasen brachte.
"Dafür musstest du mich aber erst wach rütteln.", murmelte ich, nachdem ich gecheckt hatte, ob der Lehrer noch da war - war er nicht. Wahrscheinlich wurde das Nachsitzen nicht wirklich ernst genommen. Werder von Schülern noch von Lehrern. Da fragte ich mich doch, wieso es das dann überhaupt gab?!
"Ist das deine Art Danke zu sagen?" Jetzt lächelte auch ich.
"Danke. Das was du gesagt hast, dass war wirklich nötig. Ich wurde unbewusst immer mehr wie Lucy. Sie hat wirklich gute Arbeit geleistet, was das angeht." Dylan warf mir einen, für mich, nicht deutbaren Blick zu.
"Ich habe mich am Anfang ja auch von ihr einlullen lassen... Denkst du, Lucy wollte dich manipulieren?" Auf diese Frage zuckte ich nur mit den Schultern, Dylan war aber anscheinend auch noch gar nicht fertig, denn er sprach sofort weiter. "Es ist eigentlich gut vorstellbar. Mich hatte sie schließlich auch schon um ihren Finger gewickelt. Zumindest zum Teil." Nachdenklich nickte ich einfach nur mit dem Kopf, da ich zu diesem Thema nichts sagen wollte.
"Tut mir Leid. Reden wir über was anderes." Natürlich wurde daraus nichts, weil in dem Moment der Lehrer wieder das Klassenzimmer betrat. Wie konnte man nur so ein perfektes Timing haben? Schon mehrmals hatte er mich von einem unangenehmen Gespräch bewahrt. Nicht, dass ich mich nicht mit ihm unterhalten wollte. Ich war mir nur sicher, dass es zu einer peinlichen Stille führen würde.

Als der Lehrer endlich die befreienden Worte sprach, sprang ich auf und raste aus dem Raum und aus der Schule. Ich wollte nur so schnell wie möglich weg von hier.
Draußen atmete ich erstmal die frische Luft ein. Es war ziemlich stickig in der Schule, aber bisher übertraf nichts meinen stinkenden Bus. Den konnte ich heute jedoch nicht nehmen, weshalb ich meinen Rucksack über schulterte und mich zu Fuß auf den Weg nach Hause machte. Als auf einmal ein Motorrad neben mir her fuhr, hatte ich ein Deja Vu. Diese Situation hatten wir vor ein paar Wochen schon mal.
"Brooke, steig auf. Ich fahr dich nach Hause." Dylans Stimme ließ keine Wiederworte zu, weshalb ich mich schnell zu ihm setzte und an ihm festhielt. Ich hatte das Gefühl, als würde er besonders schnell fahren, jedoch wusste ich nicht, warum er das tun sollte.

Als wir schon vor unserem Haus standen, klammerte ich mich immer noch fest an ihn. Ich hoffte nur, nicht zu sterben und bekam so gar nicht mit, dass wir gar nicht mehr fuhren.
"Du kannst jetzt los lassen, Brooke.", murmelte Dylan sichtlich amüsiert. Peinlich berührt stieg ich ab und brachte ein paar Schritte zwischen uns.
"Krieg ich meinen Helm noch?" er zeigte auf meinen Kopf und mir fiel wieder auf, dass ich seinen aufhatte, da er nur einen hatte. Schnell setzte ich ihn ab, schüttelte meine Haare auf und näherte mich ihm, um ihm den Helm zurück zu geben.
"Also... Vielen Dank." Ich lächelte leicht, als Dylan flink eine Hand auf meinen Rücken legte und mich näher zu sich zog. Er presste seine Lippen auf meine. Meine Lippen prickelten und mein Herz schlug Purzelbäume. Der Kuss war so plötzlich, so gut und so schnell vorbei.
"Was stellst du nur mit mir an, Brooke Lavien?", fragte Dylan eher als eine rhetorische Frage. Bevor ich auch nur die Chance gehabt hätte, über eine Antwort nachzudenken, fuhr Dylan davon.

Als ich drin im Wohnzimmer auf unserer Couch saß, konnte ich gar nicht glauben, was gerade passiert war. Wir hatten uns schon wieder geküsst. Und schon wieder war der Kuss perfekt. Der Junge hatte mich für immer für alle weiteren Jungs versaut. Niemals würde ich jemals jemanden küssen, der es besser als Dylan konnte. Da war ich mir ziemlich sicher.

Ich lag noch lang im Bett und dachte über alles nach, was heute passiert war, bevor ich irgendwann spät in der Nacht einschlief. Am nächsten Morgen musste ich dafür büßen. Völlig übermüdet stieg ich schließlich in meinen Bus. Ich trottete, nachdem wir vor der Schule hielten, auf Roseta zu, die wie immer am Eingang der Schule stand.
"Hey Rosi.", lachte ich und umarmte sie. Als sie meinen neuen Spitznamen für sich hörte, verzog sie das Gesicht. Das brachte mich nur noch mehr zum Lachen.
"Hey. Wenn du mich Bro nennst, dann nenne ich dich halt Rosi." Beleidigt schob die ihre Unterlippe noch vorn. Trotzdem hakte sie sich bei mir ein, so wie die letzten zwei Tage auch schon und zusammen liefen wir durch die Schule zu ihrem Spind.
Auf dem Weg dahin spürte ich die Blicke sämtlicher Leute auf mir und Rose. Es war sogar noch schlimmer, als die letzten zwei Tage. Was war nur los? Hatte ich etwas verpasst? Wahrscheinlich hatte es etwas mit Lucy zu tun.
"Alles okay bei dir Bro?", fragte Rose wohl ein wenig besorgt. Ich nickte nur, setzte dann aber doch noch ein 'bin nur müde' hinterher.

Wir liefen schon eine Weile durch die Schule, als wir bei ihrem Spind ankamen. Lässig lehnte ich mich daneben gegen die anderen Spinde und versuchte, die Blicke der anderen zu ignorieren.
"Was soll das?!", fragte plötzlich Rose und sah mich sauer und enttäuscht an. Verwundert blickte ich zu ihr. Als ich sah, wie ihr eine Träne die Wange runter lief, war ich komplett verwirrt. "Du bist wirklich scheiße!", schrie sie und holte mit der Hand aus. Sie schlug mich mitten ins Gesicht.
"Bilde dir nicht ein, dass wir nach der Aktion noch Freunde sind!" Ihre Augen funkelten mich böse an, während ich überhaupt nicht wusste, was so plötzlich geschehen war.
"Ich habe dir vertraut.", nuschelte Rose nun viel leiser und mit neuen Tränen im Gesicht. Ich war so geschockt, dass ich gar nicht reagieren konnte. Was ist auf ein mal los?
Roseta rauschte davon, durch die riesige Menschenmenge, die sich um uns versammelt hatte. Ich verfolgte sie mit meinem Blick. Als ich mich dabei umdrehte, wusste ich was los war. Auf Rosetas Spind stand, mit rotem Edding geschrieben:

Scheiß Lesbe!

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt