Tadashi

Prolog

"Also, wer möchte denn anfangen? Freiwillige vor!", beginne ich mit breitem Lächeln in der Hoffnung, das Schweigen zu brechen. Um mich rum sitzen sechs weitere Personen. Manche sind viel zu jung, um hier zu sein. Ich kann nicht fassen, dass so vielen in einem solch jungen Alter etwas passiert, dass sie letztendlich hier bei mir landen. Dabei wagen die Wenigsten es tatsächlich, hier aufzukreuzen. Allein heute waren eigentlich siebzehn Personen angemeldet, von denen gerade mal ein Bruchteil aufgetaucht ist. Das ist so schade. Nach einer gefühlten Ewigkeit meldet sich endlich jemand zu Wort. Ein Mann etwa in meinem Alter: "Ja was sollen wir denn sagen?!" Ich seufze: "Das entscheidet ihr selbst. Ihr müsst nur von dem erzählen, das ihr auch erzählen wollt. Ihr steht unter keinem Zwang, irgendetwas zu erzählen." Nun endlich räuspert sich eine Frau. Kurz darauf beginnt sie zu reden. Es fällt mir mittlerweile schon schwer, den zahlreichen Tragödien der Menschen in diesem Kreis zuzuhören. Letztendlich ist es immer das Selbe. 'Er hat mich misshandelt.' 'Ich fühle mich einsam.' 'Ich bin in die falschen Kreise abgerutscht.' Ich kann es schon fast nichtmehr hören. Auf einmal verstummt die Frau, die angefangen hat zu reden. Ich höre, wie hinter mir die Tür auf geht. Ich drehe mich um. Ein Junge sieht relativ unsicher in den Raum. Auch er wirkt noch sehr jung. Er trägt eine Art College Jacke. Ich denke, sie ist sogar von einer der Schulen in unserem Ort. Sein Kleidungsstil wirkt generell ziemlich ordentlich. Das verraten zumindest sein Hemd und seine Krawatte. Was ich nicht ganz verstehe ist, dass er bei diesem kalten Wetter noch eine kurze Hose trägt, aber solche Fälle gibt es wohl immer wieder. Seine Haare sehen wiederum alles andere als ordentlich aus. Sie wirken eher so, als wären sie lange nichtmehr wirklich gewaschen worden. Außerdem hat er ziemlich tiefe Augenringe und mir ist aufgefallen, dass seine Hände zittern und er einen Geruch in den Raum trägt, der in mir ein unwohles Gefühl auslöst. Es ist nicht sein Körperduft. Er scheint wohl eher gerade noch geraucht zu haben...  Der Junge scheint jeden im Raum kurz anzusehen, ehe er sich räuspert: "Ist das diese Selbsthilfe-Gruppe?" Erneut lächle ich und nicke. "Setz dich! Es sind noch genug Stühle frei.", komme ich ihm entgegen. Der Junge nickt. "Entschuldigen Sie die Verspätung.", murmelt er und huscht schnell zu einem der freien Stühle. "Kein Problem.", gebe ich zurück.