Teil 1. - Montag

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Traum. Realität.

Einschlafen. Wach werden

Wieder träumen - schweißgebadet aufwachen.

Wieder einschlafen - zwecklos.

Unausgeschlafen beobachtete ich die schlecht tapezierte Decke. Der Feuermelder war gelb verfärbt durch meinen ausgeprägten Nikotinkonsum im Wohnzimmer.

Naja...

Wohnzimmer, Schlafzimmer, Depressionsloch, Tanzfläche - eigentlich war es ja alles in einem.

Das weiße Buch, welches laut meiner Hobbypsychologin  - nämlich meiner spirituellen Kosmetikerin - um das innere Kind handelt, lag nach wie vor unberührt auf meinem Couchtisch.

Couchtisch, Esszimmertisch, Fussablage, Arbeitsplatte für das Drehen von Joints - eigentlich ebenfalls vielseitig verwendbar.

Mein Smartphone leuchtete auf. Der Riss auf dem Display provozierte mich nach wie vor. Wie konnte ich so dumm sein und es nach einer aggressiven Wespe werfen? 

Die Whatsappgruppe meiner Arbeitskollegen war gerade der Störfaktor meiner Energie. Eine virtuelle Ansammlung von Flachwitzmemes und unehrlichen Gute-Besserungs-Wünschen, als Reaktion auf 3-Wöchige Krankmeldungen.

War das, das erfüllende Leben?

40 Stunden die Woche arbeiten, Kindheitswunden tagtäglich bekämpfen, sich mit einem ruhigen Leben abfinden und märchenhaft hoffen, eine Bilderbuchfamilie zu schaffen? 

„Du kommst zu spät."

Ich blickte zur Zimmertür, an welcher mein Bruder lehnte.

„Ehm..ich dachte du bist in Düsseldorf.", entgegnete ich mürrisch. Müde setzte ich meine Brille auf und wischte unauffällig die Beweise von der Tischplatte weg. Doch der Blick meines Bruders glitt ebenfalls zu dem grün-weiß karierten Teppichmuster. 

„Das Seminar wurde verschoben aufgrund geringer Teilnehmerzahl.", entgegnete er streng klingend und begutachtete meinen praktischen Couchtisch mit Falten auf der Stirn. 

Als ob mich der richtige Grund interessieren würde.

„Muss das sein? Du bist Ende zwanzig und kiffst dir einen ab."

Kopfschüttelnd krempelte er die Ärmel seines perfekt gebügelten Hemdes nach hinten und öffnete die Fenster, damit kühle Januarluft meine Laune noch mehr herunterziehen konnte an diesem Montagmorgen.

Armverschränkend stand ich von meinem Ecksofa auf. Meine Katze verfolgte das Szenario neugierig, während sie am Kratzbaum lehnte. Ich streichelte über ihr hellgraues Fell und hatte das Gefühl, dass wir über Gedanken kommunizierten und im Einklang meinen Bruder beleidigten.

„Hast du deine Alte wieder beim vortäuschen ihrer Orgasmen erwischt oder wieso fuckst du mich jetzt so früh ab?"

„Halt den Mund. Du benimmst dich wie eine zwölfjährige.", entgegnete er laut. So laut, dass ich spürte wie meine Katze zusammenzuckte.

„Pardon. Ich heirate morgen aus vergänglichen Liebesgefühlen und sehnlichstem Kinderwunsch. Damit meine unschuldigen Kids die Folgen meiner Psyche abbekommen...Ach ja und selbstverständlich, um das Haus erben zu können.", provozierte ich mit einem ironischen Auflachen.

„Du machst dir dein Leben kaputt.", sagte mein Bruder mit verengten, braunschwarzen Augen. Er roch viel zu stark nach seinem teuersten Parfüm, als er sich tadelnd vor mich stellte. 

„Es ist längst kaputt, Denis.", antwortete ich überzeugt und zündete mir unberührt eine Zigarette an.  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 09, 2023 ⏰

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