Erstes Kapitel

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„Kannst du dir vorstellen, dass das jetzt mir gehört?", Jesse dreht sich zu mir um während ich die Biergläser aus dem Karton packe. Ich verdrehe die Augen und schmeiße meinen großen Bruder einen Putzfetzen hin, immerhin sollte er auch etwas dazu beitragen. Es ist seine Bar, er hat sie mit seinem Geld gekauft und er wird der Inhaber von „Outer Sun" sein – den Namen finde ich noch immer schrecklich, aber was solls. „Wir eröffnen erst Montag, lass mich die Aussicht vielleicht mal kurz genießen", er hat Recht. Die Aussicht ist gerade atemberaubend, ich zucke mein Handy und nähere mich Jesse. „Das ist absolut ein Foto wert", zum Glück besitze ich mittlerweile ein IPhone, mein Samsung Handy hatte wirklich eine grauenhafte Qualität bei Fotos. „Und stell dir vor das ist jetzt unser zuhause, du wirst während des Sonnenunterganges Getränke ausschenken und ich werde hinter der Bar stehen", mein 4 Jahre älterer Bruder lächelt mich an und ich erwidere sein Lächeln. „Mach dir keine Sorgen, Lou-Anne, Outer Sun wird total laufen". „Hoffentlich, jetzt müssen wir aber erstmal alles vorbereiten", ich hoffe er erkennt nicht, dass mein Lächeln gefakt ist. Wir sind hier mitten im Paradies und vor allem ich sollte hier Freudensprünge machen, es gibt nichts Schöneres als das Meer. Jedoch bin ich nicht Jesse. Jesse findet einfach Freunde, er war schon immer extrovertiert und offen für alles, während ich meistens für mich war und alles hinter mir lassen musste. Nicht, dass es viel gab, was ich hinter mir lassen musste. Trotzdem habe ich Angst. Angst davor hier komplett alleine zu enden.

Nachdem wir alle Umzugskarton ausgepackt haben und ich die Bar etwas dekoriert habe (nachdem ich Jesse überredet habe), mache ich noch einen Nachtspaziergang am Strand. Andere Brüder wären etwas übervorsichtig und würden die kleine Schwester wahrscheinlich nicht alleine lassen. Jesse ist was das angeht locker, laut ihm passiert hier kaum etwas. Das einzige Spannende was hier vor ein paar Monaten passiert ist, war der Fund eines Schatzes durch sechs Jugendliche. Anscheinend waren diese einen ganzen Monat auf einer Insel. Die Vorstellung ist irgendwie gruselig, was mache ich, wenn ich meine Tage habe oder Durchfall? Am liebsten würde ich das diese Leute fragen. Mittlerweile zeigt die Uhr am Handy kurz nach Mitternacht an, ich ziehe meine Converse aus und stelle meine Füße in das Meer. Es fühlt sich wunderbar an, der Wellengang ist nur leicht und die Lampions, die am Strand überall etwas verteilt sind damit es nicht komplett dunkel ist, machen irgendwie eine entspannte Stimmung. Ich sehe mich zur Sicherheit um und ziehe meine Klamotten, bis auf Unterwäsche, aus. Von der Ferne hört man ein paar Stimmen, die kommen wahrscheinlich von den Strandhäusern. Langsam bewege ich mich mit meinem gesamten Körper ins Wasser und lache – wenn mich hier jemand sehen würde, würde mich diese Person wahrscheinlich einliefern. Komplett alleine halbnackt im Meer schwimmen und sein Glück nicht packen können, kommt wahrscheinlich komisch für Andere rüber. Ich liebe das Meer, es fasziniert mich, dass bis jetzt nur ca. 3 % erforscht worden sind und ich liebe diesen Moment gerade, die Sorgen von vorhin sind einfach kurz vergessen. „Anscheinend gefällts dir doch hier", aus Reflex schreie ich und verschwinde noch weiters ins Meer. Es ist nur Jesse. „Alter erschreck mich nicht so, was machst du hier?". „Ich habe versucht dich zu erreichen, aber du gingst nicht ran und ich dachte mir die Bekloppte die da wahrscheinlich schwimmt, ist meine Schwester", seine Worte haben etwas Lächerliches an sich und sofort zerre ich meinen großen Bruder ins Meer. Obwohl Jesse leichte Muskeln hat und öfters laufen geht, bin ich viel stärker als er. Mich unterschätzt man meistens nur. „Lass mich wenigstens mein Handy rausgeben du Nervensäge". Zusammen schwimmen wir etwas im Meer und betrachten von hier aus Jesses Bar. „Unsere Bar" würde er sagen, aber er hat das hier alles bezahlt. Es war seine Idee, ich werde nur die Kellnerin sein, die hier arbeitet und den Männern wahrscheinlich schöne Augen macht.

„Morgen steigt eine Party, ich dachte da können wir hingehen und uns präsentieren. Würde nicht schaden ein paar Connections zu haben bevor wir Outer Sun montags eröffnen", in unserem gemeinsamen Haus angekommen stecke ich unsere Sachen gleich in die hoffentlich funktionierende Waschmaschine und suche mir irgendwelche Klamotten zum Drüberziehen. Obwohl es mitten in der Nacht ist, wurden Jesse und ich am Nachhauseweg fast komplett trocken. „Wir sind heute angekommen und du weißt schon wo sich minderjährige Jugendliche Pillen reinhauen und ekelhaftes Petting betreiben?", leicht verwirrt blicke ich meinen Bruder an und drehe mir nebenbei einen Joint. „Hm, machst du gerade nicht das gleiche?". „Ich würde niemals Drogen nehmen", genervt verdrehe ich die Augen und suche ein Feuerzeug. Als ich in unseren kleinen Garten ging, kam Jesse mit einem Corona Bier und klaut mir mein Meistwerk. „Hey das ist meiner, du hast dich gerade darüber beschwert.". „Du solltest mit deinem großen Bruder teilen, immerhin mache ich das auch", schon wieder eine Anspielung darauf, dass ich nichts habe und er alles. Auch wenn er es nicht böse meint, fühle ich mich immer abwertend, wenn er dies erwähnt. Das Haus gehört ihm, die meisten Möbel hat er bezahlt, die Bar gehört ihm. Ich hatte nie genug Geld um mir irgendwas finanzieren zu können. „Also gehst du morgen auf die Party? Ist anscheinend in der Gegend, wo die Kooks wohnen". Ich klaue mir meinen Joint zurück und starre meinen Bruder an. „Wieso sollten wir jetzt schon auf eine Party von einem reichen Trottel? Die sehen uns doch nur dumm an, wenn wir keine Markenklamotten tragen, außerdem wird die Bar eher bei den Pogues beliebt sein". Bevor wir hier herzgezogen sind, hat mich Jesse bezüglich der Gesellschaftssituation hier aufgeklärt. Es gibt Pogues und es gibt Kooks. Pogues sind die ärmeren Leute hier, sie schuften hart und haben oft abgefallene Häuser, von der Polizei werden sie sofort verdächtigt und haben keine Chance sich zu wehren. Kooks sind die Leute, die Glück im Leben hatten und mit einem Geldsack aufgewachsen sind. Sie haben schicke Häuser, fahren die neusten Autos und deren Geschäfte werden nie hinterfragt. Jesse und ich sind hier irgendwas mittendrinnen, wir sind weder Pogues noch sind wir Kooks. Für die Pogues haben wir wahrscheinlich ein zu schönes Haus, auch wenn es klein ist und von außen sehr abgefallen ausschaut. Für die Kooks jedoch sind wir viel zu arm und abgefuckt. „Lou-Anne bitte tu mir den Gefallen und geh hin, dafür arbeite ich morgen abends alleine weiter an der Bar. Du könntest ja ein paar Mädels kennenlernen und erzählen, dass du hier neu bist, dann fragen sie bestimmt warum und du". „Und ich sage mein Bruder ist single und ein Trottel". „Wenn du Trottel weglässt, kannst du ruhig erwähnen, dass ich single bin", Jesse hat so oder so nie lange eine Freundin. Für ihm ist Frauen daten wie Unterwäsche wechseln. „Erzähle einfach, dass dein toller, cooler, großer Bruder hier eine Bar aufmacht und ihr bestimmt dort mal cool feiern könnt. Vielleicht macht dich das auch gleich beliebter". „Ich bin 20 Jahre alt, ich muss mich nicht mehr beliebt machen, wie heißt der Gastgeber dieser ach so hervorragenden Party?", frage ich während ich an meinem Joint ziehe. „Rafe Cameron". 

The lies | Outerbanks FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt