Kapitel 1

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Ich saß auf dem Boden meiner Zelle und spielte mit meinen Kräften herum. Ich ließ meine Hand zu Wasser werden, ließ Tropfen herumschweben und langweilte mich zu Tode. Seit Tagen hatte ich nichts zu tun und meine eigenen Gedanken machten mich langsam verrückt. Wenn ich wenigstens etwas zum Lesen oder Schreiben hätte! Dann hätte ich mich nicht damit beschäftigen müssen, was in meinem Kopf vor sich ging. 

Es war auch bisher noch niemand zu mir herunter gekommen. Weder Stark, noch Banner oder sonst wer. Nicht einmal Essen hatte ich bekommen. Langsam wurde mir das zu blöd. Ich wusste ganz genau, dass sie Kameras hier hatten, aber sie konnten mich ja nicht rufen hören. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Also begann ich an die Scheibe zu klopfen, in der Hoffnung, dass sie wenigstens das bemerkten. 

Und tatsächlich kamen nach etwa 10 Minuten Mr. Stark und eine Frau mit langen, roten Haaren zu mir. "Dich hatte ich ja fast vergessen", hörte ich Stark durch eine Sprechanlage lachen und ich hätte ihm eine scheuern können. Aber da die Glasscheibe uns trennte, verdrehte ich nur meine Augen. "Ist alles in Ordnung?", fragte die Frau nun. Ich schüttelte den Kopf und meine krausen Haare flogen umher. Ich hauchte an die Scheibe und schrieb kurzerhand das Wort "Hunger" auf die angelaufene Stelle. Stark nickte und schien jemanden anzufordern. Ein paar Augenblicke passierte nichts. Ich sah mir meine Gegenüber etwas genauer an. Die Frau sah sehr freundlich aus, sie lächelte mir sogar immer wieder zu, auch wenn ich in ihren Augen sehen konnte, dass sie sich etwas unbehaglich fühlte. Stark hingegen wirkte total selbstbewusst, was mich im ersten Moment ankotzte. Doch nach und nach änderte ich meine Meinung. So sähe ich auch gern manchmal aus. Er stand lässig vor mir, als hätte er nicht das kleinste bisschen Angst vor mir. Das entspannte mich etwas, ich ließ meine etwas angezogenen Schultern wieder hängen und setzte nun ebenfalls ein winzig kleines Lächeln auf. Plötzlich blickten beide zum Eingang. Dort kam gerade Dr. Banner durch die Tür und öffnete mit einem Code und seinem Handabdruck die Zelle. Was war denn jetzt los? War ich frei? Sollte ich jetzt gehen? "Wenn du möchtest", begann Banner, "darfst du jetzt gehen. Hast du denn jemanden, der auf dich wartet?" Was erwartete er denn? Dass ich eine Familie hatte? Oder Freunde? Ich war der einzige Freak weit und breit, niemand kümmerte sich um mich...

"Nein", antwortete ich also wahrheitsgemäß. Das war das Erste, was ich seit vier Tagen gesagt hatte. Meine Stimme klang fremd, aber irgendwie schön. Stark und Banner sahen sich kurz an, dann meinte die Frau neben ihnen: "Wenn das so ist, kannst du ja noch eine Weile bleiben. Hier sind Menschen, die dich kennenlernen wollen und noch mehr freie Zimmer." Das Angebot überraschte mich ein wenig. Hatten sie keine Angst, dass ich sie auch verletzen würde? Nicht, dass ich das vorhatte, allerdings war ich tagelang von ihnen eingesperrt gewesen. Als ich sie dies fragte, entgegnete Stark nur: "Wäre dem so, warum würden wir dich dann gehen lassen? Es ist sogar ganz gut, dass du bleibst. So können wir dich im Auge behalten und herausfinden, was es mit deinen Fähigkeiten auf sich hat." Aha. Darum ging es also. Sie brauchten ein Versuchsobjekt, weiter nichts. Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich von den anderen nach oben in eine Art Krankenstation führten. Dort standen einige sehr modern und sehr teuer aussehende Geräte um eine Liege. Ich sollte mich darauf setzten und meine Jacke ausziehen, sodass meine Arme frei waren. 

Mr. Banner, der mir wie die anderen auch anbot, ihn zu duzen, nahm mir etwas Blut ab und untersuchte mein Gesicht und meine Hände auf äußere Besonderheiten. "Du hast eine sehr interessante Hautstruktur. Sie schrumpelt nicht zusammen, egal, wie lange sie sich im Wasser befindet. Außerdem sind deine Augen sehr gut auf das Sehen im Dunkeln eingestellt. Und deine normale Körpertemperatur scheint höher zu sein, als die von normalen Menschen, um etwa drei Grad. Wie ist denn dein Name, mein Kind?" Ich musste erst einen Moment nachdenken, bis er mir wieder einfiel. Ich wurde nicht so oft nach ihm gefragt. "Yara", sagte ich nur. "Ein sehr schöner Name. Also, Yara, wärst du so freundlich, mir deine Kräfte zu demonstrieren? Allerdings würde ich mich ungern während einer Hypnose selbst verletzen." Er schenkte mir ein verschmitztes, aber gleichzeitig nervöses Lächeln und ich ließ erst meine Hände und Füße, dann meine Arme und Beine und schließlich meinen ganzen Körper zu Wasser werden, bis ich eine Pfütze am Boden war. Nach ein paar Sekunden kehrte ich wieder zurück in meine menschliche Gestalt. Dann begann ich eine einfache Melodie zu singen und Bruce' Augen wurden leuchtend blau und ich spürte, wie ich in seine Gedanken eindrang. 

In seinem Kopf schien es einen eigenen Teil für den Hulk zu geben, doch ich durchforstete lieber ein wenig das Kurzzeitgedächtnis von Banner. Ich sah mir eine Erinnerung an den heutigen Morgen an. Ich sah, was er gefrühstückt hatte und wie er sich mit der berühmten Black Widow unterhielt. 

Danach verzog ich mich wieder aus seinem Kopf, ich wollte nichts zu privates herausfinden. 

Auch die Hypnose ließ ich weg.

"Das... war unglaublich!", meinte Bruce begeistert. "Wie ist das möglich?" "Ich kann es nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass meine Gene noch vor meiner Geburt irgendwie editiert worden waren. Ich bin ein Genexperiment, es gibt noch mehr, die so sind wie ich. Aber das ist alles, was ich herausfinden konnte, bevor ich aus dem Labor geflüchtet bin. Aber ich habe einige Akten von dort bei mir. Allerdings verstehe ich sie nicht, sie müssen auf russisch oder so sein..." Ich stand auf, um aus meiner Jacke die Akten zu fischen. Ich verstand kein einziges Wort russisch und konnte es auch nicht lesen. Bevor Banner sie sich ansah, fragte er ungläubig: "Du bist den ganzen Weg von Russland hierher gekommen? Wie?" "Man kämpft sich halt so durch. Wenn man Wasser sein kann, kommt man nahezu überall ziemlich unbemerkt hin." Für mich war das nie eine große Sache gewesen, ich war mit 14 Jahren geflohen und hatte mich seit dem immer irgendwie durchgemogelt. Ich hatte auf der Straße gelebt, hatte meine Sprachkenntnisse immer irgendwo aufgeschnappt und mich sehr oft von Dingen aus anderen Häusern ernährt oder mich dort gewaschen. 

Im Labor hatte nie jemand mit uns englisch oder russisch gesprochen, wir haben dort seltsamerweise Deutsch gelernt. 

Bruce und ich setzten die Forschungen an mir den ganzen restlichen Tag fort und ich wurde mit der Zeit immer offener und gesprächiger. Ich erzählte ihm von mir, meiner "Reise" hierher und meiner Liebe zu Büchern und Geschichten. Währenddessen entwickelten wir mit der Zeit ein sehr enges Band zueinander. Manchmal dachte ich, so müsste es sich anfühlen, einen Vater zu haben, der sich um einen kümmert und sich für einen interessiert, doch ich traute mich nicht, das zu sagen. 

Bisher hatte ich mich immer schwergetan, Menschen zu vertrauen, da sie mich irgendwann immer verletzt oder verraten hatten. Ich hatte angefangen, mir unangenehme und private Dinge von anderen zu merken, um sie später damit erpressen zu können, falls sie mir in den Rücken fielen. Doch Bruce war so ein unglaublich lieber Mensch, dass ich mich bei ihm ein wenig wohler fühlte.

Am Abend bekam ich überraschend ein eigenes Zimmer von Tony zugeteilt. Dort war sogar ein riesengroßes Regal mit Büchern. Es kam mir seltsam vor, wie freundlich alle zu mir waren, ich war es nicht gewöhnt, dass jemand, der von meinen Kräften wusste, nicht sofort das Weite suchte und sich nicht mehr blicken ließ. 

Die beiden Männer benahmen sich mir gegenüber sehr respektvoll. Auch die Frau, deren Name Wanda lautete, war sehr lieb zu mir und behandelte mich wie jemand völlig normales. Vielleicht lag es daran, dass sie alle ein Stück weit Außenseiter wie ich gewesen waren, bevor sie zu Helden wurden. 

Beautiful Mistakes (Loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt