Fifty-Three

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Nolan

Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte zweimal und drückte die schwere Tür mühsam mit meinem Fuß auf. Es war, als hätte mich die gesamte Kraft verlassen, selbst solche Kleinigkeiten kosteten alles, was noch in mir übrig war.

Ich hatte mir einmal beide Beine bei Eislaufen gebrochen. Das war verdammt schmerzhaft. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie genau es passiert war oder wie meine Eltern, meine Brüder, daraufhin reagiert hatten. Aber woran ich mich ganz sicher erinnern konnte, war der Moment, als der Schmerz kam. Zuerst nicht, weil das Adrenalin alles übertrumpfen konnte, aber dann schlug der Schmerz wie eine Bombe ein. Es war qualvoll und kaum auszuhalten, und doch überstand ich es, was ziemlich sicher mit dem Berg an Schmerzmitteln zu tun haben musste, die ich deswegen schluckte.

Jetzt war es anders, jetzt war der Schmerz nicht physisch, sondern psychisch und ich konnte mich an kaum eine Situation erinnern, wann ich mich tatsächlich so gefühlt hatte, wie in diesem Moment. Der Tod meiner Mutter war schlimm, aber ich war nicht alt genug, um wirklich begreifen zu können, welchen Schmerz sie mit ihrem Tod bei mir oder meinen Brüder hinterließ. Mit der Zeit lernte ich diesen Schmerz zu akzeptieren und damit umzugehen, indem ich all meine Emotionen in die hinterste Ecke meiner Seele sperrte und meine Fassaden aufbaute, die selbst der größte Sturm nicht zum einstürzen bringen konnte.

In meinem Leben gab es einige Situationen, die mich hätten wieder an den Punkt bringen können, dass alles in mir hochkam und mich lähmen würde. Aber sie taten es nicht, und ich konnte nicht genau sagen, wieso. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich für meine Brüder stark sein musste – genauso wie meine Mutter es mir zuletzt aufgetragen hatte. Vielleicht war es aber auch so, dass es einfach nichts mehr gab, dass schmerzhafter und damit robuster als meine Mauern war.

Bis heute.

Die Pressekonferenz musste jetzt etwa zehn Stunden her sein und seitdem hatte sich eine ganze Menge geändert. Das ganze fing damit an, dass ich keine freie Sekunde hatte, um durchzuatmen. Graham und ich hatten am Vortrag beschlossen, eine spontane Pressekonferenz abzuhalten, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, wie die Warren Company zu den ganzen Vorwürfen an Thorne Industries stand. Natürlich mussten wir sie von uns weisen, weil alles andere einfach kein Sinn gemacht hätte. Auch wenn wir unserer Partnerfirma damit ziemlich in den Rücken gefallen sind, mussten wir zuerst an unsere Firma denken. Das hätte jeder Unternehmer getan. Anderenfalls würde man nämlich das wirtschaftliche Aus erleben.

Doch eine Sache war anders an dieser Pressekonferenz, und das war die Tatsache, dass ich persönlich geworden bin, was unter anderen Umständen niemals passiert wäre. Jetzt hatte ich allerdings keine andere Wahl. Um die Firma zu retten, musste ich die Beziehung zu Angeline beenden, und das war das Schlimmste, was ich je tun musste.

Im Fernsehen kam es sicherlich nicht so rüber. Nein. Ich kannte mich selbst so gut, um zu wissen, wann ich meine Mauern wieder hochfahren musste, obwohl Angeline sie so mühselig abgebaut hatte. Ich musste eine Distanz zwischen mich und diese Beziehung bringen, anders hätte ich die Trennung niemals überlebt. Die Ferne half mir dabei, jegliche Gefühle, die ich für sie hatte, für einen Moment wegzusperren, damit ich das tun konnte, was von einem Geschäftsführer einer Multimillardenfirma erwartet wurde.

Innerlich hingegen sah es ganz anders aus. Innerlich brach etwas in mir zusammen, dass ich nicht beschreiben konnte. Es fühlte sich an, als würde mein Herz nicht mehr schlagen, weil es ohne Angeline einfach nicht mehr funktionierte. Es fühlte sich so an, als würde mein gesamter Körper paralysiert sein, obwohl mein Gesundheitszustand einwandfrei war. Es fühlte sich so an, als würde ich nicht mehr richtig atmen können, nicht mehr richtig sprechen, hören, essen können. Es fühlte sich so an, als würde ich Stück für Stück zusammenbrechen, als würde ich mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde kaputtgehen, als würde ich sterben.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt