Die Entschuldigung

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Donnerstag, 10. Juli 2022

Bob,
Es tut mir unfassbar leid, dass ich dich vorgestern einfach so sitzen habe lassen. Du gehst mir seitdem auch aus dem Weg, aber du hast auch einen Grund. Es ist nicht so, dass ich den Kuss nicht NICHT genossen habe, ich fand es nur unfair gegenüber meinen Gefühlen. Ich weiß, es war auch nicht fair gegenüber deinen. Ich hätte mich erst gar nicht auf den Kuss einlassen sollen und dir gleich sagen müssen, was Sache ist. Es tut mit unfassbar Leid und ich wollte nicht mit deinen Gefühlen spielen. Wenn du persönlich reden willst, können wir das natürlich gerne machen. Wenn du das willst, treffe mich um 12:20 Uhr am Freitag draußen, am See. An dem Platz, an dem wir immer zusammen gelesen haben. Und du fragst dich wahrscheinlich auch gerade, wieso ich dir diesen Brief nicht persönlich gebe oder gleich mit dir rede. Das liegt daran, weil ich einfach ein kleiner Schisser bin und weil ich Angst habe, dass du böse auf mich bist, wozu du auch jeden Grund hast. Tut mir nochmal Leid.

In Liebe

Weiter schreibe ich nicht. Ich streiche die letzten zwei Wörter weg und ersetze sie durch Hoffentlich bis dann, Flo. Ich blicke auf mein Werk hinab und begutachte es noch einmal. Jetzt nur noch einmal sauber abschreiben, dann konnte ich es ihm auf sein Bett legen. Seit Dienstag schlafe ich in dem vierten Bett bei meinen Eltern und meiner Schwester. Ich konnte es einfach nicht aushalten, bei so einer Stimmung zwischen mir und Bob und mir und Peter, mit ihnen noch im gleichen Zimmer zu schlafen. Ich hoffe aber, dass sich die angespannte Funkstille zwischen mir und dem dritten Detektiv wieder legt. Da wir keinen Mülleimer in unserem Zimmer haben, spaziere ich über den Flur ins Bad, welches ich mir mit Mama, Papa, Nina, Peter, Justus und Bob teilen musste. Das war schon ganz schön anstrengend. Am meisten am Morgen, wo jeder ins Bad möchte. Ich drücke die Klinke runter, doch es ist abgeschlossen. „Nina, beeil dich mal.", rief ich genervt durch die Tür. Kurze Zeit später lugt Bob durch den Türspalt und teilt mir mit, dass er noch ein wenig braucht. Ups.

Drei Minuten später ist das Bad frei und ich zerknülle und schmeiße meinen Zettel in den Metallmülleimer. Ich mache mich auf den Weg zum Mittagessen runter in die große Halle. Als ich dort angekommen bin, halte ich Ausschau nach einem freien Platz. Ich lade mir mein Tablett auf und sehe einen. Zwischen Nina und Justus war eine kleine Lücke, in die ich mich hineinquetsche. Erst dann merke ich, wer neben meiner Schwester sitzt. Genau, Peter. Der würdigt mich aber keines Blickes und lächelt Nina weiter an und redet lachend mit ihr. Um mich von seinem Lächeln abzulenken wende ich mich Just, der mich verschmitzt anlächelt. „Was denn?", frage ich. „Ach nichts.", meint dieser, doch ich glaub, ich weiß, wieso er mich so angesehen hat. Ich kaue nachdenklich auf meinem Marmeladenbrot herum und trinke ab und zu einen Schluck Saft. Nur nicht zu Nina und Peter schauen, nur nicht zu Nina und Peter schauen...

„Ach Peterchen, du hast gekleckert!", stellt Nina mit einer spitzen und süßen Stimme fest. „Lass es mich wegmachen.", meint sie, doch wird von ihrem Vorhaben unterbrochen, da sie von Peter geküsst wird. Wie bitte, was? Ich muss mir ein Lachen verkneifen und blicke zu Just. Der sitzt genau so wie ich da und schluckt noch schnell sein Wasser runter, nicht dass er, falls er lachen muss, das ganze Getränk auf den Tisch verteilt. Als wir ein paar Minuten später den Gang entlanglaufen machen wir die beiden nach. „Ach Peterchen, mein Schatzibärchen." „Du hast gekleckert, mein Bärlipopo. Mwaaamhh.", imitiere und forme den Kuss mit meinen Händen. Lachend laufen wir zum Praktikumsraum.

Um 18:05 Uhr stehe ich nachdenklich vor der Zimmertür von den drei Fragezeichen. Wie sollte ich ihm den Zettel geben? Ich lausche an der Tür und höre nur ein leises Geräusch, dass von einem Handy kommen muss. Ich klopfe und der Erste bittet mir herein. „Gut, dass nur du hier bist. Ich will diesen Zettel - der strengstgeheim ist und dich nichts angeht, Schlaumeier - Bob übergeben. Naja nicht ganz, ich will ihm ihn hinterlassen. Wo könnte ich ihn am besten hinlegen?", frage ich. Er nickt zu Bobs Bett und ich lege den Brief dort ab. Mein Blick schweift kurz zu Peters Bett und ich entdecke einen Haargummi auf seiner Kommode.

Am nächsten Tag wache ich voller Aufregung und Neugier auf. Ob Bob wohl zum Treffpunkt erscheint? Der Vormittag geht im Schneckentempo vorüber und als endlich Mittagspause war, mache ich mich auf den Weg nach unten, zum See. Sonne erwärmt meinen Körper und mein Gesicht. Ich gehe zu dem Baum und lasse mich nieder. Nicht fünf Minuten später erscheint eine Person rechts von mir und ich drehe mich um. Doch zu meinem Erstaunen war das nicht Bob, sondern Peter. „Was machst du denn hier?", frage ich überrascht. „Ich habe den Zettel im Mülleimer gesehen und wurde neugierig. Du hast also Bob geküsst?" Röte schießt mir ins Gesicht und meine Hände werden schwitzig. Ich will schon was sagen, aber werde von ihm unterbrochen. „Sag mal, kann es sein, dass du das am Dienstag gar nicht ernst gemeint hast?", wirft er mir vor. Wieso hat er denn jetzt ein Problem? „Ähm, natürlich habe ich das ernst gemeint. Kann es sein, dass DU den Brief nicht fertig gelesen hast? Ich sagte doch, dass ich mich von Anfang an nicht drauf einlassen hätte sollen. Und was ist überhaupt dein Problem? Du scheinst doch super glücklich mit meiner Schwester zu sein."

Genervt blicke ich ihn an. „Bin ich auch!" „Na dann haben wir das ja geklärt." Eine gewisse Enttäuschung macht sich in mir breit. Als ich ihm beim Weggehen beobachte, sehe ich nahe des Haupteingangs eine Gestalt, die wie angewurzelt da steht. Peter geht an ihr vorbei und mustert sie kurz, doch dann nickt er in meine Richtung. Bob kommt vorsichtig auf mich zu und schaut mich ängstlich an. „Es tut mir leid", sagen wir beide gleichzeitig zueinander. Beschämt blicke ich auf den Boden. „Wieso sollte es dir leidtun?", fragt der dritte Detektiv. „Ich bin einfach so weggegangen.", erkläre ich. „Ohne etwas zu sagen." „Du hattest ja einen Grund dazu. Ich hätte dich nicht küssen sollen. Ich wollte nicht... ich dachte nur...", fängt er an. „Was dachtest du?" „Ich dachte nur, du magst mich vielleicht auch. Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin. Ich wusste ja, wie du ihn angeguckt hast. Wie ich dann auf diesen Entschluss gekommen bin, ist mir unklar. Es ist nur so, dass ich einmal dachte, ein Mädchen mag mich anstatt Peter. Es ist schon so oft passiert, wie jetzt auch wieder, dass ich jemanden mag, aber diese Person Peter mag.", fuhr er kleinlaut fort. Verständnisvoll blicke ich ihn an. Ihm geht es genauso wie mir. Ich schaue ihm tief in die Augen und gehe in mich. Vielleicht ist da ja doch ein klitzekleines Kribbeln in meinem Bauch, doch vergeblich.

„Es tut mir leid, Bob. So sehr ich auch möchte, dass ich dich mag, da ist einfach nichts. Keine Gefühle.", meine ich traurig. Bedrückt schaut er zu Boden aber lächelt mich dann an. Kleine, süße Lachstreifen ziehen sich von seinen Augen, neben seiner Schläfe entlang, zu seinen Wangen. „Es ist schon gut. Freunde?", fragt er. Ich nicke und lehne mich nach vorne, in eine Umarmung. Ich bin ja so froh, dass jetzt alles wieder gut zwischen uns ist. Oder ist es das?

Die drei ??? und die dunkle Gestalt |  ✔︎ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt