Adrian und Clara Daines

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Bum...


Ein einziger dumpfer Ton, wie der Schlag einer, verkrampft zur Faust geschlossenen Hand, auftreffend auf einer Trommel gigantischer Größe. Gefolgt von reinster Stille, passend zu der tiefen Schwärze die alles verschlingt.


Bum...


Erneut schallt der Schlag durch die Leere, so dumpf und grotesk, jedoch gleichzeitig auch vertraut. Die Erinnerung an ein fundamentales Geräusch das jeder Mensch kennt materialisiert sich.


Bum... Bum...


Wie der Klang des Lebens, hervorgebracht von der unermüdlichen Maschinerie die uns versorgt und schon in der Wärme des Leibes, den wir vor der Geburt bewohnen, beruhigend und vertraut zuruft. Der Herzschlag der uns das gesamte Leben begleitet, immer pochend, treibend, der nur erlischt wenn auch wir erlöschen.


Bum... Bum... Bum...


Und doch ganz anders. Erschreckend, eine Ankündigung der unausweichlichen Leere. Es ist nicht das Leben dass dieses Geräusch erzeugt, nicht das Pumpen des Herzens dass uns mit Sauerstoff versorgt, es ist das Geräusch des Endes, der Tod.


In großen, stark rundlichen Tropfen, pulsiert die Flüssigkeit nicht in der zuvor tiefen Schwärze, sondern rinnt langsam, jedoch immer mehr beschleunigend durch Schlitze, die in blassem und verdrecktem Blech geformt sind. Der dumpfe Ton erschallt in dem verdrecktem Rohr, braun von Rost, gefüllt mit einer undefinierbaren Masse die sich über die untere Seite des Abflusses legt wie ein Teppich aus Gestank und Ekel. In diesem Moor ist jedoch eine einzige Lichtung, geformt von Wasser das stets genau an dieser Stelle aufgeschlagen ist. Jedoch ist es dieses Mal nicht die klare Flüssigkeit, es ist dicker, rubinrot. Der dumpfe Schlag ertönt erneut als ein weiterer Tropfen Blut auf das nackte Rohr trifft, gespenstig und Unheil verkündend.


Vorbei an den Tropfen, vorbei an den Schlitzen des Gitters über dem Abfluss zeigt sich eine Lache, gefüllt mit wachsartig aussehendem Blut. Nur langsam breitet es sich aus, nur träge erreicht es den Abfluss und stürzt in den Abgrund. In dieser Lache ragen dunkle Gebilde hervor, wie eine Gebirgskette die einen idyllischen See umschließt, samt Quellen die den See füllen und die Balance zwischen abfließen und erneuern halten. Die Formen entpuppen sich als ein Schuh, braunes italienisches Leder, dezent verziert mit Nähten die sich elegant beugen. Dicht anliegend ein einst schwarzes aber jetzt braun und grün erscheinendes Hosenbein, Spuren von brauner Erde, Gras und Regen ziehen sich über die einst stilvolle, und sicherlich hochwertigen Hose, dicht gefolgt von einem Saum aus dunkler Röte die langsam das Gebirge erklimmt wie um die Welt zu begraben. Passend auch die Weste von gleicher Qualität und gleichem Geschmack die das einst weiße Hemd umschließt. Der seidene Stoff glänzt noch immer, rein und sanft liegt er auf der Brust des Mannes. Rote Spritzer, die sich mehr und mehr in das Kleidungstück saugen, überziehen die weiße Wellen des Hemdes, bald verschlungen von der vordringenden, roten Front die aus der Lache steigt.


Langsam aufsteigend erscheint der ganze Körper des Mannes in dem rotem See, unnatürlich verdreht die Gelenke, der Kopf, auf der Seite liegend, spiegelt sich in dem Blut. Die glatt rasierte Haut, der gepflegte Haarschnitt unterstreicht die gehobene Erscheinung die der Mann einst hatte. Der jetzige Anblick steht dazu im Kontrast, das vorher wohl erscheinende Gesicht verformt zu einer Grimasse. Die Augen noch immer weit aufgerissen in einem Moment unbeschreiblicher Wut, das Fehlen jeglichen Lebens in ihnen erinnert verleiht einen dunklen und beängstigenden Eindruck. Der Mund ebenfalls weit aufgerissen, die Zähne blank. Falten umschließen die Fratze die mehr gemein hat mit einem Totenschädel als mit einem Gesicht.

Erschreckender als diese Grimasse zeigt sich ein gähnendes Loch quer über dem Ohr des Mannes. Fetzen von Haaren, Knochen und einer weichen Substanz der es nie vorgesehen war freiliegend der Luft ausgesetzt zu sein vermischen sich mit Blut zu einem Bild der Gewalt und Gemetzels. Dieser Anblick wird übertrumpft in seiner Grausamkeit durch die zweite Gestalt.


Das einst wunderschöne Kleid, von der Farbe des tiefsten Ozeans, fließt noch immer elegant und zierlich an dem gebrechlichen Körper entlang. Ein kleiner Knick deutet die Knie der Frau an welche die Hose des Mannes berühren. Ihre Beine parallel zu dem Oberkörper des Mannes, ihr Kopf nicht fern seiner Füße. Inmitten des Rots beschreibt die Gestalt selbst jetzt noch eine grazile Anmut, die Schönheit die Sie mal besaß kann auch nicht durch den Tod gebrochen werden. Wie ein Kunstwerk liegen die Zarten Hände noch immer ineinander, flehend und ängstlich bewahren sie noch immer die Geste der letzten Hoffnung. Ein Gebet als letzter Ausweg, rein und doch unerfüllt.


Die schlichte und doch bezaubernde Kette hängt in Trauer an ihrem Nacken, wie als würde Sie noch immer der Trägerin des Schmuckstücks nacheifern. Nacheifern nicht mehr in Schönheit und Eleganz, doch nun in Trauer, Leblosigkeit und Leere. Die langen braunen Haare ziehen sich wie Wurzeln in den See hinein, noch immer geschmeidig wie Seide bedecken sie teilweise das Gesicht. Dieses scheint noch immer bezaubernd, berauschend, ja noch immer perfekt. Die zarten Lippen in sich geschlossen wie im Schlaf, auch die Augen der Realität abgewandt, ungleich der Wut und dem Zorn des Mannes scheint ihr ganzes leblosen Dasein nur eines zu verkörpern, Trauer. Vertrocknete Tränen zeichnen feine Linien auf ihre Wangen, die zerflossene schwarze Farbe die einst die Augen unterstreichen sollte bildet ein feines Netz aus Adern, sich ausbreitend, als würden sie ihr Antlitz vor unreinen Blicken schützen wollen.


Eine einzige Gemeinsamkeit teilt die Frau jedoch mit dem Mann. Das Einschussloch welches ihr Leben beendete, nimmt die selbe groteske Form an.

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