Eine Schneeflocke nach der anderen fiel vom Himmel und bedeckte den vom Eis gefrorenen Boden.
Violet lief die von Menschen überfüllte Einkaufsstraße entlang, auf welcher, trotz der enormen Kälte gute Stimmung war.
Sie mochte es unter Menschen zu sein, vor allem in dieser Jahreszeit. Alle waren immer so nett zueinander, alles war fröhlich und familiär. Irgendwie war alles schön. Vielleicht wegen Weihnachten, möglicherweise lag es auch an den Temperaturen welche das Gesamtbild vom äußerlichen als auch vom innerlichen komplett veränderten.
Lächelnd schaut sie sich in der Gegend um und erblickte eine überdachte Bank neben dem Stadtpark. Mit schnellen Schritten schottete sie sich etwas von der Menschenmenge ab und setzte sich vorsichtig. Vereinzelte blonde Strähnen hingen ihr in das Gesicht und sie versuchte die ganze Zeit sie wieder hinter das Ohr zu stecken, doch der Wind blies sie immer wieder zurück. Der Schnee wurde immer stärker und sie bemerkte gar nicht das sich jemand neben sie gesetzt hatte. Sie hatte ihre Hände in ihren Taschen vergruben und sah nachdenklich zu Boden. Diese Jahreszeit war vielleicht schön und besinnlich, aber auch kühl und nachdenklich. Violet war nie einer dieser lauten und fröhlichen Menschen gewesen. Sie war auch nicht traurig oder deprimiert gewesen, keines Weges. Aber sie war einfach ruhiger gewesen als die meisten, eher schüchtern und zurückhaltend. Eben sie selbst.
"Hallo" Meldete sich plötzlich eine raue Stimme neben ihr und sie zuckte leicht zusammen. Verwirrt schaute sie auf. Neben ihr saß ein etwas älterer aber freundlich aussehender Mann. Seine Klamotten waren zerrissen, aber er sah nicht aus als würde er frieren. In seiner linken Hand hielt er eine große schwarze Tasche. Freundlich lächelte er sie an, doch ihr war nicht danach zu lächeln. Sie ließ zögerlich ihre Mundwinkel kurz nach oben zucken bevor sie wieder in die altbekannte Mimik zurückfiel. Der Mann musterte sie und nickte nur allwissend. Kannte er sie? Kannte sie ihn? Sie wusste es nicht. Er kam ihr nicht bekannt vor, war aber dennoch so vertraut. Nicht wie ein Vater, aber wie ein guter Freund.
"Hallo" Murmelte Violet leise und weichte seinem Blick aus. Sie konnte es nicht leiden so angestarrt zu werden, was vermutlich an ihrem kleinen Selbstbewusstsein lag. Vielleicht aber auch, weil ihr es unangenehm war mit fremden zu sprechen. Sie hatte ihren Körper angespannt denn der Mann war zum widerholten Mal ein Stück näher gerückt.
"Ich würde dir gerne etwas geben" Vorsichtig sah sie in seine Richtung. Der Mann lächelte erneut und griff in seine Tasche, welche aussah, als könnte man alles darin finden, nur nicht das was man im Moment brauchen würde.
Er ist ihr vollkommen fremd. Was hätte er ihr schon geben können? Ihr, einem fremden Mädchen?
Er zog ein altes Buch aus seiner Tasche und wischte etwas Schmutz, welcher sich darauf gesammelt hatte mit seiner Hand hinunter. Vorsichtig nahm er es in beide Hände und reichte es in ihre Richtung. Sie brauchte erst einen Moment bis sie verstand, das er ihr das Buch geben wollte. Langsam griff sie danach und musterte es verwirrt. Sie sah sich den Einbund des Buches an. Er war etwas zerkratzt und das Buch sah sehr alt aus. Es war geziert mit kleinen Blumen und sah handgefertigt aus. Die Grundfarbe war Braun und es waren kleine Muster am Rand eingestickt. Violet lächelte. Sie hatte noch nie ein solches Buch gesehen, erst Recht nicht in dieser Stadt.
Sie sah neben sich und wollte den Mann fragen warum er genau ihr dieses Buch schenkte, doch er saß nicht mehr neben ihr.
Er war weg, genauso wie seine Tasche und alles andere von ihm. Violet hatte sich noch nicht mal bedanken können. Behutsam legte sie das Buch in ihre Tasche und stand von der Bank auf. Ihr war nicht mehr danach hier zu sein. Sie wollte nachhause. Ihr war irgendwie schlecht, anderseits kribbelte Alles in ihr. Vielleicht vor Aufregung, vielleicht vor Neugier. Vielleicht würde sie aber auch einfach nur krank werden.
Sie warf sich ihre Tasche über die Schulter und begab sich zurück in die Menschenmenge.
Die Stimmung war noch immer gut wie zuvor, vielleicht sogar besser. Violet konnte sich aber nicht auf das alles konzentrieren. Das einzige wo sie mit den Gedanken war, war das Buch. Dieses alte, große Buch.Violet begab sich immer mehr abseits der Stadt, wo sie letztendlich an dem kleinen, schäbigen Haus ankam. Sie griff in ihre Tasche und zog den Schlüssel heraus mit welchem sie danach sofort die Tür auf schloss. Der Türgriff quietschte und als sie das Haus betrat, kam ihr nicht ein solcher typischer Duft von Essen entgegen wie es bei so vielen Familien immer war. Ihre Mutter war maximal nachts zuhause. Sie arbeitet in einer anderen Familie, putzt und räumt auf. Aber Violet fühlt sich nicht schlecht deswegen. Ihre Mutter ist kurz gesagt selbst Schuld gewesen.
Sie hatte nicht die beste Vergangenheit, mit Drogen und alkoholproblemen, zumindest in ihrer Jugend. Das wurde in ihrem Lebenslauf markiert und sie bekam nie einen richtigen Job.Die Verhältnisse in welchen Violet mit ihrer Mutter lebte waren nicht unbedingt die Besten, aber es reichte vollkommen. Zumindest für Violet.
Sie griff in ihre Tasche nach dem Buch und schmiss die leere Hülse der Tasche in die kahle Zimmer ecke. Vorsichtig setzte sie sich auf die Couch im Wohnzimmer und verschenkte ihre Beine zum Schneidersitz. Sie strich über das Cover der Buches. Dieses Mal musterte sie es genauer.
Erst jetzt bemerkte Violet, das es ihre Lieblingsblumen waren, welche das komplette Cover zierten.Ein Lächeln schlich sich über Violets Gesicht. Sie mochte das Buch jetzt schon.
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FanfictionWir haben alle eine Geschichte die irgendwann zum Leben erwacht. Die Frage ist, ob man sie leben lässt oder einsperrt inmitten von Papier.