27 Verrat schmerzt am schlimmsten

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Ihr Kopf dröhnte, als sie aufwachte. Sie blinzelte mehrmals, bevor sie die Augen öffnen konnte. Verschwommene Schemen tauchten vor ihr auf, die sich langsam zu einer Landschaft festigten. Sie ließ ihren Blick kurz über den Wald, das Gras und die Wiese gleiten. Doch schon bald hörte sie Schritte, die sich ihr langsam näherten.

»Huh? Schon wach?«, sprach eine vertraute Stimme zu ihr. »Ich hatte gehofft, du würdest noch etwas länger schlafen.« Diese Worte aus Matts Mund zu hören, tat ihr weh, so unfassbar weh.

Es war ihr gar nicht wirklich bewusst gewesen, aber er war zu einem guten Freund für sie geworden. Sie hatten viele lustige, aber auch ernste Gespräche geführt. Wie konnte er das alles nur jetzt kaputt machen? Einfach so? Sie hielt die Tränen, die aus ihren Augen treten wollten, zurück. Jedoch wusste sie, dass sie trotzdem in ihren Augen schimmerten.

»Wie… wie kannst du nur…das hier tun…?« Ihre Stimme brach, doch das war ihr egal.

Sie wollte aufstehen, sich vor ihm aufrichten, zumal sie ihn immer noch nicht vor sich sah. Doch als sie sich mit den Händen vom Boden ab stieß, erblickte sie ein dickes Seil aus Leinen, das sich wie Fesseln um ihre Handgelenke schlang und am Geländer der Brücke festgebunden war.

»Oh, das solltest du doch spätestens gewusst haben, als du mein Herz zerfetzt hast.« Jetzt trat er vor sie, das dunkelblonde Haar zerzaust und die Stirn mit Perlen aus Schweiß besetzt.
Sein Anblick tat zusammen mit seinen Worten nur noch mehr weh. Und sie wünschte, sie könnte sich von diesen Fesseln reißen, doch das Seil schien mit Magie verstärkt zu sein. Das alles passte einfach nicht in ihr Bild von Matt. Sie sah in seinem Gesicht nichts mehr von dem Amüsement, der Freundlichkeit, der Treue und auch nichts mehr von der Trauer, die ihn seit dem Tod seines Bruders, wie einen dunklen Schatten begleitete.

»Ich habe dich gehasst, Scarlett. Oh ja, das habe ich.« Er spielte mit dem Dolch in seiner Hand.

Und da, wurde Scarlett bewusst, dass sie nur noch eine Chance zu entkommen hatte: Schreien.
»Hilfe!«, schrie sie so laut, dass ihre Lunge brannte und ihr Trommelfell schmerzte.

»Hilfe!«, kreischte sie erneut. Immer und immer wieder. Nur dieses eine Wort.

Doch sie sah, wie sich Matts Miene verfinsterte und schlagartig kam er auf sie zu und presste ihr die schweißgebadete Hand auf den Mund.

»Noch einen Laut…« Seine Augen blickten kalt und trüb. »Und du wirst das nächste Mal, wenn ich dir die Brechstange über den Kopf ziehe, nicht so glimpflich davon kommen.« Er hatte seine Stimme zu einem Flüstern gesenkt. Eisig. Fest. Herzlos.

Mit seiner Hand weiterhin auf ihren Lippen, blickte sie sich panisch um. Irgendeinen Ausweg musste es doch geben. Allerdings hatte Scarlett immer weniger Zuversicht, dass es diesen wirklich gab.

»Ehrlich gesagt, muss ich noch überlegen, was ich mit dir mache. Nicht, dass du fliehst und zu einer Gefahr wirst?« Wieder sah er ihr direkt in die Augen.

Doch irgendetwas war mit ihnen nicht richtig. Etwas war ganz und gar falsch. War es diese Kälte? Aber bevor sie darüber länger nachdenken konnte, setzte er schon wieder zu sprechen an und holte das Brecheisen erneut hervor und schwang es unbekümmert hin und her.

»Aber fürs erste.« Er blickte geflissentlich auf den metallenen Gegenstand, den er hielt und dann auf seine Hand in ihrem Gesicht. »Habe ich glaube ich genug von dir.«, sagte er und holte noch im selben Moment aus.
Sie sah das Brecheisen auf ihren Kopf zurasen, schrie mit aller Gewalt. Doch durch seine Hand drang nur ein leiser vibrierender Ton. Sie machte sich darauf gefasst, erneut Schmerz durch ihren Kopf zischen zu fühlen. Aber dann hielt er in der Bewegung inne. Nichts an ihm rührte sich mehr. Sie blinzelte mehrmals, da sie das einfach nicht glauben konnte. Wie versteinert stand er da, als wäre er in der Zeit eingefroren worden. Jedoch bemerkte sie dann etwas, dass sie noch einmal kurz erschaudern ließ. Seine Augen bewegten sich noch, leuchteten auf und erloschen wieder. Sein Körper vermochte es vielleicht nicht mehr, sich zu bewegen, doch in seinem Inneren sah es ganz anders aus.

The System of Magic - Verführt & VerratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt