7. Kapitel

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I guess that's déjà-vu ~ Drive by (Train)

„AUFSTEHEN!“
Eine Stimme schrie mir direkt ins Ohr. Zuerst konnte ich sie nicht zuordnen, doch dann fiel mir alles wieder ein. Ich stöhnte. Das hier war mein erster Tag als Küchenhilfe in einem Schloss, in dem ich arbeiten musste, um nicht als Obdachlose auf der Straße wie wild den Weg nach Hause zu suchen.

Marie beugte sich über mich und grinste. „Aufstehen du Schnarchnase. Du bist schon fünf Minuten zu spät.“ Grummelnd zog ich mir die Decke über den Kopf und quiekte auf, als sie mir mit einem Ruck weggezogen wurde. Ich setzte mich auf und blinzelte verwirrt. War das Zimmer gestern nicht noch verwüstet gewesen? Jetzt war es blitzeblank und ich konnte keinen einzigen Stift sehen. Was ich stattdessen sah, ließ mich vor Schreck aufspringen.

Meine Hose bewegte sich von alleine über den Boden in Richtung Sophia, die sie mit leicht verhangenem Blick fixierte. Ich klappte meinen Mund auf und wieder zu, unfähig etwas zu sagen. Marie stellte sich schnell vor Sophia und meine Hose blieb liegen.
„Was war das denn?“, brachte ich schließlich heraus und hob sie vom Boden auf.

„Das war Sophie." Marie funkelte ihre Freundin an.
"Man darf ja wohl noch Spaß haben! Das Zimmer aufzuräumen war schlimm genug."
"Von wegen. Als Aniral ist es doch überhaupt nicht anstrengend. Du musstest dich ja nicht mal bücken."
"Na und? Es ist anstrengend und außerdem wurde ich dazu gezwungen!", beschwerte sich Sophia.

Marie verdrehte die Augen. "Komm schon, du weißt selbst, dass das Zimmer in einem unmöglichen Zustand war." Ich konnte sie nur verwirrt anstarren. „Ani-was?“
„Na, Aniral.“, erklärte sie, ganz so, als ob ich das doch wissen müsste. Mit
zusammengezogenen Augenbrauen zog ich meine Hose an und nachdem ich den pinken Albtraum namens Nachthemd ausgezogen hatte, auch mein T-Shirt.

Sophia und Marie standen schon in der offenen Tür und als ich zu ihnen trat, gingen wir hinaus in den Korridor. Wir liefen durch den Gang und die Treppe hinauf. Dann standen wir wieder in dem Wappenflur und steuerten auf die Küche zu.

Gerade als Marie die Hand nach der Klinke ausstreckte, schwang die Tür auf und ein kleiner rundlicher Mann mittleren Alters rannte uns entgegen.
Marie hob die Hand und begrüßte ihn. „Guten Morgen, Alfred.“ Der Mann nickte und sprintete weiter, was bei ihm irgendwie lustig aussah.

Ich unterdrückte ein Grinsen und Marie erklärte: „Das ist Alfred, der beste Koch in ganz Salabon. Aber jeden Morgen rennt er aus dieser Tür, weil er irgendwas vergessen hat.“
Ich grinste. Wir gingen in die Küche und ich sah ungefähr ein Dutzend
Leute mit allem Möglichen herumhantieren.

Marie lief in die hinterste Ecke und kam kurze Zeit später mit drei weißen Schürzen zurück. Wir zogen sie an und nachdem Sophia sich umgeschaut hatte, zog sie Marie hinter sich her zu einer Ablage, auf der ein paar Schüsseln und Platten standen. Ich lief ihnen hinterher, da ich absolut keine Ahnung hatte, was ich tun sollte.

Als ich bei ihnen stand, nickten sich die beiden zu und fingen an, Wurst und Käse auf die Platten zu legen. Vorsichtig wollte ich gerade ein paar Käsewürfel
dazu legen, als von hinten jemand: „Achtung!“ schrie. Ich sprang zur Seite und machte Platz für eine Frau, die mir mit einer großen Schüssel entgegen gerannt kam. Sie stellte sie neben mir ab und lief wieder davon.

Ich beugte mich über die Schüssel und erkannte, dass es sich um Schokopudding handelte. Ich musste lächeln. Außer mir kannte ich keinen, der Pudding zum Frühstück essen
konnte. Für wen auch immer dieser hier war, ich wusste, dass wir uns verstehen würden.

Ich dekorierte mit Marie und Sophia noch ganze zweieinhalb Stunden die Platten und Schüsseln. Um fünfzehn vor acht wurde mir dann von Alfred die Puddingschale in die Hand gedrückt
und ich stellte mich hinter meinen Zimmergenossinnen in die Reihe, die sie und die anderen zehn Küchenhelfer bildeten. Ich wusste inzwischen, dass ich im Esszimmer der Königsfamilie warten sollte, bis sie kamen und dann, wenn ich zu jemandem gewunken wurde, ihm die Puddingschale
reichen sollte, damit derjenige sich etwas nehmen konnte.

Die Reihe setzte sich in Bewegung und
wir liefen im Gänsemarsch aus der Küche heraus. Ich folgte den anderen durch mehrere Flure und Treppen hinauf und stand, ehe ich mich versah, in einem riesigen Raum mit allem, was man sich unter einem herrschaftlichen Esszimmer vorstellte.

An der Decke hing ein schwerer
goldener Kronleuchter und die Wände waren mit Gemälden eines Waldes bestückt. Der große Tisch in der Mitte des Raumes war aus Holz und für vier Personen gedeckt. Ich wollte mir gerade den Kamin am Ende des Zimmers genauer anschauen, als ich sah, wie ein kleines Mädchen von
ungefähr fünf Jahren in den Raum hüpfte und sich auf einen der Stühle setzte.

Als nächstes kam ein gut gebauter Mann ins Zimmer, gefolgt von einer zierlichen Frau, die freundlich lächelte.
Sie waren beide höchstens 40 Jahre alt und hatten schwarze Haare. Das Mädchen besaß dunkelbraunes Haar und wie - ihre Eltern, wie ich annahm - blaue Augen. Als sie drei am Tisch
saßen, lief ein Mädchen namens Pheli aus unserer Reihe und reichte dem Mann, von dem ich annahm, dass es der König war, einen Korb mit frischen Brötchen.

Dieser nahm sich eines und sie ging weiter zu der Frau, die dann höchstwahrscheinlich die Königin war. Gerade als Pheli bei dem Kind angekommen war, kam eine Gestalt um die Ecke. Es war ein Junge in meinem Alter. Um genau zu sein, war es genau der Junge, der sich heute Nacht zu mir auf den Anhänger gesetzt hatte. Nun trug er ein hellgrünes T-Shirt und eine Jeans.

„Da sieh mal einer an. Prinz Benjamin
von Salabon hat es also auch endlich geschafft sich zu uns zu gesellen“, sagte die Königin mit vorwurfsvollem Blick zu ihm. Er verdrehte nur die Augen, ließ sich auf den Stuhl neben dem
kleinen Mädchen fallen und strubbelte ihr durch die Haare. „Alles klar, Schwesterchen?“ Sie nickte und griff nach einem Brötchen, nur um es gleich darauf wieder hineinfallen zu lassen. Ich stand währenddessen wie erstarrt da. Von meiner Position konnte ich den Prinzen zwar nur von hinten sehen, aber sein Anblick ließ mich schlucken.

Wenn er mich gestern auf dem Wagen doch gesehen hatte, und mich nun erkannte, würde ich mit Sicherheit gefeuert werden. Das Kind drehte sich zu unserer Reihe um und schien nach etwas zu suchen. Als ihr Blick an mir hängen blieb, leuchteten ihre Augen auf. Sie streckte beide Hände nach mir aus und quiekte. Dabei starrte sie die ganze Zeit auf die Puddingschüssel in meinen Händen. Nun wurde mir auch klar, wer Pudding zum Frühstück aß.

Vorsichtig ging ich auf sie zu und stellte mich neben sie. Noch bevor ihre Finger den Löffel berührten, der in der Schale steckte, griff eine große Hand danach.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt