Kapitel 1

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Heute werde ich es tun. Denn heute ist der Tag. Heute werde ich mich trauen. Aufgeregt betrat Kai die Bar, die er vorher sorgfältig ausgesucht hatte. Von außen sah sie unscheinbar aus. Nur ein schwarzes leuchtendes Schild mit einem weißen Schmetterling und dem Schriftzug Le Papillon darauf markierte den Eingang. Vorsichtig zog er die Tür auf und ging die Treppe nach unten. Mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür und er tauchte in eine neue Welt ein.

Leise Musik spielte im Hintergrund, die die Gäste hierherlockte. Kai betrat den Raum, in dem anscheinend jeder Wunsch erfüllt wurde. Begrüßt wurde er von einer langen Theke, die aus hochwertigem Marmor mit einer feinen Maserung bestand. Dahinter eine lange Glasfront mit unzähligen Flaschen, darunter auch sehr teure Exemplare – für jeden Geschmack etwas.

Ein gutaussehender Mann stand hinter der Theke und mixte gerade einen Martini. Mit einer eleganten Bewegung flog der Shaker von einer zur anderen Hand, sodass man der hypnotischen Bewegung automatisch folgte. Vor der Bar gab es zahlreiche Barhocker, die mit schwarzem Leder überzogen waren. Auf der rechten Seite des Raumes gab es rote Sitzecken mit schwarzen Sitzbänken, die mit rotem Leder überzogen waren, und schwarzen Tischen.

Viele saßen umschlungen in den Ecken, sichtbar und doch versteckt. Die Atmosphäre war sehr sinnlich, was an dem gedimmten Licht lag. Lediglich die Bar war hell erleuchtet und gut sichtbar.

Kai schluckte und schaute sich nervös um. Ich bin hier so fehl am Platz. Vielleicht sollte ich gehen. Er war hin und hergerissen zwischen Bleiben und Gehen. Dann traf sein Blick auf den des Barkeepers. Er hatte kurze schwarze Haare, die ihm leicht ins Gesicht fielen und ein Lächeln, das sicherlich bereits tausende Herzen gebrochen hatte.

Mit einer sinnlichen Bewegung schob er einen Cocktail vor sich auf den Tresen, nur dass sich dort niemand befand. Erneut trafen sich ihre Blicke und die Augen lenkten ihn zu dem freien Platz. Magisch angezogen, folgte er dem Blick und setzte sich willig auf den freien Stuhl. Sein Herz schlug wild in seiner Brust. Was tu ich hier?

„Der geht aufs Haus", sagte eine tiefe Stimme, die in ihm eine Saite zum Schwingen brachte, die zuvor stumm gewesen war. Doch nun schwang sie und sein Körper erwachte.

„Danke", flüsterte Kai schüchtern und schaute nach unten. Er setzte das Glas an die Lippen und trank einen Schluck. Der Alkohol brannte in seiner Kehle und er spürte schon bald dessen Wirkung. Da er nie etwas trank, war der Effekt größer als bei anderen.

„Was hat dich hierhergeführt?", fragte die schwarzhaarige Schönheit vor ihm.

Sollte er es ihm einfach sagen? Der Alkohol machte es ihm einfach, lockerte seine Zunge.

„Ich bin hier, um mir einen sehnlichen Wunsch zu erfüllen. Ich habe gehört, hier wird jeder Wunsch erfüllt."

Der Barkeeper Adrian schmunzelte und schaute den etwas angetrunkenen Engel vor sich an. Langsam beugte er sich vor, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von Kais Gesicht entfernt war.

„Und was begehrst du?", flüsterte er.

Kais Wangen waren gerötet und doch spürte er, wie erneut die Hitze nach oben schoss. Sollte er es ihm einfach sagen? Was hielt ihn ab?

„Ich-", begann er, brach jedoch ab.

„Ja?", fragte die verführerische Stimme.

„Ich will meine Jungfräulichkeit verlieren."

Überrascht schaute der Barkeeper auf. Dieser Engel ist noch Jungfrau? Ich bin sicher, jede Frau würde sich um ihn reißen. Das blonde Haar, diese obsidianschwarzen Augen und die rosigen Lippen. Dazu diese weiche milchige Haut, die nahezu danach schreit, berührt und liebkost zu werden. Enttäuscht zog er sich zurück.

„Und welcher Typ schwebt dir vor?"

Kai senkte errötet den Kopf und murmelte: „Kurze schwarze Haare, helle Haut... und eine sinnliche Stimme." Adrian schaute sich im Raum um, keine der Damen traf auf diese Beschreibung zu.

Kais Augen starrten zu ihm auf, da begriff er. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. Es war das erste richtige Lächeln seit Monaten. Mit glühenden Augen starrte er auf den Engel, den er mit sich in die Hölle ziehen würde.

„Du hast recht. In dieser Bar wird jeder Wunsch erfüllt, doch erst wenn es drei Uhr ist", flüsterte er. „Kannst du solange warten?"

Für einen Moment hatte er Angst, dass er es sich anders überlegen würde, doch ein leichtes Nicken sorgte für ein weiteres Lächeln auf seinen Lippen.

Mon petit papillon [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt