Teil 2

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Die Totenfeier im Gemeindehaus wurde von den ansässigen Dorffrauen betreut, die an der Ausgabe Kuchen servierten und herumgingen, um Kaffee nachzuschenken.
Cel war ja noch nie so der Kaffeetrinker gewesen. Sie bevorzugt Tee.
Denn Koffein war schließlich auch gar nicht gut für sie. Also gab sie sich heute mit Wasser zufrieden, da es hier gerade keinen solchen gab, saß auf einem Stuhl, an einem der langen Tische, und hörte dem leisen Gemurmel der Leute zu, die miteinander sprachen, oder auch nur so in Erinnerungen schwelgten.

Es waren am wenigsten Erinnerungen über ihre Nana, eher nur allgemeiner Dorf-Klatsch.
Doch hier hatte sie nun endlich Zeit und Muse, den Umschlag zu öffnen, den ihr der Anwalt noch beim Verlassen des Friedhofs gegeben hatte.

„Alle rechtlichen Dinge wurden bereits geklärt, sie sind die einzige Erbin und das ist auch nicht mehr anfechtbar, durch das mehrfach beglaubigte Testament der Verstorbenen.
Und keine Bange... auch die Erbschaftssteuer wurde bereits aus dem Nachlass bezahlt. Wenn sie also hierher umziehen möchten, um ihr weiteres Leben auf dem Hof ihrer Großmutter zu verbringen, wird sie keiner daran hindern.", hatte er noch zu ihr gesagt und dabei ihren Onkel voll und ganz ignoriert, der hinter ihnen heran gekommen war.
Er hat ihr lediglich noch einmal seine Hand gereicht und die ihre geschüttelt, bevor er sich einfach umdrehte und ging.

„Habe ich das eben richtig gehört?", fragte Onkel Heinrich sie dann auch sogleich gehässig. „Meine Alte hat sich also wirklich nicht noch einmal erweichen lassen und ihren einzigen Sohn in ihrem Testament bedacht? - Nicht einmal auf dem Totenbett hat sie also ihre leiblichen Kinder gewürdigt und ausgerechnet dir Krüppellinchen ihr Haus und den großen Wald vermacht?", empörte er sich aufbrausend und wollte dann plötzlich nach dem Umschlag greifen, den der Anwalt ihr gegeben hatte.

Doch den stopfte Cel nun so schnell wie möglich in ihre große Tasche hinein und schloss den Reißverschluss davon, - kategorisch und endgültig.
„Warum bist du überhaupt gekommen?", fragte sie ihren Onkel aufgebracht.
„Du hast sie doch nicht einmal dort am Grab geehrt oder geachtet, sondern dir nur von deiner Nutten-Frau einen runter holen lassen.
Das haben übrigens alle gesehen, nicht nur ich und es war echt hochnot-peinlich.", sagte sie mutig zu ihm und sah ihn sofort zornig-rot anlaufen.
„Was erlaubst du dir..?"
Doch gerade war sie nicht zu stoppen.
„Du und Mama, ihr habt sie Zeit eures Lebens einfach nur gehasst, weil sie mit weniger voll und ganz zufrieden war und ihr beide doch immer nur viel zu gierig und selbstsüchtig wart, mehr und mehr und noch viel viel mehr haben wolltet, als dass es euch überhaupt zustand!", unterbrach sie ihn nun lauter werdend und sah, das einige der Trauergäste nun stehen blieben und lauschten.
„Und jetzt hat Nana einmal mich bedacht und nicht euch, die ihr euer ganzes Leben auf ihrem Rücken und zu ihren Lasten aufgebaut habt.
Du hast sie ausgenutzt und doch erst in diese bittere Armut gestürzt, mit den Krediten, die sie für dich abgeschlossen hat, und du hast sie aber nie abbezahlt, sondern nur Nana. Und Mama hat sie immer alle Zuzahlungen für mein Krankenhaus und all die Medikamente wie auch Sondertherapien übernehmen lassen, weil sie einfach zu faul war dafür auch nur mal ein paar mickrige Anträge auszufüllen und abzuschicken!", klagte sie ihn erbost und traurig an.
„Was weißt du denn schon darüber, freche Göre!? Du hast du überhaupt keinen Anspruch auf das Erbe. Denn du bist ja noch nicht mal ihr eigenes Kind gewesen, sondern nur ihre bettlägerige Enkeltochter!
Ganz Anders, als ich. Ich war ihr einziger Sohn! Das sagt übrigens auch mein Anwalt. Also denke ich, wir werden uns schon bald einig werden. Das Haus ist natürlich nicht viel wert, so weitab von Schuss auch wenn es zweistöckig ist, doch das Grundstück mit dem Waldgebiet schon.
Ich habe bereits mit einem Forstunternehmen gesprochen.
Das Holz lässt sich rasch fällen und auch gewinnbringend verkaufen. Da ich den Handel  für uns bereits abgeschlossen habe machen wir 70/30..."
„Du handelst also gerade mit etwas das du noch nicht mal besitzt, Onkel. Bist du tollwütig, oder einfach nur irre geworden?", fuhr sie ihm über den Mund und ergötzte sich dabei an seinem verdutzten Blinzeln.
„Oh... Wir werden uns in der Tat sehr schnell einig, nämlich dass du gar nichts bekommst! So steht es im Testament, denn du bist erbunwürdig! Du wirst den Wald also niemals besitzen und verkaufen können. Egal zu welchen Konditionen. Das Testament ist eindeutig, aber du hältst mich wohl echt für doof.
Nun geh bitte, und lass dir von deiner Frau meinethalben im Auto noch einen Blasen, ist mir egal. Ich traure gerade um meine Oma, - deine Mutter, du verkommenes Subjekt! Und sie war auch die Mutter meiner Mutter, die heute noch nicht einmal hier aufgetaucht ist. Ihr besitzt also alle beide keinen Anstand.
Doch das hört nun auf!
Handle wenigstens einmal in deinem Leben mit Respekt für deine Mama. Denn diese Frau hat dich schließlich zur Welt gebracht. Dafür schuldest du ihr zumindest das, - wenn schon nicht noch im Leben, dann doch jetzt zumindest im Tode, Onkel!", brüllte sie das letzte nun doch noch lautstark los und blickte den nun verblüfft blinzelnden Onkel Heinrich dann so hart und fest sie nur konnte an, bevor sie sich dann einfach von ihm abwandte und im Schutz der nun fast alle finster starrenden und lauschenden Dorfbewohner allein die Straße hinunter ging. Denn dort irgendwo musste es zum Gemeinde-Haus gehen, hatte sie gedacht.
Und tatsächlich war es auch gar nicht weit entfernt gewesen.

Wolfsbraut - Im Bann der AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt