Der Frosch-Königsmantel oder der Nerzmantel mit dem roten Flicken

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Eine (hoffentlich) humorvolle Abwandlung des bekannten Märchens „Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich" der Gebrüder Grimm. Sie entstammt einem Poetry-Slam und ist deshalb recht kurz gehalten.
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Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin, die den Nerzmantel ihres Vaters, des Königs, entwendet hatte und nun mit ihm spielend durch den zauberhaften Wald lief.

So kam sie zu einem Brunnen, der einen Frosch beherbergte. Währenddessen trällerte sie eine kleine Melodie vor sich hin und warf den teuren Nerz immer wieder hoch in die Luft.

Doch diese kindliche Freude missgönnte ihr ein bösartiger Beobachter, der bitterkalte Boreas, der Nordwind. Er tobte heftig und blies kräftig seine Backen auf, um diese angestaute Luft genau in dem Augenblicke kraftvoll auszustoßen, in dem der königliche Mantel hoch in der Luft schwebte, sodass dieser in hohem Bogen in den Brunnen fiel.

Da war die Prinzessin zu Tode betrübt und weinte bitterlich. Aber sowie der im Brunnen heimische Frosch das Klagen hörte, quakte er ihr Mut zu: „Ich will dir den Nerzmantel hochholen, wenn du mir dafür einen Wunsch erfüllst." Die Prinzessin frohlockte und willigte sofort ein.

So sprang der Frosch in seinen Brunnen und holte den schweren Mantel empor. Doch als die Königstochter ein großes Loch in dem triefenden Kleidungsstück entdeckte, reklamierte sie ihre Bestellung beim Frosch. Dieser hingegen verlangte seinen Lohn und pochte auf ihre Zusage. Sie stritten hin und her und her und hin, bis der Frosch farbenfroh anlief: gelb, gold, grün, rot, tot.
Da bereute die Prinzessin – die das Wort „Erste Hilfe" noch nie gehört hatte – ihre Tat von ganzem Herzen, weinte sehr und wollte sein Andenken ehren. Sie überlegte, wie sie das am intelligentesten anstellen könnte. Da kam ihr plötzlich ein Geistesblitz: Sie würde den Frosch in den Mantel, den er so heldenhaft gerettet hatte, mitaufnehmen! So diente ihr seine nun rote Haut als Flicken in dem Stoff, der schon das braune Fell so vieler kleiner Nerze enthielt. Es sah letzten Endes recht annehmbar aus.

Doch leider, leider war der Nordwind gar nicht glücklich über den Umstand, dass sie den Königsmantel wiederhatte. Er schickte einen seiner Diener los, ihr den Mantel abzujagen und immer vor sich her zu pusten. Dieser erfüllte seine Aufgabe viele, viele Jahrhunderte lang, bis es ihn zu sehr langweilte. Daraufhin ließ er den braunen Königsmantel mit dem roten Tupfer fallen. Und wie er so fiel, fiel er auf den Vorplatz eines Bahnhofes direkt vor das Fundbüro, in welches er von einem freundlichen Mitarbeiter hineingetragen wurde.

Und wenn dem alten königlichen Mantel noch nicht die Haare der Nerzfelle ausgefallen oder die Froschhaut ausgebleicht ist, dann liegt er noch heute im Fundbüro der Deutschen Bahn.

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