Kapitel 13 - Fortschritt
Fort·schritt
Substantiv, maskulin [der]positiv bewertete Weiterentwicklung; Erreichung einer höheren Stufe der Entwicklung
Draco war gefühlt gerade erst ins Bett gegangen, als er unbarmherzig aus dem Schlaf gerissen wurde. Das magisch verstärkte Klopfen an seiner Haustür ließ ihn regelrecht aus seinem Bett springen und er war komplett verwirrt, dass es mitten in der Nacht an seine Tür klopfte. Er dachte an Blaise und das dieser vielleicht nun doch beschlossen hatte, jetzt ihm einen Besuch abzustatten, aber Zabini lag viel zu viel an seiner Nachtruhe, als dass er mitten in der Nacht irgendwo hin gehen würde, es sei denn er trieb sich länger in irgendeinem Club herum.
Er wagte nicht, an Granger überhaupt nur zu denken. Seit er vor drei Tagen nach Hause gekommen war, hatte er nicht das Geringste von ihr gehört. Sie hatte ihm weder einen Brief geschrieben, noch hatte sie ihn aufgesucht und Draco war sich zwischenzeitlich eigentlich ziemlich sicher gewesen, dass sich das Thema Granger nach seinem Brief, der zugegebener Maßen an Unverschämtheit nicht zu überbieten gewesen war, erledigt hatte. Aber was, wenn es doch sie war, die hier zu dieser unmenschlichen Uhrzeit vor seiner Tür stand? Hastig kramte er sich eine Hose und ein Shirt aus dem Schrank, zog sich die Kleidung über und machte sich mit einem wirklich seltsamen Gefühl in der Magengegend auf den weg ins Erdgeschoss. Es klopfte schon wieder und er beschleunigte seine Schritte, hielt vorsichtshalber seinen Zauberstab vor sich und öffnete die Tür mit einer ruckartigen Bewegung.
Sie war es. Trotz, dass er es zwar auf eine bizarre Art und Weise gehofft hatte, so hatte er beim besten Willen nicht mehr mit ihr gerechnet. Und Draco war sich nach wie vor nicht sicher, ob es immer noch eine gute Idee war, fortzuführen, was auch immer er mit ihr hatte.
„Granger", begrüßte er sie und es hörte sich eher nach einer verwunderten Frage an, als nach einer Begrüßung. Sie sagte nichts, sondern schritt, ohne ihn weiter anzusehen, an ihm vorbei und betrat seine Empfangshalle, was Draco dazu veranlasste, verwirrt die Tür hinter ihr zu schließen. Er hatte sich eben zu ihr umgewandt, als er gerade noch aus dem Augenwinkel sah, wie ihre kleine Hand in rasender Geschwindigkeit auf ihn zuschoss und mit beängstigender Präzision klatschend und schmerzhaft auf seiner linken Wange landete. Er war nicht darauf gefasst gewesen. Nicht im Geringsten und so flog sein Kopf nach rechts und sofort fasste er sich mit seiner Hand an die brennende Wange und stellte fest, dass sein Ohr ebenfalls klingelte.
„Spinnst du? Wofür war das denn?", rief er aus und wandte seinen Blick wieder auf Granger, die hämisch grinsend wie ein kleiner Racheengel vor ihm stand und er war sich nicht sicher, ob sie schon mit ihm fertig war oder nicht. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, musste er sich wahrscheinlich vorsehen.
„Frag mich nochmal wofür, und ich schlag mit der anderen Hand auch noch zu, Malfoy." Ihre Worte kamen gefährlich leise aus ihrem Mund und obwohl Draco einen Zauberstab in seiner anderen Hand hatte und zwar in der, die nicht auf seiner Wange lag, überlegte er sich gerade, ob er nicht einen Schritt rückwärts machen sollte. Er konnte sich im Moment keinen Reim darauf machen, denn es konnte unmöglich sein, dass sie und Potter... oder etwa doch?
„Du hast es durchgezogen?", kamen die Worte verblüfft aus seinem Mund und er starrte sie an, als sei sie eine Erscheinung, doch zur Antwort bekam er lediglich ein abfälliges Schnauben und konnte dann beobachten, wie sie sich von ihm abwandte und in Richtung der Treppen davon schritt. „Granger!", rief er ihr hinterher und war sich nicht ganz sicher, ob er vielleicht immer noch schlief und einen wirklich verrückten Traum hatte. „Was wird das?"
„Whisky!", rief sie aus, ohne sich zu ihm umzudrehen und sie hatte schon die halbe Treppe erklommen, als sie ein „Den schuldest du mir", ansetzte und er merkte, wie sich ein leises, ungläubiges Lachen aus seiner Kehle kämpfte. Er hatte wirklich mit vielem gerechnet. Allem voran mit der Möglichkeit, sie nie wieder zu sehen, aber keinesfalls wäre er auf die Idee gekommen, sie könnte mitten in der Nacht auftauchen, ihm ins Gesicht schlagen und ihn dann zu einem Whisky nötigen. Schlagartig wurde ihm klar, dass er erleichtert war. Er war erleichtert, dass sie hier war und er war neugierig, was sie zu berichten hatte. Bei Merlin, er hoffte wirklich inständig, dass er irgendeine Art von Information aus ihr heraus bekam.
Eilig und gerade so schnell, dass er nicht rennen musste, ging er ihr hinterher und verschwendete keine Zeit damit, sich zu wundern, dass sie direkt das Arbeitszimmer seines Vaters ansteuerte, dort, wo sie bereits schon einmal einen Whisky gemeinsam getrunken hatten. Und andere Dinge getan, doch den Gedanken schob er schnell zur Seite. Sie sah nicht wirklich so aus, als sei sie heute in der Stimmung für irgendetwas, das über Whisky hinaus ging.
Ohne auf ihn zu warten stieß sie die Tür des Büros auf und steuerte kurzerhand den Einsitzer an, worauf sie sich nicht besonders elegant fallen lies. Sie sagte kein Wort und auch Draco entschied, dass er vorerst nichts sagen würde. Er wollte abwarten, was sie ihm eventuell mitzuteilen hätte und so begnügte er sich damit, abermals die Flasche und zwei Gläser aus dem Schreibtisch zu kramen und in jedes jeweils einen Doppelten einzuschenken. Er reichte ihr ein Glas und wollte sich gerade auf dem Sofa ihr gegenüber niederlassen, als er Zeuge davon wurde, wie Granger das Glas an ihre Lippen setzte und den Inhalt in nur einem großen Zug einfach leerte. Sie schüttelte sich daraufhin kurz und hielt es ihm nochmals entgegen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue nahm er es ihr ab und schenkte nochmals nach, stellte das zweite Glas aber vor ihr auf den Tisch, ehe er sich nun auch setzte.
Eine Weile sagte keiner auch nur ein Wort und ihm wurde unter ihrem eindringlichen Blick beinahe unwohl, denn sie sah ihn nur starr an und er konnte beim besten Willen nicht sagen, welchen Gemütszustand sie momentan hatte. Er war gerade dabei einzuknicken und doch etwas zu sagen, als sie zu sprechen ansetzte.
„Ich habe mit Harry geschlafen", sagte sie emotionslos und Draco hatte keine Ahnung, was sie selbst davon hielt, denn noch immer konnte er keinerlei Gefühlsregung aus ihrem Blick herauslesen.
„Wann?", fragte er daraufhin, weil ihm im Moment auch nichts Besseres einfiel. Granger sah auf die Wanduhr, die neben der Tür des Arbeitszimmers hing und nun endlich konnte er sich ein wenig entspannen, denn ein leichtes Grinsen schlich sich nun in ihr Gesicht, als sie ihren Blick wieder auf ihn lenkte.
„Die letzten vier Stunden." Ihr Grinsen wurde eine Spur breiter und sie griff nun nach ihrem zweiten Glas Whisky und nippte dieses Mal nur daran.
Draco entgleisten für einen Moment die Gesichtszüge und er musste aussehen, wie ein Fisch auf dem Trockenen, denn sein Mund öffnete sich, um irgendetwas zu antworten, doch kein Wort verließ seinen Mund. Hatte er sich etwa verhört? Sie hatte nicht gerade gesagt, dass sie vier Stunden lang Sex mit Potter gehabt hatte. Oder? Doch ihrem Grinsen nach zu urteilen, hatte sie ihm genau dies soeben eröffnet und ihm blieb nichts übrig, als anerkennend die Augenbrauen in die Höhe zu ziehen und auf diese Offenbarung ebenfalls einen Schluck seines Whiskys zu nehmen. So richtig überrascht war er von ihren Worten jedoch nicht.
„Ich wusste es", murmelte er vor sich hin, doch Granger hatte ihn scheinbar gehört und blickte ihn nun fragend an.
„Was wusstest du?"
Draco zuckte mit den Schultern. „Das Potter genauso vögelt wie er fliegt oder kämpft." Und er hätte auf seine Worte hin mit vielem gerechnet, jedoch nicht damit, dass sie nun ein leises Kichern verlauten ließ. Dieses war jedoch nicht von allzu langer Dauer, denn schlagartig wurde sie wieder ernst und sah ihn tadelnd an.
„Ich werde keinerlei Herausforderungen mehr in Bezug auf Harry von dir annehmen, Malfoy. Wenn du also nicht willst, dass ich dir nochmal ins Gesicht schlage, dann lässt du das künftig besser sein."
Er hatte damit gerechnet, doch ganz nachvollziehen konnte er es nicht, denn sie musste sich doch eingestehen, dass er offensichtlich Recht damit hatte, sie in Richtung Potter zu schubsen. Schließlich schien sie ganz und gar nicht wütend darüber, DASS es passiert ist sondern nur, dass er sie darauf gebracht hatte.
„Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir nicht gefallen hat. Das nehme ich dir nicht ab", sagte er daher und sie rollte auf seine Worte hin lediglich mit den Augen.
„Es tut rein gar nicht zur Sache, ob es mir gefallen hat oder nicht, Malfoy. Ich werde nur nicht mehr mit Harry knutschen, mit ihm schlafen oder sonst irgendwas in diese Richtung tun, das ist alles und ich möchte dich bitten, es einfach zu unterlassen, mir solche Flöhe ins Ohr zu setzen."
„Warum wirst du nichts mehr in diese Richtung mit Potter tun?", wollte er ehrlich interessiert wissen. Er war sich nämlich sicher, dass er an ihrer Stelle, nachdem Potter ihm vier Stunden lang das Hirn aus dem Kopf gevögelt hätte, vermutlich schon für eine Wiederholung zu haben wäre. Rein hypothetisch natürlich.
„Weil Harry mein bester Freund ist. Ich liebe ihn und ich kann nicht einfach mit seinen Gefühlen spielen. Er ist psychisch sowieso schon angeschlagen genug." Sie nahm einen erneuten Schluck aus ihrem Glas.
Draco seufzte. „Granger", setzte er an und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du euch beiden vermutlich damit einen Gefallen tust. Gerade WEIL es Potter so miserabel geht. Ich kann dir Brief und Siegel darauf geben, dass die Tatsache, dass er mit dir im Bett war, ein Schritt in eine etwaige neue Normalität war."
„Wieso das?", fragte sie auch zugleich und Draco wich ihren Blick aus. Er konnte ihr ja schließlich schlecht erzählen, dass er der lebende Beweis war. Seit diese Weltverbesserin vor seiner Tür aufgetaucht war, hatte sich auf jeden Fall sein beschissenes Leben ziemlich verbessert. Er spielte zumindest nicht mehr mit dem Gedanken, sich auf dem Dachstuhl zu erhängen oder sich einfach selbst mit dem Obliviate zu belegen, um sich damit vergessen zu lassen, wer er war. Vermutlich zählte dies zum Überbegriff Verbesserung.
„Vertrau mir einfach, Granger", sagte er darum schlicht.
„Pfff", stieß sie auf seine Worte hin einen genervten Laut auf und erhob sich dann mit einer fließenden Bewegung aus ihrem Sessel, um die paar wenige Meter zum Fenster hinüberzugehen. Draco beobachtete, wie sie ihre Arme vor ihrem Körper verschränkte und ihren Blick hinaus in die Dunkelheit der Nacht schweifen ließ und er runzelte die Stirn. Zugegebener Maßen war er ein wenig verwirrt darüber, was genau sie mit ihrem Besuch hier und heute bei ihm bezwecken wollte. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, warum sie ausgerechnet zu ihm kam, vermeintlich nur Minuten nachdem sie mit Potter geschlafen hatte. Granger war schon eine seltsame Nummer. Und auch wenn sie ihm vorher astrein eine verpasst hatte, so kam es ihm nicht vor, als sei sie wirklich sauer mit ihm oder so, als wollte sie dieses zweifelhafte Arrangement zwischen ihnen beenden. Er wüsste wirklich zu gerne, was in ihrem klugen Kopf vorging, vielleicht müsste er sich seinen eigenen dann nicht ständig darüber zerbrechen. In diesem Moment beschloss er, sie einfach danach zu fragen. Immerhin hatte er nicht das Geringste zu verlieren.
Er räusperte sich. „Möchtest du mir sagen, was dich so sehr beschäftigt?" Bei Salazar, das hörte sich irgendwie nicht richtig an und er fragte sich, wann genau er so weich geworden war, doch Granger machte es ihm zuweilen wirklich nicht einfach, sich wie das Arschloch zu benehmen, das er nun mal war. Sie antwortete ihm nicht sofort, doch einige Augenblicke später, sah er, wie sie leicht ihren Kopf schüttelte.
„Warum sind wir alle nur so unglaublich kaputt, Malfoy? Ich meine, schau uns an? Was tun wir hier? Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich jemals auf so etwas einlasse und jetzt sitze ich mitten in der Nacht ausgerechnet bei dir. Ich habe mit meinem BESTEN FREUND geschlafen und das Schlimmste dabei ist, dass ich nicht mal mehr die Kraft dafür habe, mich selbst dafür zu hassen! Ich bin eine verdammte Heuchlerin." Ihre Stimme klang kraftlos und niedergeschlagen und sie hatte ihren Blick noch immer über die Weite seines Anwesens gerichtet, das dunkel und still draußen vor dem Fenster lag.
„Komm her", hörte er sich selbst sagen, doch es schien ihm, als würde seine eigene Stimme von weit weg an seine Ohren dringen. Er musste leicht Schmunzeln, als sie sich nun zu ihm umwandte und ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen taxierte, ganz, als traue sie ihm keinen Meter über den Weg.
„Mir steht heute definitiv nicht mehr der Sinn, nach..."
„Komm her, Granger!", erstickte er ihren aufkommenden Protest im Keim. Seine nachdrücklichen Worte ließen keinen Raum für Gegenwind und etwas versöhnlicher, hielt er ihr eine Hand entgegen. Vorsichtig, als würde sie lediglich darauf warten, dass er jeden Moment aufspringen und sie überrumpeln könnte, setzte sie nun langsam einen Fuß vor den anderen und überbrückte die Distanz zwischen ihnen. Draco verharrte ruhig an Ort und Stelle, bis sie endgültig vor ihm stand und zögerlich ihre Hand in seine eigene legte. Sie staunte nicht schlecht, als er sie neben sich auf das Sofa dirigierte, nach ihren Beinen griff, um diese über seinen eigenen Schoss zu legen und sie mit seine Arm zu sich zog, so dass sie keine andere Wahl hatte, als ihren Kopf auf seiner Brust abzulegen. Er konnte ihre Verwunderung darüber beinahe spüren, doch er ließ ihr keine Zeit, ihn zu fragen, was das sollte. Stattdessen fing er selbst an zu sprechen.
„Du bist nicht kaputt. Vermutlich bin ich es und ziemlich sicher auch Potter. Aber DU bist definitiv nicht kaputt. Ich weiß nicht, wie du ein so verdrehtes Selbstbild haben kannst."
„Aber...", wollte sie etwas auf seine Worte erwidern, doch er war noch nicht fertig. Er musste das nun loswerden, denn er hatte keine Ahnung, ob er später noch den Mut haben würde, solch ein Gespräch mit Granger zu führen, denn wenn Draco sich einer Sache sicher war, dann, dass es ihm Angst machte, sich ausgerechnet ihr zu öffnen und ihr seine Gedanken zu offenbaren. Er wollte nicht angreifbar werden und er hatte anfangs nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass er kein Interesse an mehr als Sex mit Granger hatte, doch vielleicht musste auch er früher oder später einsehen, dass sie ihn auf eine gewisse Art und Weise verändert hatte. Welche das war, das musste er allerdings noch herausfinden.
„Und du bist keine Heuchlerin. Du bist alles, was Potter noch hat. Du bist sein sicherer Hafen. Sein Heilmittel. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du rein gar nichts falsch machst. Hör auf das zu denken und hör auf, die Sachen so sehr zu hinterfragen. Du bist unglaublich stark und du bist Potters beste und womöglich einzige Chance."
„Sein Heilmittel?", fragte sie nun verwundert und leicht belustigt und hob ihren Blick um ihm in die Augen sehen zu können, woraufhin Draco nur mit den Schultern zuckte.
„Nenn es wie du willst, aber du weißt was ich meine."
Sie sah ihn für einen langen Moment einfach nur weiterhin an und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum und Draco wollte gerade seinen Blick abwenden, da es ihm unangenehm wurde, so taxiert zu werden, als sie sich scheinbar überwand und in Worte fasste, was ihr auf dem Herzen lag.
„Was bin ich für dich, Malfoy?"
Er schluckte. Diese Frage konnte er ihr nicht beantworten, nicht mal wenn er gewollt hätte, denn er hatte selbst schlicht und ergreifend keine Antwort darauf. Und er war auch nicht bereit dazu, sich damit auseinander zu setzen. Nicht jetzt und womöglich niemals.
„Ein Spielzeug, dass ich mir mit einem Portschlüssel her rufen kann, wann immer ich will?", antwortete er ihr daher schmunzelnd und mit genug Sarkasmus in der Stimme, dass sie erkannte, wie wenig ernst gemeint dies war und dass er sie damit nur aufziehen wollte. Ihrem Augenrollen nach zu urteilen hatte das auch wunderbar funktioniert und Draco seufzte. „Ich weiß es nicht, Granger. Ich dachte ich finde es raus, aber offensichtlich hat das nicht funktioniert."
Sie beeindruckte ihn damit, dass sie seine Worte nicht weiter hinterfragte, sondern nur nickte und sich einfach erneut gegen seine Brust sinken ließ und für einen Moment schien die Zeit, zumindest in den kühlen Mauern des Manors, still zu stehen, während sie einfach nur da saßen und jeder seinen eigenen Gedanken nachhing.
„Ich werde die Appariersperre für dich aufheben, dann kannst du direkt von hier weg und musst nicht mehr erst ewig laufen, bis du den Apparierschutz hinter dir gelassen hast", meinte er nach einer Weile zusammenhangslos und auf diese Worte hin richtete sich Hermine auf und sah ihn nun belustigt an.
„Eine sehr charmante Art und Weise mich rauszuwerfen."
Draco lachte kurz. „Nein, das ist mir gerade tatsächlich einfach nur so in den Sinn gekommen. Du kannst bleiben so lange du möchtest, aber vermutlich ist es tatsächlich langsam Zeit um schlafen zu gehen." Er blickte kurz auf die Uhr und stellte fest, dass es eher beinahe schon wieder Zeit war, aufzustehen, aber diesen Fakt ignorierte er nun einfach mal. „Außerdem kannst du dann auch wieder direkt her apparieren, solltest du Sehnsucht nach mir bekommen." Granger stand nun auf und schenkte ihm ein kleines Lächeln, als er sich ebenfalls erhob und nach ihrem Zauberstab verlangte, über den er ein paar Beschwörungsformeln sprach, um die Appariersperre für sie aufzuheben.
„Das ist schon beinahe süß von dir", sagte sie, als sie ihren Stab wieder entgegen nahm und entlockte ihm damit ein abwertendes Schnauben.
„Wenn du nochmal das Wort süß im Zusammenhang mit mir verwendest, dann sperre ich dich geknebelt und nackt in die Katakomben unter dem Manor."
Hermine lachte. Es war vermutlich das erste Mal, seit sie vor einem guten Monat einfach vor seiner Tür aufgetaucht war, vielleicht auch das erste Mal überhaupt, dass er sie aus vollem Herzen lachen sah. Diese Tatsache machte etwas mit ihm und brachte seine Eingeweide dazu, sich seltsam krampfend zusammen zu ziehen. Er hatte jedoch keine Zeit, dieses komische Gefühl weiter zu erörtern, denn nun wischte sie sich sogar eine kleine Lachträne aus dem Augenwinkel, während sie sich wieder unter Kontrolle brachte und ihn kopfschüttelnd ansah.
„Deine Vorlieben sind wirklich extrem seltsam und zweifelhaft." Sie klang immer noch belustigt und ein wenig ernster fügte sie dann noch zögerlich an: „Gute Nacht Malfoy. Ich schätze... wir sehen uns?"
„Wann immer du bereit bist. Ich bin hier", überließ er ihr unterschwellig die Entscheidung ob und wann sie die Sache zwischen ihnen weiterführen wollte und wenn ihn nicht alles täuschte, schenkte sie ihm auf seine Worte hin noch einen dankbaren Blick, ehe sie ohne eine weitere Erwiderung mit einem leisen Knall einfach verschwand. Draco starrte noch eine Weile auf den Fleck, an dem sie gerade verschwunden war und fragte sich, was hier gerade passiert war. Die letzte Stunde war mehr als nur merkwürdig gewesen und hinterließ den Nachgeschmack von etwas, das er kaum greifen, geschweige denn zuordnen konnte. Es fühlte sich an wie ein Neuanfang, wie etwas, das er erst noch herausfinden musste und etwas, das ihm Angst machte und ihm gleichzeitig ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit bescherte. Hastig schüttelte er den Kopf über seine wirren Gedanken, trank den Rest von Grangers Whisky, den sie stehengelassen hatte und machte sich wieder auf den Weg ins Bett, jedoch nicht, ohne sich zu fragen, wie zum Teufel Potter es anstellte, vier Stunden bei jemandem wie Granger durchzuhalten.
***
Als Hermine die Augen aufschlug, dauerte es an diesem Morgen oder womöglich schon eher Mittag länger als sonst, bis sie sich und ihre Gedanken sortiert hatte. In ihrem Kopf hämmerte es ein wenig, was sich definitiv auf den ganzen Alkohol zurückführen ließ und sie musste für einen Moment überlegen, warum sie nicht in ihrem eigenen Bett lag und wo zum Geier Harry war, denn er war definitiv nicht in seinem Zimmer, so viel konnte sie ausmachen.
Die Erinnerung an den gestrigen Abend kam Stück für Stück zurück und es fiel ihr wieder ein, dass sie, nachdem Harry eingeschlafen war, all ihren übrigen Mut zusammengenommen und sich zu Malfoy davon gestohlen hatte. Die Ohrfeige, die sie ihm verpasst hatte, hatte gut getan, gestand sie sich schmunzelnd ein.
Während sie sich langsam aufsetzte und feststellte, dass ihr Körper von ihren Aktivitäten der vergangenen Nacht protestierte, legte sich ein ungläubiges Lächeln auf ihre Lippen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, warum, doch seit sie dieses überaus seltsame und völlig unvorhergesehen tiefgründige Gespräch mit Malfoy geführt hatte, fühlte sie sich besser. Kaum zu glauben, aber sie hatte das Gefühl, als habe sich irgendetwas zum Besseren geändert. Sie begriff noch nicht komplett, was das sein könnte, aber sie würde es früher oder später herausfinden. Zuerst würde sie jedoch schauen, wo Harry war. Sie machte sich Sorgen um ihn. Das letzte Mal, als sie körperlich geworden waren, hatte er sich miserabel gefühlt. Sie wollte unbedingt und dringend vermeiden, dass es ihm heute womöglich noch schlechter ging. Sie hoffte inständig, dass das nicht der Fall war und das Malfoy recht behalten würde mit seinem Gerede darüber, dass Harry auf dem Weg in eine neue Normalität sei.
Hermine wusste, dass sie sich früher oder später auch mit dem Thema Draco Malfoy auseinander setzten musste, denn es WAR eindeutig zweifelhaft, dass sie ihn, ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen, vergangene Nacht aufgesucht hatte. Doch alles zu seiner Zeit. Er hatte ihr eindeutig zu verstehen gegeben, dass es in ihrer Hand lag, wie und wann diese Sache weitergehen würde. Dafür war sie ihm doch tatsächlich dankbar, denn sie konnte definitiv noch etwas Zeit gebrauchen, um sich klar zu werden, was genau es war, das sie wollte.
Etwas schwerfälliger als sonst schälte sie sich nun aus Harrys Bett, in welches sie sich vergangene Nacht zurückgeschlichen hatte, und ging zuerst in ihr Zimmer um sich etwas anständiges anzuziehen, ehe sie nach einem Stop im Bad die Treppen nach unten ging um nach ihrem Freund zu suchen.
Lange suchen brauchte sie jedoch nicht, denn sie hörte eindeutig Geräusche aus der Küche. Zwischenzeitlich hatte sie auch in Erfahrung gebracht, dass es tatsächlich schon Mittag war und eigentlich wäre die Tatsache, dass es aus der Küche nach Essen roch nichts Verwunderliches, wäre nicht eigentlich sie die einzige in diesem Haus, die im letzten halben Jahr hin und wieder gekocht hatte. Vorsichtig ging sie auf die geöffnete Tür zu und blieb völlig perplex im Türrahmen stehen, während sie die Szene erfasste, die sich vor ihr auftat. Sie konnte kaum glauben, was sie sah, denn dort stand eindeutig Harry und fluchte leise vor sich hin, während er sich offensichtlich die Hand am heißen Wasser verbrannt hatte, bei dem Versuch, Kartoffeln abzugießen.
„Was tust du da?", hörte sie sich fragen und lachte, als sie sah wie er bei ihren Worten erschrak und den Topf, den er eben noch in der Hand gehabt hatte, mit einem lauten Knall in die Spüle fallen lies.
„Verdammt, du hast mich erschreckt!", stieß er aus, drehte sich um und sah ihr direkt in die Augen. Für den Moment hielt sie die Luft an, denn sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch das was sie sah, war so viel mehr, als sie jemals zu hoffen gewagt hätte. Harry strahlte. Nicht übertrieben, nicht offensichtlich, aber von innen heraus. Seine Augen leuchteten und hatte sie angenommen, dass es auf jeden Fall komisch werden würde, ihm nach vergangener Nacht wieder gegenüber zu stehen, so erfüllte es Hermine mit einer unglaublichen Dankbarkeit, denn es fühlte sich überhaupt nicht komisch an. Harry hatte ein schiefes Grinsen aufgesetzt und war sich scheinbar selbst auch nicht ganz sicher, wie er sich nun verhalten sollte. „Ich hab Kaffee gemacht", zuckte er dann zusammenhangslos mit den Schultern und zeigte auf die halb volle Kanne in der Maschine. „Ich hab heut früh schon eine halbe Kanne gebraucht." Bei diesen Worten verwandelte sich sein Grinsen in einen belustigt anzüglichen Blick und Hermine musste auf seine Worte hin auflachen und verdrehte leicht die Augen, während sie beschloss, dass Kaffee tatsächlich keine allzu schlechte Idee wäre.
Sie hatte den Weg zur Kaffeemaschine beinahe hinter sich gebracht, als sie überrascht stehen blieb, denn Harry hatte sie in diesem Moment am Handgelenk gefasst und ehe sie sich versah, landete sie an seiner Brust, während er sie in eine knochenbrechende Umarmung zog. Harrys Arme hatten sich schraubstockartig um ihren Körper geschlossen und sie fühlte sich kurz überrumpelt, doch da es nicht wirklich viele Optionen gab, legte sie ihre Arme ebenfalls um ihn und atmete einmal kurz tief durch.
„Danke, das du immer noch da bist", hörte sie seine leise gemurmelten Worte an ihre Ohren dringen und sie lächelte, als sie sich aus seiner Umarmung löste und ihn nun ansah.
„Wie fühlst du dich?", wollte sie ebenso leise von ihm wissen. Sie hatte mit Harry schon immer offen und ehrlich über alle möglichen Themen gesprochen, doch nun über dieses Thema zu sprechen, war tatsächlich eine etwas andere Hausnummer und sie fühlte, wie sie ein ganz klein wenig nervös wurde. Das schöne jedoch an Harry Potter war, dass man wirklich immer wusste, woran man bei ihm sein konnte, denn er trug sein Herz meistens auf der Zunge.
„Gut, denke ich. Besser. Ein wenig seltsam", zuckte er mit den Schultern und kratzte sich verlegen am Kopf. „Außerdem verwirrt und nervös... glaube ich", rückte er auch direkt mit der Wahrheit raus und Hermine liebte ihn in diesem Moment sehr dafür, dass er in Worte fassen konnte, wie es ihm ging. Sie selbst hätte ihm vermutlich zugestimmt, wäre da nicht die kleine aber penetrante Stimme in ihrem Hinterkopf, die sich verdammt nach Draco Malfoy anhörte und die ihr leise zuflüsterte, dass sie diejenige war, die Harrys Heilmittel sein könnte. Die Konstante in seinem Leben, die ihn aus der Dunkelheit ziehen konnte. Sie war nicht mehr verwirrt oder unsicher, stellte sie fest. Sie war tatsächlich genau das, was Draco ihr letzte Nacht gesagt hatte. Sie war stark und sie wusste in diesem Moment, dass es nichts gab, womit sie nicht klarkommen würde.
„Es gibt keinen Grund, verwirrt oder nervös zu sein, Harry Potter", sagte sie dann und Harrys Augen wurden groß, als sie ihm liebevoll durch die Haare strich.
„Naja, doch, ein wenig schon", gab er kleinlaut zu. „Du bist meine beste Freundin und daran hat sich auch nichts geändert. Meine Gefühle für dich sind die gleichen wie vorher, und du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich darüber bin und doch..." Er brach ab und Hermine hob eine Augenbraue, abwartend, was er wohl noch anfügen würde. „...hätte ich absolut und rein gar nichts gegen eine Wiederholung von letzter Nacht einzuwenden. Irgendwann...", schloss er leise und Hermine stockte. Sie wollte gerade etwas erwidern, wobei sie nicht genau wusste, was sie sagen sollte, als er nochmal etwas anfügte. „Es war wirklich unglaublich", kam es rau über seine Lippen und er sah sie mit einer Ehrlichkeit im Blick an, dass Hermine auf seine Worte hin ganz weiche Knie bekam.
„Ja, das war es", sagte sie leise und Harry räusperte sich, während er nun das Thema wechselte und sie aufforderte, sich zu setzen, denn er hatte ja immerhin Mittagessen gemacht. Worüber Hermine im Moment dankbar war, denn sie fand, dass sie womöglich erst mal ein wenig Zeit brauchte, um diese neue Information zu verarbeiten, zu katalogisieren, abzuwägen und vermutlich all ihre Prinzipien erneut über Bord zu werfen. Verfluchter Draco Malfoy.
A/N: Ich bin ja nach wie vor gespannt, was ihr weiterhin hiervon haltet. :) Ich wünsche euch auf jeden Fall eine schöne Oster-Woche und hoffe, wir lesen uns ganz bald wieder!
DU LIEST GERADE
Seelenheil
RandomDer Krieg ist vorbei, Voldemort besiegt und Harry gefangen in seiner Trauer und den Depressionen, die ihn seit all dem heimsuchen. Hermine sucht Hilfe bei einem ganz bestimmten Slytherin, um Harry wieder vom Leben zu überzeugen, doch was sie stattde...