Kapitel 1

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Ein Hahnenschrei reißt mich aus meinem Schlaf. Stöhnend drehe ich mich um und bin versucht, mich erneut dem wohltuenden Schlaf hinzugeben, jedoch höre ich schon das Murmeln der anderen Angestellten. Seufzend richte ich mich auf und streiche mir die braunen Strähnen aus der Sicht. Wenn ich schnell bin, könnte ich als erste ins warme Wasser. Schnell schwinge ich die Beine aus dem warmen Bett und stolpere zu dem kleinen Schränkchen, in welchem ich meine Kleidung habe. Hastig nehme ich eine schwarze Leinenhose heraus, sowie ein schwarzes Trainingsoberteil und frische Unterwäsche. Ebenso hastig reiße ich die Zimmertür auf und drängle mich an den anderen Angestellten vorbei. Mit wehenden Haaren und ohne Schuhe an den Füßen sprinte ich barfuß den langen Gang des Schlosses entlang, dabei werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne steht nicht sehr hoch am Himmel, also ist es noch sehr früh. Ich unterdrücke ein entnervtes Stöhnen und drücke die Tür zur Küche auf. Überrascht sehen die Köche und Köchinnen auf, wie ich in der Tür stehe, mit meinen Kleidern im Arm und nur einem leichten Leinenhemd an, welches mir bis zu den Knien reicht. Rasch räuspere ich mich.

»Ist das heiße Wasser bereit?«, erkundige ich mich ruhig. Eine Köchin fängt sich als erstes wieder. »Gehilfen bringen es bereits zur Wanne, Lady Cassia«, meint sie höflich. Nickend drehe ich mich wieder um und ziehe die Tür hinter mir zu, ehe ich den Gang weiter entlang sprinte. Die Waschräume für die Angestellten ist in einem Nebengebäude, welches auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Es ist nur ein kleines flaches Gebilde, direkt neben dem königlichen Stall, wo all die Prachtpferde stehen und darauf warten, von den adligen Besuchern des Königs bestaunt zu werden. 

Durch eine Hintertür verlasse ich den hinteren Flügel des Schlosses und haste über den Platz zu den Waschräumen. Der Wind ist noch eisig und der gefrorene Boden knirscht unter meinen nackten Füßen. Ich hoffe nur, der Winter ist bald um. Jeder Winter ist für die Königsfamilie eine weitere Nervenzerreißprobe. Die Armee ist nicht so stark wie im Sommer und in der Vergangenheit haben sich genug Feinde die Schwäche schon zunutze gemacht und die Königsfamilie angegriffen. Dabei haben sie es aber immer nur auf den Kronprinzen oder die Kronprinzessin abgesehen – noch nie wurde der König ernsthaft verletzt. Mein Vater erzählte mir, dass niemand genau weiß, was alle Gegner des Königs von dem Jungen wollen. Immer wenn ein neuer Prinz oder eine neue Prinzessin geboren wird, wird der König uninteressanter. Ob sie es nur darauf abgesehen haben, die Königsfamilie auszulöschen? Auch zu der Zeit meines Vaters und dessen Vaters schon waren die Feinde nur hinter den Kronfolgern hinterher.

Seufzend schiebe ich die Gedanken beiseite und öffne die Tür zu den Waschräumen. Hier ist es nicht so kalt wie draußen, jedoch auch nicht so warm wie in meinem Bett.

»Hallo? Oh! Lady Cassia, Sie sind es! Das Bad wurde gerade aufgefüllt, wir ziehen uns sofort zurück!« Ein kleines pummeliges Mädchen mit zottigen Haaren verneigt sich rasch und eilt mit drei weiteren jungen Mädchen aus den Waschräumen. Kurz sehe ich ihnen hinterher, ehe ich mir über die Stirn reibe.

Der einzige Grund, warum ich mit 'Lady' angesprochen werde, ist der, dass ich aus einem alten Adelsgeschlecht abstamme. Mein Familienname lässt so manchen aufhorchen – und noch mehr horchen auf, wenn sie erfahren, das wievielte Kind ich bin. Man kennt meine Familie, man kennt die Aufgaben meiner Familie. Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir für die Königsfamilie arbeiten – und das schon seit Jahrhunderten. Sobald man auch weiß, das wievielte Kind man vor sich hat, sind manche Leute so schlau und ziehen sich zurück. Ja, man könnte sagen, der Name Winster ist genauso bekannt, wie der Name der Königsfamilie persönlich.

Meine sauberen Kleider lege ich auf einen kleinen Tisch, welcher an der Wand steht. Daneben ist ein weiterer Tisch mit frischen Handtüchern. Sie riechen nach Rosen und Kirschen. So wie immer. Ich nehme mir ein großes Handtuch und ein kleines. Beide sind aus kratzender Wolle und sicher schon etwas älter, aber einen besseren Standard bekommen die Angestellten hier nicht. Und auch, wenn ich Adlig bin, hier gehöre ich zu den Angestellten. Auch wenn man etwas mehr Dankbarkeit zeigen könnte, der Person gegenüber, welche den Kronprinzen beschützt und für ihn sterben würde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 27, 2015 ⏰

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