Kurzer Rock

Ihr 10. Geburtstag, ein großer Tag im Leben eines kleinen Mädchens, endlich 2-stellig, ja die Welt lag ihr zu Füßen. Ein wunderbarer Weg, der auf sie wartete.
Doch vor allem warteten dort Männer, alte Männer. Denn sie wurde nicht nur 10, überschritt eine magische Schwelle, ab der es wohl ok ist, von Männern, alten Männern, als sexuelles Objekt betrachtet zu werden.
Und sie wurde 11 und dachte es sei nett, es sind ja Komplimente. Schöne Beine, schöner Körper.
Und sie wurde 12 und dachte es ist ja normal, gewöhnt an das nachrufen, gewöhnt an die Blicke.
Und sie wurde 13 und lernte, dass sie so Aufmerksamkeit und Anerkennung bekam, nichts wie die Freizügigkeit ermöglichte ihr das.
Und sie wurde 14 und lernte still zu sein, einfach zu lächeln, wenn sie keine Schwierigkeiten wollte.
Und sie wurde 15 und dachte das sei Liebe, ein falsches Gefühl von körperlicher Zuneigung, das ihr Geborgenheit verschaffte.
Und sie wurde 16 und dachte gar nicht mehr daran, Übergriffe waren zur Normalität geworden, es sei nur ein offenes Verhalten.
Keine Sexualisierung, nur Freundlichkeit.
Und sie wurde 17 und dachte gar nicht mehr, innere Verletzungen die nicht mehr heilen wollten.
Und sie wurde 18 und musste lernen, dass es nicht normal ist, nicht freundlich, keine Liebe.
Und sie wurde 19 und war nun auch kein kleines Mädchen mehr, sie erlaubte sich zu heilen.
Und sie wurde eine Frau, selbstbestimmt. Doch die Männer blieben gleich, die gleichen Sprüche, die gleichen Blicke.
Heute weiß sie, es ist nicht ihre Schuld, die Freizügigkeit nicht ihr Fehler und der Wunsch nach Zuneigung gerecht.
Heute trägt sie einen kurzen Rock, weil sie es will. Der Kampf geht weiter. Sie trägt den Rock nicht, um deinen Blick zu fangen, doch du denkst es sei eine Einladung für dich, eine Einladung sie anzugaffen und ihr nachzupfeifen. Und sie? Sie kämpft, sie versucht dir nicht ihre Gedanken, nicht ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Sie trägt den kurzen Rock, weil sie es will.