POV Inéz
Als ich aufwache, liegt Lydia schon nicht mehr neben mir. Wahrscheinlich muss sie putzen, Frühstück vorbereiten oder Ähnliches. Mir wäre es lieber, ich hätte eine vertraute Seele um mich herum, eine so beruhigende, wie die von Lydia.
Ohne dass wir reden, verstehen wir uns. Ich bedanke mich einfach dafür, dass sie mich aufgefangen und beruhigt hat. Sie ist mehr als ein Zimmermädchen oder eine Arbeitskraft, sie ist meine frisch gebackene Freundin! Meine erste richtige Freundin... ich will nichts überstürzen, aber sowas wünsche ich mir seit ich denken kann.
Ich ging zwar in den Kindergarten, die Grundschule, aber mein Vater holte mich nach den ersten Jahren aus dem Gymnasium heraus und ich wurde -von zu Hause aus- von einem Privatlehrer unterrichtet. Ich hatte keinen Zugang zu Gleichaltrigen mehr, keinen guten Grund das Haus zu verlassen oder irgendwas ohne meines Vaters Begleitung zu tun.Ich weiß nicht, woher seine Kontrollzwänge kommen, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass er sie schon immer hatte oder es irgendwas mit seiner Kindheit zutun haben könnte. Ich weiß so gut wie nichts über die Vergangenheit meiner beider Eltern oder wer meine Großeltern sind/waren? Ich bin ahnungslos und gebe mir die Schuld dafür. Vielleicht war ich einfach ein zu verträumtes Kind, sodass sie es erst gar nicht für nötig hielten, mit mir anständig zu reden. Meine gesamte Existenz ist kreiert, abgestimmt, niemand redet Klartext mit mir.
Wollten sie mich nicht mit ihren Problemen belasten?
Wollten sie etwas geheimhalten?
Oder vertrauten sie mir ganz einfach nicht? Ich kann mir das bei Mum so gar nicht vorstellen. Ich erlebte zwar nur sechs kostbare Jahre mit ihr, aber in jedem einzelnen davon, war sie offenherzig, so voller Liebe und Gute-Nacht-Geschichten. Einfach die perfekte Mum, doch nie die perfekte Lebenspartnerin für meinen Vater. Sie haben es mir nie gestanden, aber ich war kein dummes, kleines Kind. Ich konnte spüren, dass da keine Liebe im Spiel war und schon gar nicht Empathie. Vater tyrannisierte Mum, ganz ohne Frage. Ich wollte meine Kinderseele beschützen und redete mir stets ein, dass das perfekte Paare taten. Sie schlugen sich, nur um danach ruhig am Abendtisch zu sitzen und ihrem Kind vorzuspielen, wie toll doch alles sei.Einen Bullshit habe ich mir da zusammengesponnen.
Kurz gesagt: Vater war schon immer ein Meister in Sachen Kontrolle gewinnen und diese -um jeden Preis- zu behalten. Kontrolle über mich, meine Freundschaften und Freizeitaktivitäten.
Ich hatte nur einen Freund und das war Jack. Er lebte quasi in der Nachbarschaft und prägte meine Kindes- und Jugendjahre. Er war jedes Mal an Ort und Stelle, wenn es mir nicht gut ging oder ich an Mum's Grabstein trauernd verweilte. Das waren teilweise mehrere Stunden und doch war er immer da. Am Boden zerstört war ich, als er plötzlich in ein Erziehungscamp gesteckt wurde... von diesem Tag an, hatte ich gar keinen mehr, der meinen Tag erhellte.
Und jetzt?
Jetzt stehe ich unwissend und verloren vor einer leeren Wand. Ich weiß nichts mehr.
Denn an alles, das ich geglaubt habe.... nichts davon existiert mehr.Mum nicht.
Die echte Version von Jack nicht.
Nicht mal meine Freiheit.
Ich habe keine wahre Identität...meine Vergangenheit ist ein ungelöstes Rätsel, meiner Gegenwart wird alles verwehrt und wie soll ich so auf eine bessere Zukunft hoffen?~
Jack hätte mich zurückgeholt heute Nacht, zurück zu sich.
Ich hasse ihn.
Ich hasse ihn mehr, als ich ihn je liebte.
Das ist nicht der Jack, den ich kennenlernen durfte, der mich stets begleitete. Das ist eine ekelhafte Version von ihm. Eine Version, der ich nie wieder begegnen möchte.~
Ich habe so viele Tage Schlaf verpasst, dass ich heute Nacht, trotz' seines Einbruchs, eingeschlafen bin. Es wirkt alles so surreal .... ich meine, wie kann Jack mich so schnell gefunden haben?!
Wieso hat er sich so verändert?
Nie hat er mich Widerwillen berührt oder sich auf mich gestützt, wie ein wildgewordenes Tier.
Es ist erschreckend, wie schnell sich alles gegen einen wenden kann.Was für wahr geglaubt, ist längst verloren.
~
Ich weiß nicht, was in meinem Kopf vorgeht, doch ich werde jetzt zu Seth gehen. Ich muss wissen, wo Jack ist und was Seth ihm angetan hat, sonst werde ich keine Ruhe finden.
Ich brauche diese Gewissheit, dass ich vor Jack sicher bin. Für immer. Denn er ist nicht mehr er selbst, er ist in meinen Augen ein Vergewalt*ger, mit dem ich eine schöne Kindheit teilte. Wir sind Verfremdete, mit gemeinsamen Erinnerungen.
Nicht mehr und nicht weniger.~
Ich betrete Seth's Schlafzimmer, das nicht nur bei Nacht, sondern auch am helligsten Tag, Dunkelheit ausstrahlt. Schwarzes und braunes Leder, mächtige Möbel, der Kaffee- und Aftershave Geruch, kombiniert mit seiner männlichen Präsenz. Es ist anziehend, aber einschüchternd.
Seth schläft tief und fest. Seine schwarzen Haare glänzen nass. Wahrscheinlich war er vor kurzer Zeit duschen, in der Hoffnung, die angestaute Müdigkeit der letzten Tage abzuwaschen.
Er trägt eine graue Jogginghose, aber obenrum nichts. Er ist sehr trainiert und ich frage mich, wie ihm Zeit zur Fitness bleibt, bei all' dem Papierkram und Arbeit, die er tagtäglich erledigen muss.Vielleicht kommen die Mukkis ja auch vom Leute verprügeln und anstrengendem Bettsport. Ich mein ja nur...wer weiß.
„Wenn du mich nackt sehen willst, musst du es nur sagen. Es gehört sich nicht, in andrer Leute Zimmer zu schleichen und wie ein Spanner zu geiern." Dringt mir seine raue Morgenstimme ins Ohr. Dieser Typ merkt echt alles. Er hat seine Augen und Ohren überall.
„Dir auch einen guten Morgen, Spannermaterial."
Gebe ich knapp zurück.
Er grinst verschmitzt.(Danke für's Lesen <3 Insgeheim sind wir alle Spanner, was sein muss, muss sein ;)
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Bring mich nicht in Versuchung
ChickLit✔️|BEENDET| „Jetzt gehört dir all' meine Aufmerksamkeit. Macht dich das feucht, Kleines?" Fragt er mit solch einer Ernsthaftigkeit, dass mein Mund staubtrocken wird. Seine langen Finger brennen auf meiner Haut. Sie sind eiskalt, aber hinterlassen ei...