eighteenth chapter

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Lyanna hasste den Geruch von altem Pergament. Muffig, fast schon erstickend bildete er einen Kokon um sie und verdrängte jedes Gefühl für eine Welt außerhalb der aus in Leder gebundenen Büchern erschaffenen Festung um sie herum.
Früher einmal hatte sie den Geruch geliebt, den Duft der ältesten, abgegriffensten Exemplare in ihrer Stadtbibliothek in sich aufgesogen und sich vorgestellt durch welche Hände sie schon gegangen waren. Und als sie hier in Hogwarts angekommen war, was hatte sie die Bücher verschlungen, gebadet in Pergament und hunderte Jahre alter Tinte und dem Duft, der ihr wie eine Verheißung vorkam...
Aber jetzt hatte sie ihn einfach nur satt. Und sie hatte das kursiv und die ausschweifenden Worte lange verstorbener Trottel satt, die sie wahrscheinlich dafür auslachen würden, dass sie überhaupt etwas so wahnsinniges versuchte, wie einen Weg zu finden, die Grenzen ihrer Realität, der Zeit selbst, zu durchdringen und zurück in die Zukunft zu reisen.
"Ihr werdet mir niemals glauben, wenn ich euch erzähle, was ich gerade gesehen habe", zerrisss eine Stimme den Kokon um sie herum und brachte sie dazu mit leicht genervtem Blick über den Rand von Transformation und Projektion, wie sie die Grenzen der Realität überwinden.
Lyanna war im Innenhof, auch wenn sie sich nicht ganz errinern konnte wie sie hierher gekommen war. Sie hätte schwören können, dass sie eben noch vor den Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunkeln Künste gewesen war. Vor ihr stand Draco, die Wangen gerötet und mit ungewöhnlich zerzausten Haaren. Er grinste triumphierend in die Runde von Slytherin-Erstklässlern.
"Na, spuck's schon aus!", sagte Pansy und setzte sich gerade auf, als Draco ihnen mit einer Handbewegung signalisierte, näher zu kommen.
Lyanna hingegen hob ihr Buch wieder an und suchte nach dem letzten Satz.
"Dieser Riesentrottel von Wildhüter hat einen Drachen in seiner Hütte. Und Potter und seine kleinen Freunde wissen davon", verkündete er im Flüsterton.
"Was!?", rief Lyanna aus, deutlich lauter als sie es geplant hatte. Einige der anderen Schüler im Hof schauten neugierig zu ihr herüber und Millicent stieß ihr den Ellenbogen in die Seite.
"Ja, so eine kleines, schwarzes, dürres Vieh. Aber es ist definitiv gerade geschlüpft und Potter, Granger, Weasley und Evans' Schwester waren dabei."
Das konnte doch jetzt nicht wahr sein.
"Das müssen wir sofort melden! Drachen zu halten, ist illegal, dafür kommt er vielleicht nach Askaban und die anderen fliegen definitiv von der Schule. Das ist Beihilfe zur Vertuschung oder sowas", quiekte Pansy aufgeregt.
"Niemals! Warum sollten ein paar Schüler Ärger bekommen, weil Hagrid das Gesetz bricht? Wenn überhaupt sollte er Probleme bekommen, weil er sie in Gefahr gebracht hat", warf Lyanna ein und klappte ihr Buch zu. Sie erntete überraschte Blicke als hätten sie genau so wenig damit gerechnet, dass sie noch sprechen konnten.
"Das werden wir ja noch sehen. Die werden ihm sicher helfen wollen, das Biest zu verstecken, und dabei müssen sie irgendwelche Schulregeln brechen." Das Grinsen auf Draco's Lippen wurde breiter, kalkuliert und voller Siegessicherheit. "Ich muss bloß warten."
Lyanna's Antwort wurde von der großen Turmuhr abgewürgt und schon war das Gespräch für beendet erklärt. Alle nahmen ihre Sachen und tuschelten und kicherten auf dem Weg zum nächsten Fach.
Jetzt hatte sie, noch ein Feuer zu löschen, nämlich die Tatsache, dass ihre Schwester sich erneut auf den besten Pfad zum Rausschmiss begab.

Die nächsten Tage waren Hölle. Der Versuch, Lucy zu überzeugen, nicht mehr zu Hagrid zu gehen, war erfolglos - was hatte sie bloß erwartet - und das Gespräch endete damit, dass ihre Schwester sie anbettelte, es Draco auszureden oder ihn zu verhexen, zusammen mit einer Reihe weiterer wüster Vorschläge, einer gewalttätiger als der nächste.
Und Draco stimmte zwar zu, Lucy's Namen nicht zu erwähnen, wies sie aber auch darauf hin, dass er nichts dagegen tun konnte, wenn ihre Schwester dumm genug war, sich schnappen zu lassen. Und er hatte auf jeden Fall nicht vor, das ganze einfach so fallen und Potter schon wieder mit dem Brechen der Regeln durchkommen zu lassen. Irgendwie konnte Lyanna das ganze auch verstehen, auch wenn diese ganze dämliche Situation dafür sorgte, dass sie sich am liebsten die Haare ausgerissen hätte.
Wäre es anders herum, würden die Gryffindors ziemlich sicher das gleiche tun, und ehrlich gesagt waren Lyanna Lucy's Freunde egal. Schließlich verstießen sie letztendlich wirklich gegen Gesetze und es würde selbst ihr ein wenig Genugtuung verschaffen, endlich zu sehen, dass man doch nicht mit allem durchkommen konnte, nur weil man berühmt war.
Und auch wenn sie Hermione Granger am Anfang recht sympathisch gefunden hatte, hatten sie schon Monate lang nicht mehr gemeinsam Hausaufgaben gemacht, worüber Lyanna sogar ziemlich froh war weil ihr so niemand mehr über die Schulter schaute oder sie fragte, wofür sie dieses und jene Buch überhaupt las.
Die Slytherins hatten ihr glücklicherweise auch ihre eigenen Sachen überlassen und nach einer Weile aufgegeben, sie zu fragen, ob sie nochmal mit ihnen zum See kommen wollte. Sie akzeptierten, dass jeder seinen eigenen Fokus hatte und waren nicht so neugierig oder aufdringlich wie Granger.
Ob das daran lag, dass sie sich mehr um sich selbst kümmerten (wie Pansy und ihre Freundinnen) und sie für einen Bücherwurm hielten oder, ob sie daran glaubten, dass jeder seine Geheimnisse hatte, die niemanden etwas angingen, wie Draco, sei dahingestellt.
So oder so stellte ihr niemand Fragen darüber, was sie in den Büchern zu finden hoffte, und sie hatte die Möglichkeit, in Ruhe im Gemeinschaftsraum weiter zu lesen und an Plänen zu arbeiten, während alle anderen schon im Bett waren.
Alle paar Minuten knackte das schon fast heruntergebrannte Feuer im Kamin, unterbrochen von tiefen, hohlen Geräuschen aus dem Wasser hinter den Fensterscheiben, die klangen als kämen sie aus einem Tiefsee-Horror-Film, aber sie hatte sich daran gewöhnt. Der Kraken war wahrscheinlich wieder auf der Jagd.
Neben Lyanna hatte sich Juno auf dem Fenstersimns zusammengerollt und schlief. Sie schien sich, wohl auch nicht an den Geräuschen zu stören.
Kurz unterbrach Lyanna ihre Arbeit und kraulte ihr silber-weißes Fell hinter den Ohren, was die Katze mit einem zufriedenen Schnurren zur Kenntnis nahm. Juno war wirklich zu einem angenehmen Ruhepol während ihrer langen Abende geworden und, wenn sie nicht gerade auf der Suche nach Beute durch die Gänge oder über den Schlossgrund streifte, war sie zuverlässig, auf dem Fenstersimms zu finden, von dem sie vorbeiziehnde Fische oder schwebende Quallen beobachtete.
"Ohne dich würde ich hier noch wahnsinnig werden, weißt du das?", murmelte Lyanna und lehnte sich seufzend zurück.
Ihr Magen knurrte. Sie musste wohl schon wieder das Abendessen verpasst haben. Leider hatte Lyanna auch nicht die leiseste Ahnung, wo sich die Küche des Schlosses befand, sonst hätte sie noch schnell etwas holen können.
Wenigstens hatte sie noch ein paar Kekse in den Taschen ihres Umhangs. Lucy hatte vor ein paar Wochen angefangen immer, welche in ihre Taschen zu schmuggeln, was sich immer wieder als praktisch erwiesen hatte.
Schnell stopfte sie sich einen Schokokeks in den Mund und widmete sich wieder ihren Notizen. Dieses Buch war leider beim zweiten Mal nicht viel hilfreicher als beim ersten Mal. Sie wollte gerade ihre Feder ablegen, als hinter ihr auf den Treppen Schritte ertönten. Wer war denn jetzt noch wach?
Schnellen Schrittes lief Draco die Treppen von Jungenschlafsälen herunter, noch immer in seiner Schuluniform statt in Schlafanzug.
"Wo willst du denn noch hin? Dir ist bewusst, dass schon Sperrstunde ist?" Draco zuckte zusammen, als hätte er nicht damit gerechten, hier noch jemanden anzutreffen.
"Bist du immer noch hier unten?", fragte er überrascht, aber ohne stehen zu bleiben.
"Hatte noch zu tun. Bekomme ich auch eine Antwort? Sag bloß, das hat mir dem ganzen Blödsinn mit dem Drachen zu tun?" Lyanna zog die Augenbrauen zusammen und klappte das Buch zu.
Draco schnaubte. "Was denn sonst?"
"Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sie zu verpfeifen? Oder haben sie etwas noch dämlicheres vor, als einen giftigen, feuerspuckenden, illegalen Drachen zu verstecken?" Eilig folgte sie Draco durch den Gemeinschaftsraum, der auf die Tür zusteuerte.
"Sie wollen ihn loswerden. Weasley war dumm genug einen Brief mit Ort und Zeitpunkt in seinen Büchern mit sich rumzutragen, also werde ich Filch auf sie ansetzen. Dieses Mal fliegt Potter sicher aus dem Quidditch-Team oder sogar der Schule, weder Berühmtheit noch Glück können ihm helfen, wenn er mit einem Drachen erwischt wird."
Von der Seite sah Lyanna den selbstzufriedenen Ausdruck auf seinem Gesicht.
"Du weißt, dass sie auch meine Schwester beinhaltet? Sie wird genau so von der Schule geworfen", flüsterte Lyanna aufgebracht, da sie jetzt durch die Tür in den finsteren Korridor traten in dem sie zu dieser Zeit nicht mehr sein durften.
"Ich habe dir doch gesagt, ich kann nichts daran ändern, wenn deine Schwester mit den Dreien die Klippe runter springt. Du hättest sie überreden sollen, sich da nicht reinziehen zu lassen."
"Tja, sie ist aber genau so stur wie du gerade, ich rede hier soch bloß gegen die Wand an!", zischte sie und erntete erneut einen genervten Blick.
"Und was willst du jetzt machen sie warnen? Dafür sorgen, dass für die Gryffindors mal wieder keine Konsequenzen gelten?", fragte er herausfordernd.
"Vielleicht, keine Ahnung, aber ich werde sie wohl kaum einfach in diese Falle laufen lassen! Sie ist meine Schwester, was soll ich denn sonst machen? Ich sag ihr einfach ich brauche ihre Hilfe oder sonst irgendwas und zerre sie mit, bevor ihre Freunde verstehen was los ist und du. Und Filch können den Rest haben."
"Das ist ein ganz dämlicher Plan, Evans." Mittlerweile waren sie im ersten Stock.
"Ach was, leider habe ich nicht gerade eine Menge Zeit, um mir etwas besseres auszudenken."
"Dann beeil dich besser. Filch wird die Treppen nämlich schneller hoch kommen, als ihr runter. Und lass dich nicht schnappen." Und mit diesen Worten bog draco um eine Ecke in Richtung Ostflügel, wo der Hausmeisterraum gelegen war und ließ Lyanna stehen.
Am liebsten hätte sie ihn an Ort und Stelle verhext, aber dafür hatte sie keine Zeit. Dieses ganze Drama machte ihn wirklich unausstehlich! Natürlich war Lucy selbst schuld, wenn sie mit machte, aber sollte er, als ihr Freund - waren sie das nicht mittlerweile? - nicht auch auf ihrer Seite sein?
So schnell und leise wie möglich lief sie in die entgegengesetze Richtung zum Treppenhaus. Er hatte sie nicht davon abgehalten, Lucy raus zu holen, ihr eine Chance gelassen, wenn sie sich nur clever anstellte, also sollte sie das auch nutzen. Aber das Schloss war riesig! Wenn sie einen Drachen abholen lassen wollten, wo würde sie es tun? Am besten in der Nähe des Verbotenen Waldes, wo keiner aus dem Schloss sie sah. Aber Draco hatte gesagt, dass sie die Treppen hoch müsste. Also ein Turm. Der Astronomieturm war der höchste und sogar offen, sodass man ihn mit dem Besen anfliegen könnte. Dort müssten sie sein.
Lyanna schlug den Weg in Richtung Astronomieturm ein. Das würden unglaublich viele Stufen werden. Aber was genau würde sie tun, wenn sie da war? Eine Warnung wurde für Chaos sorgen und sie bezweifelte, dass Lucy ihre Freunde einfach zurück lassen würde. Nein, und Lyanna wurde ganz sicher nicht mit diesen Idioten durchs Schloss schleichen. Das erhöhte eher die Wahrscheinlichkeit geschnappt zu werfen. Urgh, wieso war Lucy überhaupt bei solchen Aktionen dabei?
Leise Schritte ließen Lyanna plötzlich inne halten. Verdammt. Leise huschte sie den Gang ein Stück in die entgegengesetzte Richtung und kauerte sich hinter eine abgesetzte Statue eines Zauberers, dessen Gesichtszüge kaum noch zu erkennen waren. Die Stimmen wurden lauter und langsam konnte Lyanna einige Fetzen verstehen.
"...sind wirklich beunruhigend. Hohe Magie... angefangen mit Zeitreisen und dann...".
Lyanna wurde auf einmal hellhörig. Redeten die über sie? Mit klopfendem Herzen presste sie sich weiter in den Schatten der Statue.
Die helle Lichtkugel an der Spitze eines Zauberstabes tauchte den Korridor in schwaches Licht und die Siluetten von Madam Pince und Dumbledore flackerten im vorbeigehen an den Wänden. Madam Pince hatte einen besorgen Gesichtsausdruck und redete leise auf den Schulleiter ein.
"Noch nie in all meinen Jahren habe ich Erstklässler gesehen, die so viel Zeit in der Bibliothek verbringen. Jeden Tag bis spät Abends, das ist nicht normal, Albus."
"Die beiden Mädchen sind in der Tat etwas besonderes", sagte Dumbledore in der selben ruhigen Stimmlage wie immer. "Aber ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen."
"Das hat Severus auch gesagt, aber... Das Slytherin-Mädchen, Lyanna, einmal habe ich gesehen wie sie in der Nacht aus der Verbotenen Abteilung gekommen ist. Die Bücher die dort drinnen sind... Ich habe gesehen was für Bücher sie immer ausgeliehen haben, ich kann mir nur vorstellen was sie dort drinnen gefunden haben. Irgendwas planen sie, da bin ich mir sicher, Albus," fügte sie nachdrücklicher hinzu. Für einen Moment war Dumbledore still, als würde er überlegen, wie viel er Madam Pince sagen konnte. Lyanna hielt den Atem an. Hatte er vorher gewusst was genau sie recherchierten? Würde er sie aufhalten?
"Ich denke sie suchen nach Halt. Manchmal ist es gut etwas zu haben, was einem das Gefühl der Kontrolle gibt. Ich habe das Gefühl, dass sich das bald legen wird."
"Verzeihung, aber ich glaube nicht, dass wir das einfach ihnen selbst überlassen sollten. Sie sind Kinder, sie wissen doch gar nicht was sie tun!"
"Man kann Kinder nicht kontrollieren, Irma. Wenn sie antworten wollen, werden sie weiter suchen. Ich behalte sie dennoch Sicherheitshalber im Auge."
Auch wenn Madam Pince nicht besonders glücklich über diese Antwort zu sein schien, erwiderte sie nichts weiter.
Die Schritte entfernten sich wieder und der Korridor lag bald wieder in Dunkelheit. Lyanna's Hände waren schweißnass. Was hatte das zu bedeuten? Wie viel wusste Pince, oder wie viel ahnte sie? Und dieser Kommentar von Dumbledore, dass es in ein paar Wochen vorbei sein würde.. Wusste er vom vom 4. Juni? Was wusste Dumbledore über Zeitreisen und ihre Pläne? Tausende Fragen schossen ihr durch den Kopf bis sie es wieder wagte, sich zu bewegen, und sie etwas traf wie ein Blitz.
Sie hatte wertvolle Minuten verloren. Und Lucy war noch immer auf dem Turm, ohne dass sie sie gewarnt hatte.

2302 Wörter
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Alright, vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe es hat euch gefallen!
Was denkt ihr, was weiß Dumbledore alles? Und woher? Wird er sie davon abhalten, zurück in die Zukunft zu kommen? Was denkt ihr? Wenn ihr irgendwelche Theorien habt, schreibt sie in die Kommentare!

Through The Ages - A Harry Potter StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt