"So so. Das tust du also, wenn gerade niemand etwas von dir verlangt. Du sitzt in einem Sessel und liest so lange, bis dir der Rauch aus den Ohren steigt." "Bitte sag mir nicht, dass du diese Ruhe keineswegs genießt." Das Buch in Alecs Händen landet dumpf in seinem Schoß.
"Dann werde ich dich wohl enttäuschen müssen. Das Lesen scheint mein Interesse nicht so sehr zu wecken wie bei manch anderen."
Mein Gegenüber zuckt nur mit den Schultern und widmet sich wieder seinem Buch. "Ich habe mein Bestes gegeben. Das Lesen scheint wirklich nicht jedermanns Sache. Tatsächlich teilt nur unsere Luna meine Liebe zu den Geschichten auf dem Papier. Eine Schande. Dabei fällt mir ein, dass sie mich um eine Audienz gebeten hat."
Alec erhebt sich, legt das Buch überaus vorsichtig auf dem Beistelltisch ab und richtet sein moosgrünes Hemd aus feinster Seide, bis keine Falte mehr zu erkennen ist. Überrascht hebe ich meinen Kopf und starre ihn an. Mich alleine zu lassen schien für den jungen Mann vor mir eine Unmöglichkeit zu sein. In den letzten Tagen hat er mich nie aus den Augen gelassen.
Ganz gleich in welche Richtung es mich getrieben hat, Alec war mein stätiger Begleiter. Auf meine Fragen, wieso er mich nicht einmal beim Schlafen aus den Augen ließ, (Ich will nicht wissen, wann er das letzte Mal richtig geschlafen hat) hat er nur abgewunken und gesagt, dass er nie wieder zulassen wird, dass Xavier sich an mir vergeht.
Der Zwischenfall hat nicht nur bei mir Spuren hinterlassen. Alec verhält sich seitdem anders als sonst. Nicht nur, dass er einen viel größeren Beschützerinstinkt bekommen hat, nein, er scheint bei sich selbst Zweifel zu sähen. Und das liegt gewiss nicht daran, dass Xavier mir wehgetan hat – sondern, weil Xavier ihm wehgetan hat. Worte können oftmals viel mehr bewirken als körperliche Gewalt und Alec ist dafür in letzter Zeit das perfekte Beispiel geworden. Sich in seine Pflichten zu stürzen und an sie zu klammern wie ein ertrinkender auf hoher See, nur um nicht daran zu denken, was ihm vorgeworfen wurde scheint seine neue Leidenschaft zu sein.
"Soll ich dich begleiten?", frage ich vorsichtig nach. Das Buch, in welchem ich nicht ein einziges Wort gelesen, geschweige denn überhaupt verstanden habe, lege ich neben mich auf dem Tisch ab.
"Elara hat mich deutlich darum gebeten alleine zu erscheinen und diesem Wunsch werde ich wohl oder übel nachgehen müssen. Aber fürchte dich nicht. Es wird nicht lange dauern und dann können wir uns im Schlossgarten die Beine vertreten. Die frische Luft und die Sonne werden deiner blassen Haut guttun."
"Mein Hautton ist sehr akzeptabel."
"Akzeptabel für dich vielleicht. In Wirklichkeit ist er so blass, dass du einer Leiche Konkurrenz machst. Du kannst dich nicht drinnen vor der Außenwelt verstecken, Anthelia. Wie wäre es, wenn wir die Siedlungen des Rudels besuchen. Sie werden sich freuen ihre Luna zu sehen." Es fühlt sich immer noch seltsam an, bald diesen Titel zu tragen. Luna. Vor einer kurzen Zeit war ich noch ein ganz normales Mädchen und nun soll ich den Platz einer Herrscherin einnehmen. Ob ich dafür überhaupt bereit bin? Müsste ich es vielleicht sein, die Zweifel sähen sollte?
Daran sollte ich nicht denken. Elara sagte mir, dass das Rudel zu ihrer Luna aufsieht. Soll das Rudel zu einer Luna aufsehen, die Zweifel hat und selber nicht an sich glaubt? So werde ich gewiss niemandem weiterhelfen.
"Das klingt nach einer wunderbaren Idee, Alec. Das Rudel sollte mich kennenlernen, bevor ich zu ihrer Luna gemacht werde. Und ich sollte sie kennenlernen. Wir sollten sie alle zu dem Ball einladen. Nicht nur die Reichen aus anderen Rudeln, sondern auch die Kinder, die Frauen und die Männer, die so viel für unser Rudel leisten. So würden sie das Gefühl von Zugehörigkeit bekommen und einen wunderbaren Abend mit ihrem Alpha und ihrer Luna verbringen können. Himmel, Alec, stell dir doch nur mal das Strahlen auf ihren Gesichtern vor, wenn sie an diesem Tag – an diesem Ereignis teilnehmen können."
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Human Mate - Das Verlangen eines Alphas
WerewolfDie Menschen sorgen für sie und sie verschonen als Gegenleistung die Menschen. Doch betritt einer der Menschen ihr Revier, so gehört er ihnen. So wurde es vor vielen Hundert Jahren vereinbart. Doch mit der Zeit haben die Menschen ihre Existenz verge...