7. Champion

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Vorsichtig sah ich mich an der Straße um. Es schien hier nicht viel zu geben. Einige Autos fuhren an mir vorbei in die Stadt hinein, doch weit und breit keine Menschen zu sehen, so wie ich es gar nicht kannte.

Als ich zurück zur Wohnungstür kam, bemerkte ich, dass der Junge wieder draußen war und seiner Mutter dabei half die Einkäufe in die Wohnung zu schaffen.
Wieder lächelte er verlegen und unsicher und brachte nur ein kurzes Hey raus.

Ich nickte ihm desinteressiert zu und verschwand in der Wohnung meines Vaters.
Er hatte mir Tiefkühlpizza besorgt, damit ich etwas zum Essen hatte. Er sagte mir auch, dass er vorhatte kindgerechte Lebensmittel für mich einzukaufen, wenn er fertig mit der Arbeit war.

Ich schmiss mir also die Pizza in den Ofen und kramte, während diese sich erwärmte, in den Regalen meines Vaters herum, bis ich alte Bilder entdeckte, die mir kreuz und quer entgegen fielen.

Es waren verschiedene. Das erste Bild war sehr klein und zeigte meinen Dad mit meiner Mutter. Dort schienen sie glücklich zu sein, ohne Kinder.
Auf dem nächsten Bild konnte ich ein Motorrad erkennen und ich war mir sicher, dass der Junge darauf mein Vater war, als er jünger war.

Grinsend legte ich das Bild zur Seite, ich wollte es mir später noch ein mal ansehen.
Die Bilder waren fast alle aus vergangenen Zeiten, aus den letzten Jahren schien er keine Bilder zu haben.

Schließlich rutschte mir ein Bild aus dem Stapel und fiel auf den Boden. Ich betrachtete es, bevor ich es aufhob.
Es zeigte mir meinen Vater mit einem älteren Mann. Mein Vater musste dort ungefähr in meinem Alter gewesen sein. Er hielt einen Pokal und sah sehr selbstbewusst und eingebildet aus. Auch von dem Mann neben ihm konnte man das gleiche behaupten.

Dieses Bild legte ich eben Falls zur Seite, ich wollte meinen Vater darauf ansprechen, wenn er zurückkam.

Am frühen Abend kam er schließlich zurück.
Ich erschreckte mich und fiel krachend vom Sofa zu Boden, als er die Tür zu schlug.
"Hast du den ganzen Tag gepennt?", fragte er mich und schmiss eine Tasche auf den Tisch beim Essbereich.

Schnell erhob ich mich vom Boden und ging zu ihm herüber.
"Ich habe Gemüse, Obst, Milch, Cornflakes...", er hob immer die jeweiligen Lebensmittel hoch und zeigte sie mir. Sofort griff ich nach dem Saft und trank einen Schluck aus der Packung.

Prüfend sah mein Vater auf und versuchte sich ein leichtes Grinsen zu verkneifen.
"Und? Was hast du den ganzen Tag gemacht?", fragte er mich schließlich.
"Ich brauche einen Fernseher.", ohne auf seine Frage zu antworten schob ich die geschlossene Saftpackung, damit er sie wegstellte, zu ihm herüber.

"Ich habe einen, das genügt.", er deutete auf den alten Kasten.
"Das nennst du Fernseher? Das alte Ding hat nicht ein Mal einen Anschluss für meine PlayStation."

"Hängen die Kinder von heute nur noch an diesen neumodischen Dingern?", fragte mein Dad, der das nicht zu verstehen schien.
"Kauf einen neuen Fernseher, dann zeige ich dir wie cool das ist.", aufgeschlossen sah ich ihn an. Doch er winkte ab, "In deinem Alter war ich nur draußen unterwegs, mit meinen Freunden. Bis es dunkel wurde."

Stumm ging ich zum Tisch herüber, nahm die zwei Bilder, die ich gefunden hatte und sah sie nachdenklich an, "Mit deinem Motorrad?
"Was?", entsetzt, dass ich das von ihm wusste, kam er zu mir herüber und sah mir über die Schulter.

Ich bemerkte ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht, als ich ihn ansah und ihm das Bild reichte.
"Dieses Bild habe ich ganz vergessen.", flüsterte er. Doch er schien sich zu freuen, dass ich versuchte mehr über ihn in Erfahrung zu bringen.
"Und was ist mit dem Bild?", fragte ich, anschließend und reichte ihm das zweite.

Verträumt nickte mein Dad und nahm das Bild an sich, "Das war 1983.", immer noch nickte er verträumt, "Aber das ist lange her.", schnell fing er sich wieder und versuchte das Thema zu wechseln. Doch ich ließ es nicht zu, "Was ist das für ein Pokal?", ich tippte auf das Bild und anschließend musterte mich mein Vater ernst.

"Ich zeig dir was.", sagte er flüsternd. Endlich ließ er es zu und versuchte mir etwas über sich zu erzählen.
Er ging in sein Schlafzimmer und kam kurzerhand mit einem großen Karton zurück, den er auf dem Tisch beim Sofa platzierte.

Er zog den abgebildeten Pokal vom Bild aus dem Karton, sah ihn kurz an und überreichte ihn mir, "Sieh es dir selbst an."
Beeindruckt nahm ich den Pokal, der leichter war, als er aussah.
Ich las die Gravur 1983 All Valley Karate Champion.

Überrascht sah ich meinen Vater an, der den nächsten Pokal aus dem Karton zog, "1982", sagte er irgendwie stolz und überreichte ihn mir.
"Mum hatte Mal erzählt, dass du irgendwas mit Kämpfen gemacht hast. Aber dass du so gut warst, das hat sie niemals erwähnt.", ungläubig betrachtet ich den Pokal.

"Und jetzt bist du zu alt dafür?", fragte ich taktlos und übergab ihm wieder den Pokal, um in den Karton zu sehen.
Mein Vater lachte kurz auf, "Karate ist nicht einfach nur kämpfen.", sagte er verteidigend, "Es war schon immer mehr als das. Man ist niemals zu alt für Karate. Aber ich mache es einfach nicht mehr."

Fragend sah ich ihn an, doch wühlte weiter in dem Karton, in dem sich weitere Bilder von meinem Vater, aber auch von seinen Freunden befanden. Sie zeigten sie während des Turniers.

"Karate war in den Achtzigern etwas besonderes. Heute spricht doch kaum einer mehr davon.", er stand auf, um die Sachen zurück in sein Schlafzimmer zu bringen und zog mir im Vorbeigehen das Bild von ihm aus der Hand, welches er auch in dem Karton verstaute.

Cobra Kai: Der Weg von Enna LawrenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt