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POV Liv:
Zusammen gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns auf die Couch. Mich nervt es gewaltig, dass der Typ da gegenüber von mir sitzt und mich die ganze Zeit beobachtet. „Glotz woanders hin!", befehle ich ihn, wozu er aber nichts sagt. „Hey Liv, du redest jetzt nur noch mit mir und lässt Phil in Ruhe. Deine Beleidigungen gehen mir so auf die Nerven. Phil hat dir nichts getan, im Gegenteil er sorgt sich so sehr um dich und dir fällt nichts besseres ein, als ihn immer fertig zu machen? Ich bin echt enttäuscht von dir.", hält sie mir die Predigt. Okay, irgendwo hat sie ja schon recht. Er hat mir nichts getan aber es macht es auch nicht besser, dass er ein Mann ist. Noch schlimmer wäre es, wenn er Arzt ist. Warte mal...was ist, wenn er Arzt ist? Würde Mama mir sowas antun? Sie weiß von meiner panischen Angst davor, das würde sie nicht tun. Oder? „Ist er Arzt?", frage ich panisch. „Nein!", antworten beide gleichzeitig. Okay, dann ist ja gut. Vielleicht kann ich ihn dann ja doch akzeptieren. Wäre er Arzt, würde ich ihn glaube ich umbringen.
„Liv?", fragt er mich plötzlich nach einigen Minuten. Ich blicke hoch und merke, dass er ziemlich ängstlich spricht und ängstlich aussieht. Er hat bestimmt Angst, dass ich ihn wieder so fertig mache. Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch und sehe ihn das erste mal richtig in die Augen. Er sieht viel freundlicher aus, als der Arzt damals. „Hast du sowas öfter? Naja solche Flashbacks?", fragt er besorgt, woraufhin ich mit dem Kopf schüttle. Es war ja bisher auch nur zwei mal. „Ich geh dann mal.", sage ich und stehe auf. „Bleib doch bei uns.", schlägt Phil vor, worauf ich sofort mit dem Kopf schüttle. Dann setze ich meinen Weg fort nach oben. Ich will das ganze nicht zu früh beginnen. Erstmal muss ich herausfinden, wie er tickt.

Das Wochenende war echt entspannt. Phil ist Samstag Abend noch gegangen und kam auch nicht wieder. Heute ist Montag, das bedeutet, dass das einwöchige Praktikum beginnt. Freuen tu ich mich eher weniger, da ich dort höchstwahrscheinlich von Ärzten und Männern umgeben sein werde. Ich halte mich einfach an die weiblichen Sanitäterinnen, dann sollte das klappen.
Mit dem Bus fahre ich zur Wache und steige 10 Minuten später wieder aus. Oh Gott, was mache ich hier nur? Etwas zittrig gehe ich ins Gebäude und begutachte skeptisch die Sanitäter, die mir über den Weg laufen. An der Information bleibe ich stehen und erkläre, wer ich bin. Dann soll ich mich hinsetzen und warten. Dies mache ich auch brav und beobachte jeden einzelnen hier. Es laufen hauptsächlich irgendwelche Sanis an mir vorbei, bis ich plötzlich an einer Frau ‚Notärztin' lese. Scheisse, eine Ärztin. Egal ob Mann oder Frau, der Fakt, dass sie Ärztin ist, macht mir Angst. Sofort bemerke ich, das mein Herz schneller schlägt und das Unwohlsein nimmt überhand. Sie redet mit einem Sanitäter an der Information und sieht dann zu mir. Scheisse, was will sie? „Also Liv, das ist unsere Notärztin Paula Martinson. Sie hat gleich Schicht und wird dich mit zu den anderen nehmen.", erklärt der Sanitäter mir, worauf ich nur schüchtern nicke und aufstehe. „So, dann komm mal mit.", sagt sie und lächelt mich an. Echt gruselig. Ich stehe hier neben einer Ärztin, mit einem Abstand von maximal 20 cm. Das ich noch nicht durchgedreht bin, grenzt an ein Wunder. „Also du heißt Liv? Ich bin Paula.", stellt sie sich nochmal vor, worauf ich wieder nur ein Nicken hinbekomme. Wir gehen gemeinsam eine Treppe nach oben und gelangen in einen Aufenthaltsraum voller Sanitäter. Bis jetzt sehe ich keine weitere Person mit der Aufschrift ‚Notarzt' was mein Herz etwas beruhigt. „Hey Paula, wen bringst du denn mit?", fragt eine freundliche Frau, mit dunkelblonden Haaren. „Das ist Liv, unsere Praktikantin. Liv, das ist Jacky, unsere Rettungssanitäterin.", erklärt Paula mir. „Hey.", sage ich freundlich und bekomme einen verwirrten Blick von Paula. „Okay ich merke schon, dass ihr euch besser versteht, als wir beide. Jacky nimmst du sie dann mal mit? Wir wollen ja, das sie sich wohl fühlt.", sagt Paula und geht dann. Jacky nimmt mich mit zu einem Tisch, an dem viele weitere Sanitäter sitzen. Paula hat sich mittlerweile an einem anderen Tisch gesetzt, guckt aber öfters zu mir. Wahrscheinlich, weil sie verwundert ist, dass ich mit ihr kein Wort rede aber mit Jacky schon.

„Oh was ein Mist!", ertönt eine männliche Stimme, was sämtliche Gespräche verstummen lässt. Noch kann ich niemanden sehen, da der Raum sehr voll ist. „Die Menschen kennen auch echt keine Rettungsgasse.", ertönt eine andere männliche Stimme. „Oh Leute, so schlimm?", fragt Paula und steht auf. Sie geht auf die stimmen zu und...warte was? Ich glaube ich sehe nicht richtig. Was macht der denn hier? Und wieso trägt er Klamotten, mit der Aufschrift ‚Notarzt,?
„Wo ist die Toilette?", frage ich Jacky, die dann aufsteht und mich in die andere Richtung führt. Besser so, dann muss ich IHN nicht sehen. „Danke, ich komme gleich wieder.", bedanke ich mich vor der Tür, woraufhin sie wieder geht. Schrecklich, ganz schrecklich. Ich glaube, morgen melde ich mich einfach krank. Während ich in der Kabine stehe, ertönt plötzlich ein Gong und darauf eine Stimme, die irgendwas von einem Verkehrsunfall labert. Etwa fünf Minuten später kommt jemand in die Toilette rein und klopft an meiner Tür. „Liv alles gut?", fragt eine Stimme. Die Stimme von Paula. Mist, warum ist sie hier und nicht Jacky. „Wenn du nicht antwortest, muss ich die Tür aufbrechen.", sagt sie und rüttelt an dem Türgriff. „Ja alles gut.", antworte ich knapp, woraufhin sie erleichtert seufzt. Dann drücke ich die Spülung und komme raus. „Geht's dir gut? Du bist so blass.", stellt sie fest und will ihre Hand an mein Handgelenk legen, welche ich schnell wegziehe und hinter meinen Rücken verstecke. „Ja alles super.", sage ich und lächle. Dann gehe ich an ihr vorbei, direkt zum Waschbecken. „Okay aber wenn etwas ist, kannst du mir oder den anderen gerne Bescheid sagen.", sagt sie freundlich. Ich nicke und husche schnell aus der Tür, direkt in den Aufenthaltsraum. Scheisse nein! Der ist ja immer noch da und sitzt bei Jacky am Tisch. „Ah und Phil, das ist Liv.", sagt sie. Er sieht zu mir und ich denke, wir sehen uns mit dem selben Gesichtsausdruck an. Klar, ich wusste nicht, dass er hier arbeitet und er wusste nicht, dass ich hier mein Praktikum habe. „Oh hey Liv.", begrüßt er mich und kommt auf mich zu. „Bleib da wo du bist.", sage ich bestimmt. Er bleibt stehen und alle gucken uns verdutzt an. „Ihr kennt euch?", fragt Paula verwirrt und erhält ein Nicken von Phil. „Das ist die Tochter von meiner Freundin.", klärt er die anderen auf. „Mama ist nicht deine Freundin. Du bist schneller weg aus unserer Familie, als du bis drei zählen kannst.", schreie ich ihn an. Okay ich hasse diesen Typen jetzt noch mehr. Er ist Arzt und will mit meiner Mutter zusammen sein. Er hat ein paar Tage mit uns verbracht. Ein männlicher Arzt war bei uns im Haus und ich habe mit ihm geredet und gedacht, wir könnten uns verstehen. Augenblicklich wird mir schlecht und ich halte die Hand vor dem Mund. „Musst du dich übergeben?", fragt Paula hinter mir. Ohne zu fragen, kommt Phil zu uns und hält mir die Haare nach hinten, sowie eine Schale unter den Mund. Sofort übergebe ich mich. Mein Herz fährt schon wieder Achterbahn, ganz schrecklich dieses Gefühl. Nachdem ich fertig erbrochen habe, lenkt er mich auf einen der Stühle und setzt mich dort ab. Er kniet sich vor mich und betrachtet mich besorgt. Ich bin zu schwach, um irgendwas zu erwidern und lasse sogar zu, dass er mein Handgelenk nimmt, um meinen Puls zu messen. „Leichte Tachykardie. Paula, bringst du mir mal das Pulsoxy.", bittet er Paula, die kurze Zeit später mit einem kleinen Gerät wiederkommt, welches er mir an den Zeigefinger macht. „Ist es wieder dein Herz?", fragt er, was ich durch ein Nicken beantworte. Die ganzen anderen Sanitäter stehen immer noch genauso da, wie vorher, bis ein erneuter Gong kommt und viele gehen, ebenso Jacky und Paula. Super, jetzt bin ich mit Phil und ein paar unbekannten Sanitätern alleine. „Deine Sauerstoffsättigung ist in Ordnung. Wie fühlst du dich?", fragt er besorgt und entfernt das Gerät von meinem Finger. „Ekelig.", brumme ich. „Inwiefern?", fragt er verwirrt. „Ekelig, weil ich gekotzt habe und angewidert von dir.", antworte ich und verschränke die Arme.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt