Kapitel 25 - Fragen über Fragen

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Auf Rosetas Spind stand, für alle gut und deutlich lesbar, dass sie eine Lesbe war. Rose musste denken, dass ich das gewesen bin, dabei war das völliger Schwachsinn. Niemals würde ich ihr das antun. Soweit ich jedoch wusste, war ich die Einzige, der Rose davon erzählt hatte.
"Scheiße.", fluchte ich, als ich mit meinem Ärmel über den Schriftzug wischte, sich aber nichts tat. Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte das nicht einfach hier stehen lassen. Hier wo es alle lesen konnten. Die Schulklingel läutete und die Schüler, die mich interessiert beobachtet hatten, wurden weniger. Sie gingen wahrscheinlich in ihre Klassen, während ich daran jedoch gar nicht dachte.
Ich ließ mich einfach auf den Boden nieder und setzte mich im Schneidersitz hin.

Keine Ahnung wie lang ich dort saß, auf jeden Fall schon eine Weile, als Blake vorbei kam. Verwundert starrte er mich und ich ihn an.
"Brooke? Was ist nur los?" Er kam auf mich zu und kniete sich schließlich vor mich. Ich schniefte kurz, bevor ich den Kopf schüttelte. Ich starrte auf den Boden und traute mich nicht hochzuschauen. So bekam ich nur aus dem Augenwinkel mit, wie Blake sich neben mich setzte. Eine Weile tat niemand etwas, bis er mich auf seinen Schoß zog.
"Ich habe einfach das Gefühl, dass alles langsam den Bach runtergeht. Erst fühlte es sich gut an, Lucy die Meinung zu sagen, aber jetzt..."
"Sie hat mir davon erzählt." Ich blickte in seine Augen. Er sprach weiter:"Starke Leistung.", kurz schmunzelte er,"aber auch ziemlich dumm." Verwundert schaute ich zu ihm hoch.
"Du müsstest Lucy doch mittlerweile kennen. Das wird sie sich nicht gefallen lassen. Wenn sie dann auch noch von dir und Dylan erfährt..." Ich zuckte erschrocken zusammen.
"Woher weißt du das von uns?" Ich malte bei dem Wort uns Anführungszeichen in die Luft.
"Er hat mich um Rat gefragt. Beim Basketballtraining. Seit dem du mich abgelehnt hast, ist mir klar gewesen, dass da ein anderer Typ sein muss. Ich meine, sieh mich an." Ich schaute zu ihm hoch und sah sein Grinsen, welches er immer aufsetzte, wenn er flirtete und musste ebenfalls Lächeln.
"Was hast du ihm gesagt?", fragte ich ernsthaft interessiert. Er zuckte mit den Schultern.
"Dass ein tolles Mädchen, wie du, es verdient hat, dass um sie gekämpft wird." Kurz lächelte ich.
"Eins versteh ich jedoch nicht. Wieso fragt er dich um Rat, wenn er doch dachte, dass du und ich zusammen sind?" Am liebsten hätte ich mich für diese Frage selbst geschlagen.
"Weil ich es ihm gesagt habe und er schnell erkannt hat, dass du ihn nur eifersüchtig machen wolltest.", grinste Blake frech. Ich wurde rot und versteckte mich etwas hinter meinen offenen Haaren. Das war aber auch peinlich...
"Brooke. So schlecht ist Lucy nicht... Sicherlich hat sie Fehler, aber die hat jeder Mensch. Vielleicht denkst du nochmal drüber nach und versöhnst dich wieder mit ihr?" Blake klang so, als würde er es Ernst meinen. Seinetwegen nickte ich, dachte aber nicht mal im Traum daran. Das Thema Lucy war für mich abgeschlossen.

Blake und ich saßen noch eine Weile auf dem Boden beziehungsweise ich auf seinen Beinen, bevor wir uns, rechtzeitig zur 3. Stunde, erhoben. Ich holte schnell einen schwarzen Edding aus meiner Tasche und malte über die Schrift auf Rose' Spind, bis man die Wörter immerhin nicht mehr lesen konnte. Dann folgte ich Blake.
Wir liefen zusammen in den Innenhof der Schule, wo Lucy und Co, wie sonst auch immer, in der gleichen Ecke standen. Blake sah mich an.
"Komm mit.", murmelte er und bewegte seinen Kopf in die Richtung, wo auch Rose stand. Als ich sah, dass sie bei Lucy war, schmerzte mein Herz kurz. Es fühlte sich irgendwie wie ein Verrat an und das, obwohl ich nicht mal etwas gemacht hatte.
"Ich geh da nicht hin.", panisch wedelte ich mit den Händen,"aber du kannst ruhig zu ihnen gehen. Es sind schließlich auch deine Freunde. Nicht nur ich..." Kurz stoppte ich und beobachtet Blake genau. "Wir sind doch noch Freunde, oder?"
"Klar sind wir das.", murmelte er, drückte mir einen Kuss auf den Haaransatz und verschwand.
Ich beobachte meine alte Gruppe noch eine Weile, bevor ich mich von dem Anblick losriss und zu einer Bank in der Sonne ging.

"Ist hier noch Platz?" Ich zuckte, wie so oft schon, zusammen und öffnet die Augen, die ich wegen der Sonne geschlossen hatte und um alles andere um mich herum auszublenden. Als ich in Rayns Gesicht schaute, nickte ich verwundert.
Eine Weile sagte niemand etwas, bis Rayn anfing zu sprechen.
"Dass das mit Rose nicht geklappt hat, weißt du sicher schon." Ich nickte bloß.
"Stimmt es. Was auf ihrem Schrank steht, mein ich." Ich blickte nervös zu ihm. "Das solltest du besser mit ihr klären. Ich darf mich nicht noch weiter in eure Beziehung einmischen."
Rayn nickte verständnisvoll, was mich wirklich erleichterte.
"Übrigens coole Aktion von dir wegen Lucy. Ich habe sie noch nie gemocht, habe mich immer eher von ihr fern gehalten.", murmelte er nachdenklich. Jetzt, wo ich drüber nachdachte, fiel es mir auch auf. Er war selten an einem unser Treffen beteiligt, vor allem, wenn Rose auch nicht dabei war.
"Na ja. Ich muss jetzt los." Er stand auf und verschwand. Innerhalb kurzer Zeit war ich wieder allein.

Es klingelte und ich machte mich wieder auf den Weg zu meinem nächsten Unterricht. Die anderen Schüler schauten zu mir. Man könnte denken, man gewöhnt sich daran, aber das ging nicht. Ich schätze sie waren hin und her gerissen, zwischen dem, was sie glauben sollten und was nicht. Das Gerücht ich hätte die Nachricht auf Rosetas Spind geschrieben, hatte sich sicher schon verbreitet und ließ mich als eine Verräterin und schlecht Freundin da stehen. Andererseits sahen sie mich, wie ich mich gegen Lucy gewährt habe. Für mich war das eigentlich kein gutes Argument, für meine Mitschüler aber anscheinend schon. Sofort dachte ich daran, was Rose vor ein paar Tagen meinte. Ich sei die nächste Katniss... Haha, bestimmt. Ich stöhnte. Warum war das alles nur so kompliziert?

Nach dem Unterricht beeilte ich mich, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und achtete so nicht darauf, wo ich hinlief. Beziehungsweise gegen wen.
"Kannst du nicht aufpassen?", schrie mich eine mir wohlbekannte Stimme an. Ich schaute hoch, während ich mir den Kopf rieb. Warum musste ich von allen Schülern, die auf diese Schule gingen unbedingt gegen Lucy rennen?
"Ach du bist es. Schön dich zu sehen." Sie hatte ein liebliches Lächeln aufgesetzt. Ich runzelte die Stirn. Wieso war sie so nett? Das passte nicht zur Eiskönigen. Lucy schaute sich um und wartete eine Weile, bis nicht mehr viele Schüler auf dem Gang waren, bevor sie weiter sprach.
"Du wirst es bereuen.", murmelte sie plötzlich ohne Vorwarnung und schubste mich gegen einen der Spinde. Mittlerweile waren nur noch wir auf dem Flur. Andere waren schon Zuhause oder in ihrem nächsten Unterricht. Panisch sah ich sie an.
"Du glaubst, dass mit Rose' Spind war schon alles?", sie lachte gespielt auf,"Das war erst der Anfang. Ich werde solange weitermachen, bis dir niemand mehr bleibt und ich werde allen dein Geheimnis verraten. Ich weiß, dass du keine reiche, kleine Göre bist und uns allen etwas vorgemacht hast. Was glaubst du, wie die anderen reagieren würden? Dann wäre wohl nicht mehr ich die Böse. Und ich schwöre dir, wenn du dich nicht von Dylan fern hältst, dann weiß es bald die ganze Schule." Damit drehte sie sich um, warf ihr Haar hinter die Schulter und verschwand. Mich ließ sie völlig schockiert stehen.

Auf dem Weg zu unserem Haus, ich nahm extra nicht den Bus, dachte ich über meine Neuerfahrungen nach. Lucy wusste von mir und Dylan. Falls es überhaupt ein ich und Dylan gab... Woher wusste sie es und wie lange schon? Außerdem ist sie Schuld daran, dass Rose sich wochenlang nicht auf die Straße trauen wird. Wieso ist mir der Gedanke nicht schon vorher gekommen, dass Lucy hinter all dem steckt? Ich mein, es war eigentlich offensichtlich. Die Frage war nur, woher wusste sie von Rosetas Sexualität? So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Wann hatte mein Leben begonnen, so kompliziert zu werden?
Ich war nur froh, dass heute schon Freitag war und ich alle für zwei Tage nicht sehen musste.

Ha, von wegen. Knapp zwei Stunden später klingelte es an der Tür. Als ich diese öffnete, stand Dylan vor mir.
"Hey. Kann ich rein kommen?" Verdutzt nickte ich. Was wollte er hier? Dylan streifte seine Schuhe und Jacke ab und legte sie bei Seite. Dann folgte er mir ins Wohnzimmer. Wir setzten uns und sahen uns eine Weile nur stumm an. Irgendwann wurde mir die Stille zu unangenehm.
"Wieso bist du hier Dylan?" Er holte tief Luft, bevor er sprach.

Sometimes love is not enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt