Fifty-Nine

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Angeline

Ich stand unter Zeitdruck. Nicht, dass ich die letzten Tage mich nicht auch schon darum bemüht hatte, aus der ganzen momentanen Situation etwas dramatisches zu machen, aber besonders heute war es wichtig noch einmal mich von meiner besten Seite zu zeigen. Es war der letzte Tag meiner Probewoche. Ich habe keine Ahnung, wie die Zeit so schnell an mir vorbeirasen konnte. Gerade führte ich mit William noch das Gespräch und willigte ein, für fünf Tage in der Vega Group zu arbeiten, und schon war ich am Ende dieser Übereinkunft angekommen.

Ich konnte nicht sagen, wie ich mich bis jetzt geschlagen hatte. Klar, ich brachte durch meinen vorherigen Job bei Thorne Industries bereits eine Menge Knowhow mit, aber das bedeutete nicht, dass sich die Arbeitsstellen in diesen Firmen glichen. Ganz im Gegenteil, in der Vega Group herrschte eine vollkommen andere Arbeitsstruktur, wie ich es von Thorne Industries gewohnt war. Anstatt sich in seinem ziemlich tristen Büro einzusperren, um seine Aufgaben vollkommen allein und einsam anzugehen, setzt Williams Firma auf Team-Arbeit und Kooperation.

Die Leute sind vollkommen offen und hilfsbereit, was ein krasses Gegenteil zu meinem letzten Arbeitsumfeld ist. In den vier Tagen, die ich bereits dort arbeite, habe ich mehr freundliche Kolleginnen und Kollegen jeglicher Art angetroffen, als in meiner gesamten Arbeitszeit bei Thorne Industries. Anstatt mich als eine Außenseiterin zu behandeln, weil ich neu in der Firma bin, integrierten mich die Leute in ihre bereits bestehende und ziemlich stabile Kollegschaft. Sie empfingen mich jeden Tag aufs Neue herzlich und aufgeschlossen. Das Arbeiten hatte mir folglich auch mehr Spaß und Freude bereitet, als dass ich es für möglich gehalten habe.

Ich war schon lange unzufrieden mit der Arbeitsatmosphäre bei Thorne Industries. Doch weil ich es als normal angesehen habe, blieb ich still, schluckte jeden Kommentar mühsam hinunter und versuchte die Probleme zu ignorieren. Jetzt fiel mir allerdings auf, wie unfassbar schlecht mich die Firma doch behandelt hatte. Sie hatte mich in meinen Leistungen ausgebeutet, gleichzeitig erreichte ich nie den von mir gewünschten Respekt. Ich war immer nur Angeline Thorne, die Tochter von Gregor Thorne, die ihre hohe Position nur erreichen konnte, weil ihr Nachname auf dem Firmenlogo stand. Sie waren mir gegenüber voreingenommen und gaben mir noch nicht einmal die Chance, ihre Denkweisen bezüglich mir und meinen Handlungen zu ändern.

In Williams Firma hingegen war das anders. Hier bekam ich die Chance, mich mit Leuten in Hinblick auf meine Leistungen zu messen, ganz unabhängig welches Geschlecht ich besaß oder welchen Nachname ich trug. Sie alle wussten natürlich, wer ich war, denn auch diese Leute besaßen so etwas wie ein Smartphone, doch sie schienen alles andere als parteiisch zu sein. Sie behandelten mich mit Anerkennung, was mir ein gutes Gefühl gab.

Vielleicht war die Woche deswegen so schnell vergangen. Als ich bei Thorne Industries angefangen habe, sprühte ich nur so vor Tatendrang. Mit der Zeit verging diese Lust allerdings, denn das Arbeitsumfeld erlaubte keinerlei Änderungen, was angesichts des stetigen Wandels unserer Gesellschaft ziemlich konservativ ist. Die fünf Tage, die ich jetzt bei der Vega Group war, ließen allerdings all die Freude in mir hochsprudeln, die jeder einzelne Mitarbeiter bei Thorne Industries versucht hatte, zu unterdrücken. Meine Aufgaben erledigte ich schneller, meine Pflichten gewissenhafter und meine Termine pünktlicher.

Es war, als hätte mir die recht kurze Arbeitszeit die Augen geöffnet. Nur würde der Traum, weiterhin an der Seite von William Vega höchst persönlich zu arbeiten, wie eine Seifenblase zerplatzt, wenn ich nicht endlich diesen verdammten Reißverschluss an meinem Kleid zu bekommen würde. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich mich bereits quälte, doch es glich einer Ewigkeit.

Der größte Teil meiner Anziehsachen befand sich noch immer bei Nolan. Hier in meiner Wohnung gab es lediglich die Kleidungsstücke, die mir entweder nicht mehr passten oder sie meinem aktuellen Kleidungsstil ähnelten. Das Kleid, das ich heute trug, gehörte zur ersten Option: Es war mir zu eng, doch für meinen letzten Tag in der Vega Group würde ich mich hineinzwängen. Auch wenn das hieß, dass ich mir meine Nägel brechen würde, damit dieser blöde Verschluss sich endlich ein paar Zentimeter nach oben bewegte.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt