Linus beobachtete Ina, wie sie an dem Sekretär saß und verzweifelt mit Geschenkpapier kämpfte. Er trat hinter sie. „Kann ich dir helfen?" Leicht genervt schaute sie zu ihm auf und pustete eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ja bitte! Dieses dämliche Papier rutscht immer wieder weg und ich möchte doch, dass es ordentlich eingepackt ist. Was soll denn Genia sonst von mir denken?" ‚Vielleicht, dass du noch nie ein Geschenk selbsteingepackt hast und dass dieses diesmal aber von Herzen kommt', lag es Linus auf der Zunge. Obwohl so konnte man das nicht sagen. Diesmal traf es wirklich nicht. Ina war kein Mensch, der sich nicht Gedanken darüber machte, was sie jemandem schenkte. Nein, so war sie wirklich nicht, aber bis jetzt hatte sie sich halt noch nie die Zeit dafür genommen die Geschenke selbst einzupacken. Das zeigte aber auch, welchen Stellenwert Genia in der kurzen Zeit bereits für sie eingenommen hatte. Er musste lächeln. Ja, wenn man daran dachte, wie sie früher auf sie reagiert hatte, war es in das komplette Gegenteil umgeschlagen. Vielleicht sollte er mal eine Strichliste machen, wie oft der Name an einem Tag fiel. „Zeig mal her!" Linus griff nach dem Fotobuch und dem Geschenkpapier. „Meinst du, Genia freut sich darüber?" Trotz allem stand Ina immer noch etwas Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. „Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche." Die Mutter, die sich über so etwas nicht freute, musste wohl erst noch geboren werden. Linus dachte an seine Mutter, die auch keine Gelegenheit ausließ alte Fotoalben heraus zu kramen. Warum sollte Genia also eine Ausnahme bilden. Besonders, wenn man bedachte, dass sie sie nicht einmal kannte. Linus befürchtete eher, dass das Geschenk dazu führte, dass seine und Lucas Füße hinterher von Tränen umspült waren. Mit geschickten Fingern schlug er das Papier um das Buch, so wie ihm das seine Mutter und seine Schwestern damals beigebrachte hatten. „Jetzt musst du hier nur noch einen Klebestreifen hin setzen", gab er Ina den Auftrag, der auch sofort ausgeführt wurde. „So, das wäre geschafft!" Ina sprang von ihrem Stuhl auf und lief zu ihrer Tasche, die bereits auf dem Sofa lag. „Können wir jetzt endlich los! Wir kommen sonst noch zu spät." Die nächste Preetz Schwester bog mit aufgeregtem Stimmfall um die Ecke. „Ja, wir sollten uns langsam beeilen, wenn wir pünktlich sein wollen. Bestimmt ist wieder Stau auf der Autobahn", schlug Ina in die gleiche Kerbe und schaute ihn erwartungsvoll an. Die beiden taten ja gerade so, als wäre er hier die Trödelliese vom Dienst. „Keine Angst, wir sind garantiert pünktlich. Heute ist Sonntag und wir haben Oktober. Da sitzen die meisten Leute zu Hause vor dem Fernseher. Es gibt garantiert keinen Stau", beruhigte er die beiden noch schnell und schnappte sich die Autoschlüssel von der Kommode im Eingangsbereich.
„Von wegen kein Stau!" Ina schaute Linus vorwurfsvoll an. Woher hätte er denn wissen sollen, dass ganz Nordrhein Westfalen scheinbar auf die Idee kam, den goldenen Oktober zu genießen? „Wir kommen voll zu spät! Das ist überhaupt nicht cool", kam es nicht weniger vorwurfsvoll vom Rücksitz. Linus fragte sich, wo jetzt genau seine Schuld dabei lag. Er hatte nicht getrödelt. Aber andererseits war er es als Bruder zweier Schwestern gewohnt, dass das nicht wirklich relevant war. Als männliches Familienmitglied war man immer Schuld, egal, um was es ging....Seine Gedanken wurden von einem eingehenden Anruf auf seinem Handy unterbrochen. Das war seine Mutter, die ihn anrief. „Hallo meen Jung, du hast immer noch nicht Bescheid gegeben, wann ihr zur Taufe anreist", schoss seine Mutter gleich los. „Welche Taufe?" Er wusste von keiner Taufe. „Na die von Leas Lütten. Jetzt sag bloß, du hast sie verdüdelt." „Wir haben ja noch nicht einmal eine Einladung bekommen", rechtfertigte er sich sofort. „Wann soll denn die Taufe sein?" „Ich habe dir doch schon letztens gesagt, dass der Lütte getauft wird als wir bei euch unten waren. Wozu braucht ihr da eine Einladung?" Na vielleicht für das Datum. Diesen Einwurf ersparte er sich aber, denn die Stimme seiner Mutter klang schon vorwurfsvoll genug und bestätigte seine Theorie, als Mann war es egal, ob du wirklich Schuld warst oder nicht. Alleine auf Grund des Geschlechts war man schon immer Schuld. „Also kommt ihr übernächsten Freitag oder erst am Samstag?" Sein Blick wanderte zu Ina, die alles über die Freisprecheinrichtung mitgehört hatte. Wahrscheinlich würde sie erst am Samstag anreisen wollen. „Astrid, wäre es auch okay, wenn wir schon am Donnerstag kämen und bis Dienstag bleiben würden?" Linus schaute Ina überrascht an. Okay, damit hatte er nicht gerechnet. „Macht das Kinners. Ich bereite alles vor. Tschüüüüss." Damit war das Gespräch auch schon beendet. „Voll cool, wir fahren nach Hamburg", jubelte es vom Rücksitz.„Du willst Donnerstag schon fahren?" Die Frage überraschte Ina. Linus wollte doch bestimmt auch mal wieder Zeit mit seiner Familie verbringen. Und außerdem freute sie sich auch darauf endlich einmal seine Schwestern kennenzulernen, jetzt wo sie seine Eltern schon besser kannte und ehrlich gesagt auch ziemlich mochte. Vielleicht konnte sein Vater ihr ja auch wieder ein paar Tipps geben, denn in der Firma hatten sich schon so einige Problemfälle in der Zeit angesammelt, in der sie sich zurückgezogen hatte. „Ja, warum nicht? Schischi hat doch Herbstferien. Und uns wird eine kleine Auszeit auch nicht wirklich schaden." Linus zog seine Augenbrauen hoch und starrte sie an. „Wer sind Sie? Und wo haben Sie meine Freundin gelassen?" Ina musste lachen und boxte ihn leicht gegen den Arm. „Ich dachte, du zeigst uns mal deine alte Heimat." „Au ja, wir müssen unbedingt in dieses Eisenbahnding, das wir letztens im Fernsehen gesehen haben." Natascha hampelte so aufgeregt auf der Rückbank herum, dass das ganze Auto wackelte. Linus musste schmunzeln, wahrscheinlich dachte der Fahrer, der hinter ihnen im Stau stand, nicht dass der Grund ein aufgeregter Teenie war, sondern dass sie die Zeit, die sie hier standen anders überbrückten. „Du meinst das Wunderland?" „Jaa!" Wieder begann das Auto zu schaukeln. „Vielleicht bekommen wir ja auch ein paar Musicalkarten." Ja, die beiden Schwestern, schienen begeistert zu sein. Aber war Linus das auch? Natürlich liebte er seine Familie und freute sich sie zu sehen. Aber andererseits hatte es auch einen Grund gehabt, warum er Hamburg verlassen und so weit es ging gemieden hatte. Er war sich noch nicht sicher, ob das so eine gute Idee für ihn war, fünf Tage in Hamburg zu verbringen. Ein ungeduldiges Hupen hinter ihm riss ihn aus seinen Gedanken. Ups, der Stau vor ihm hatte sich spontan aufgelöst.
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomanceLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...