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„Ja gut, dann fangen wir jetzt mal an.", sagt diese Tabea motiviert und rollt auf ihren Hocker ran. Ich Presse die Kiefer zusammen, da ich am liebsten hier weg will und genau weiß, dass sie mich nicht gehen lassen werden. „Ich werde jetzt einmal einen Bodycheck durchführen, dass heißt, ich werde deinen ganzen Körper nach Verletzungen untersuchen okay?", fragt sie und macht sich bereit. Ich schüttle mit dem Kopf und sehe zu Phil, der weder was sagt, noch irgendwas anderes macht. „Ähm okay. Kannst du mir dann sagen, wo du schmerzen hast?", fragt sie dann. Ich überlege und zeige auf meinen Bauch. „Nur da?", fragt sie und fixiert die Stelle. Ich nicke vorsichtig und beobachte genau, was sie macht. Als ihre Hände meinen Bauch gefährlich nah kommen, kommen mir die Tränen. „Tabea hör auf.", sagt Phil und kommt rüber. Er hat anscheinend meine Tränen bemerkt. „Tabea möchte sich nur die Wunde angucken okay? Das geht ganz schnell.", erklärt er und sieht mich eindringlich an. „Wo wolltet ihr eigentlich hin? Also du und Mama.", fragt er. Ich muss kurz überlegen, was er meint, doch dann fällt es mir wieder ein. „Wir wollten ins Kino. Als wir dann angefangen haben, zu diskutieren, hat es plötzlich geknallt und Aua.", erkläre ich ihm, bis mein Bauch auf einmal weh tut. Und was ich da sehe, hält mir den Atem. Die Ärztin hat ihre Hände unbemerkt auf meinen Bauch gelegt und ich habe das indirekt zugelassen. „Man Phil. Was soll der scheiss? Das war nur eine Masche von dir.", sage ich genervt. „Hey ganz ruhig. So schlimm war es doch gar nicht oder?", antwortet er, doch ich sage dazu nichts. Ich habe mich heute schon genug gedemütigt. „Na schön. Es gibt jetzt vier Dinge, die noch passieren müssen Liv.", beginnt die Ärztin. „Aha und was?", frage ich genervt. Ich habe absolut keine Lust mehr, hier zu sein. „Als erstes muss dir ein Zugang gelegt werden. Dann müssen wir dich ins MRT schicken und danach muss die Scherbe entfernt werden. Zum Schluss musst du nur noch auf die Kinderstation verlegt werden.", erklärt sie mir, doch ich war schon bei dem Wort ‚Zugang' raus. „Ich will das alles aber nicht.", sage ich und muss wieder mit den Tränen kämpfen. „Ich will nur zu Mama.", füge ich traurig hinzu. Dann geht das mit dem weinen erst richtig los. Ich schließe die Augen, um alles mögliche auszublenden, doch plötzlich ist um mich herum eine Wärme, die mich total auffängt und behutsam pflegt. Verwundert darüber, öffne ich die Augen und sehe, dass ich bei Phil in den Armen hänge. Was zur Hölle ist hier gerade mit mir passiert? Dreht mein Körper jetzt völlig durch? Schnell drücke ich ihn von mir weg und versuche, so normal wie möglich zu wirken. Habe ich gerade so etwas wie vertrauen bei ihn gespürt? Bei ihm? Einen Mann und Arzt? Das sind drei Wörter, die nicht zusammen passen. Allein an den Gedanke, dass ich gerade einen Arzt umarmt habe, wird mir übel und ich halte mir die Hand vor dem Mund. „Scheisse sie muss sich übergeben.", sagt Phil und greift nach einer Schale, in der ich den ganzen Ekel auskotze. „Liegt das an deinem Herzen?", fragt er verwirrt, als ich fertig bin. „Nein, es war mir alles zu viel.", gebe ich ehrlich zu, woraufhin er nickt.
Nach ein paar Minuten stille, meldet sich Tabea wieder zu Wort. „So Liv. Ich weiß, dass du es nicht möchtest aber wir müssen dich jetzt behandeln. Zur Not entscheidet das Jugendamt darüber und ich denke mal, dass willst du noch weniger.", sagt sie. Scheisse, was mach ich denn jetzt? Abhauen ist keine Option, da ich an Phil vorbeirennen müsste, der sicherlich stärker und schneller ist. Mich weigern ist auch keine Option, da sie dann das Jugendamt rufen werden und mich gegen meinen Willen behandeln. Dann bleibt nur noch eine Option übrig. Nämlich sich freiwillig behandeln lassen. So ein Mist. Hätte Mama Phil nie kennengelernt, wäre das alles nicht passiert. „Und?", fragt Phil, da ihn mein Gedankengang wohl zu lange dauert. „Ok.", antworte ich ganz leise, in der Hoffnung, dass das niemand hört, doch natürlich hören sie es und machen sich bereit. Allein, dass die Ärztin sich ihre Gummi Handschuhe überzieht und zu mir gerollt kommt, macht mir wieder Angst. „Okay dann brauche ich einmal deinen Arm.", sagt sie. Ich rühre mich nicht, da ich es aus Angst nicht kann. Ich bin wie erstarrt. „Liv?", fragt Phil, der meine Angst wohl wieder bemerkt. „Ich will diese Nadel nicht.", wimmere ich bitter. „Oh süße, das geht ganz schnell. In 30 Sekunden wären wir fertig.", sagt sie und streicht meine Hand. Ohne zu Zucken, lasse ich das sogar zu. Meine Gedanken gehen trotzdem immer wieder zu dem Arzt in Spanien, der mir immer wieder gegen meinen Willen spritzen verabreicht hat, die höllisch wehtaten. Als wieso soll es hier anders sein? „Soll ich das sonst machen?", unterbricht mich Phil. Einerseits will ich es überhaupt nicht, doch andererseits ist er der einzige, den ich hier kenne und weiß, dass meine Mutter ihn vertraut. Soll ich meiner Mutter vertrauen und ihn machen lassen? Ich nicke. Er tauscht daraufhin den Platz mit Tabea und zieht sich Handschuhe über. Oh Gott, lasse ich mir gerade wirklich freiwillig eine Spritze von einem männlichen Arzt geben? Das kann einfach nicht wahr sein. Ganz vorsichtig holt er meinen Arm aus meiner Jacke und rollt meinen Pullover hoch. „Es ist alles gut Liv.", beruhigt er mich, was auch gut funktioniert. Jede Sekunde, in der er mich berührt, habe ich Angst, dass es mir wehtun wird. „Kleine, sieh mich mal an.", sagt er, als er meine Anspannung bemerkt. Ich drehe meinen Kopf zu ihn und schaue ihn an. „Ich sag dir Bescheid, wenn ich anfange.", erklärt er mir und streicht mit seinen Fingern über meinen Unterarm. Er macht das wahrscheinlich, um zu zeigen, dass er vorsichtig ist. Dies wiederholt er einige Male, bis ich etwas entspannter werde. Dann sprüht er Desinfektionsmittel auf die Stelle und wischt es mit einem Tuch sauber. „So. Jetzt kommt die Nadel okay.", sagt er. Ich sehe ihn an und dann die Nadel. Die ist kleiner als die, von dem spanischen Arzt. Phil ist auch ganz anders als er. Phil macht es sanft und wartet, bis ich bereit und entspannt bin. Der spanische Arzt hat es grob gemacht und dann, wann er wollte. Sie unterscheiden sich doch mehr, als ich dachte. „Okay.", flüstere ich und sehe zu, wie er die Nadel vorsichtig durch meine Haut schiebt. Dann klebt er ein Pflaster darüber und lächelt mich an. „Das war's.", sagt er lächelnd und schmeißt den Müll weg. Es hat überhaupt nicht wehgetan und er war die ganze Zeit über so lieb zu mir. So langsam holen mich doch die Schuldgefühle ein und ich frage mich, wieso ich so blöd zu ihn war. „Danke.", Hauche ich erleichtert. Dann wird eine Flüssigkeit an den Zugang gehängt und ich werde zum MRT gefahren.

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Was zeigt uns dieses Kapitel? Never judge a book by it's cover.

Liv hat endlich erkannt, dass Phil gar nicht böse ist, sondern eigentlich super nett. Was denkt ihr, wie es weiter geht?

Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt