Kapitel 9

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Ich sehe auf die Uhr, als ich die Umkleidekabine betrete. Oh, ich bin zu früh. Das ist selten. Anscheinend hatte ich heute gut Schwung den Berg hinunter zur Schule. Ich stelle meine Tasche auf die Bank. Es sind schon zwei weitere Taschen dort. Wer ist denn noch zu früh? Bevor ich darüber nachdenken kann, knarrt das Parkett hinter mir und ich wende den Kopf zur Seite. Daichi und Suga betreten den Raum und grüßen mich. Ich lache und grüße zurück. Heute sind wir wohl alle früh dran. Gerade als ich diesen Gedanken beende, kommt Kageyama durch die Tür. „Hey.", sage ich beschwingt und grinse ihn an. Er kommt zu mir rüber, stellt seine Tasche neben meine.

„Hey, Hinata." Er sieht sich um. „Wer ist denn auch schon da?" Er deutet auf die herrenlosen Taschen.

„Keine Ahnung." Ich lege den Kopf zur Seite. „Ich habe sie noch nicht gesehen." Er nickt überrascht.

Wir ziehen uns um und gehen schon mal in die Halle. Je eher wir aufbauen, umso schneller können wir loslegen mit dem Training. Daichi und Suga beginnen das Netz aufzustellen, da kommen Tsukkishima und Yamaguchi in den Raum. Ich grinse. Es gefällt mir, dass heute wohl alle motiviert sind. Tsukkishima holt die Bälle aus dem Geräteraum und Yamaguchi beginnt damit die Stühle an der Seite aufzubauen. „Was ist denn das?" Ich wende den Kopf und sehe wie Daichi in den Ballcontainer blickt. „Das sind aber nicht alle..."

„Sind welche raus gefallen?", fragt Yamaguchi und neigt sich ebenfalls über die Bälle.

„Hinata, Kageyama..." Wir drehen uns zeitgleich zu Daichi um. „Geht bitte in den Geräteraum und sucht die fehlenden Bälle. Die sind bestimmt wieder mit dem Mattenwagen dagegen gestoßen und haben die überall verteilt.", grummelt Daichi und Suga legt beschwichtigend die Hand auf seine Schulter.

„Okay!", rufe ich und gehe mit Kageyama in den Geräteraum. Er drückt auf den Lichtschalter, doch nichts passiert. Ich zucke mit den Schultern und klettere zwischen den Stangen in die Dunkelheit. Es dauert nicht lange, da entdecke ich die fehlenden Bälle an der Rückwand der Tischtennisplatte, großflächig verteilt. Ich drehe mich um, um Kageyama Bescheid zu geben und erschrecke mich. Er steht direkt hinter mir, sieht aber in eine andere Richtung. „Ka-...", setze ich an, da drückt er seine Hand über meinen Mund. Ich sehe ihn irritiert an, doch er starrt weiter nach links in die Dunkelheit. „Wa-...?", dringt meine Stimme durch seine Hand, da drückt er fester zu. Ich schließe den Mund als er den Finger über seine Lippen legt. Ich soll still sein? Er lässt mich los und klettert tiefer in die Richtung, die seinen Blick gefangen hält. Was hat er denn? Ich ducke mich und klettere ihm hinterher, bedacht darauf leise zu sein. Plötzlich stoße ich gegen ihn. Warum hat der angehalten, geht es nicht weiter? Er greift nach hinten und manövriert mich neben sich ohne hinzusehen. Fragend sehe ich zu ihm hoch, doch er beachtet mich nicht. Was ist denn da? Ich drehe den Kopf und folge seinem Blick. Zwischen den Turngeräten lassen kleine Spalten den Blick in den Nachbarraum zu. Das ist der Geräteraum der Turnmannschaft, glaube ich. Auch dort ist es dunkel. Nur das Licht der Hallenbeleuchtung fällt durch die schmalen Schlitze direkt unter der Decke. Ich warte einen Moment, dann höre ich jemanden durch den Mund atmen. Erschrocken sehe ich zu Kageyama hoch, doch sein Mund ist geschlossen. Hier ist noch jemand? Ich wende den Kopf in seine Blickrichtung, ducke mich tiefer, um durch einen Spalt zu sehen. Ich entdecke Beine, da trägt jemand eine Jeans. Das Geräusch von Stoff der an Stoff reibt erklingt. Ich beuge mich vor. Da ist noch jemand. Die Jeans steht uns abgewandt, direkt davor erscheint ein Knie. Jemand keucht auf. Was ist da los? Ich kneife die Augen zusammen. Die andere Person trägt ein Trainingstrikot. Unser Trikot! Das ist einer von uns! Ich sehe zu Kageyama auf, der seine Finger um ein Reck geschlungen hat, um sich weiter vorbeugen zu können. Ein schweres Atmen dringt an mein Ohr und ich wende mich wieder den Unbekannten zu. Unser Teamkamerad streckt seine Hand aus und legt sie der Jeans auf den Hintern. Was...? Er greift zu, ein Stöhnen ertönt und ich werde rot. Wir sollten nicht hier sein! Wir sollten ganz sicher nicht hier sein! Ich drehe mich zu Kageyama und ziehe an seinem Shirt. Er drückt meine Hand weg, fokussiert weiter die anderen beiden. Hey! Ich ziehe fester. Er winkt ab. Was soll denn das? Das hätte ich nicht von ihm erwartet. Er ist ja pervers! Man guckt anderen nicht bei sowas zu! Das gehört sich nicht! Ich stehe auf und ziehe an seinem Arm. Jetzt endlich sieht er mich an. Ich gestikuliere wild, deute auf die Halle. Wir sollten gehen! Er schüttelt den Kopf und ich sehe ihn entgeistert an. Mit verschränkten Armen blicke ich zu ihm runter, ziehe ein Schnute. Er deutet mit dem Kopf auf die Anderen. Lautlos durchatmend zucke ich mit den Schultern, deute rüber, als wieder ein Seufzen erklingt. Meine Wangen dürften die Farbe einer Tomate erreicht haben. Meine Lippen formen ein 'Wer' und er nickt. Ich blinzel. Weiß er etwa wer die beiden sind? Er sieht zu mir auf, legt eine Hand an seinen Hinterkopf und streicht mit der anderen über sein Kinn. Hä? Kinn? Ich lege den Kopf zur Seite. Er streift mit der Fingerspitze wiederholt über sein Kinn. Ein Kinn...Ein... Bart? Asahi? Ich zeige ihm drei Finger und er nickt. Mein Kopf dreht sich automatisch zum Nachbarraum und ich sehe durch einen anderen Spalt. Als ein Stöhnen erklingt, bin auch ich mir sicher. Der im Trikot ist Asahi. Aber wer ist der andere, die Jeans? Wer auch immer er ist, er ist gleichgroß und das schnürt mir die Brust zu. Wenn ich jemanden mit Asahi zusammen sehen wollen würde, dann ist es wohl Noya. Aber die Größe stimmt nicht. Ich beiße mir auf die Lippe, sehe zu Kageyama, der sie wieder beobachtet. Ich stupse ihn mit dem Fuß an, woraufhin er wieder zu mir aufsieht. Noch einmal formen meine Lippen ein 'Wer'und ich zeige ihm zwei Finger, bevor ich auf die Anderen deute. Er zuckt mit den Schultern. Verdammt. Im Nachbarraum werden die Atemzüge tiefer und mir schießt die Röte wieder auf die Wangen. Ich werde sicher nicht bleiben bis die da drüben fertig sind, mit was auch immer sie da tun!

Zwischen Freundschaft und verwirrenden GefühlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt