Kapitel 60

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Linus parkte den Porsche in der Nähe seines Elternhauses ein. Sein Blick glitt die Straße entlang und bestätigte ihm das, was er bereits vermutet hatte. Hier parkten keine so hochpreisigen und edlen Benzinschleudern. Nein, hier standen eher gutgebrauchte Autos, denen man ihr Alter auch ansah. Ob das Auto wohl immer noch so aussah, wenn sie am Dienstag wieder abfuhren? Linus zuckte innerlich mit den Schultern. Wofür zahlten sie so viel an die Autoversicherung? Und es hatte ja auch keine andere Möglichkeit gegeben. In der Garage im Hause Preetz parkten nur solche Protzkarren, was ehrlich gesagt ein Umstand war, an den er sich ziemlich schnell gewöhnt hatte. Aber welchem Mann würde es nicht so gehen? Die Leidenschaft für teure Sportautos waren in der DNA des Mannes mindestens genauso verankert wie der Bartwuchs. „Und hier wohnen wir jetzt?" Natascha schaute ganz aufgeregt aus der hinteren Seitenscheibe. Linus nickte und deutete mit seinem Finger auf das Haus, in dem die Wohnung seiner Eltern lag, in der er mit seinen beiden Schwestern zusammen aufgewachsen war. Die Kleine riss die Autotür auf „Na los, worauf warten wir?" Gute Frage? Sein Blick wanderte zu Ina, die auf dem Beifahrersitz saß und sich noch keinen Millimeter bewegt hatte. Auch sie starrte aus dem Fenster und checkte die Gegend ab. Das sah aber mehr so aus, als suchte sie gerade einen Fluchtweg. Linus wunderte es nicht. Natürlich war sie etwas viel besseres gewohnt. Warum hatte er nicht einfach darauf bestanden, dass sie sich hier ein ordentliches Hotel für die Tage ihres Aufenthalts buchten? Vielleicht sollte er ihr das noch schnell vorschlagen.  „Na dann los!" Mit einem Grinsen öffnete auch Ina ihre Autotür und stieg aus. „Scheiße", kam es total undamenhaft aus ihrem Mund und sie schaute schockiert zu ihren schönen neuen Designerstiefeln, die sie sich erst vorgestern gekauft hatte. „Im wahrsten Sinne des Wortes". gackerte ihre Schwester. „Scheiße am Schuh bringt Glück im Nu", reimte sie kichernd weiter. Das konnte sie wahrscheinlich auch gebrauchen, um die stinkende braune Hundemasse, die  an der Fußsohle klebte, so zu entfernen, dass sie die teuren Schuhe nicht einfach nur noch entsorgen konnte.  Sie zog ihren Fuss am Bordstein entlang, um so viel wie möglich zu entfernen.  „Ich muss gleich die Schuhe umziehen", wandte sie sich an Linus, der bereits ihre Taschen aus dem Kofferraum hob. Sein Blick wanderte zu ihren Schuhen. Er verzog kurz sein Gesicht. „Sorry, das hätte ich euch vorher sagen sollen. Hier liegen eine Menge Tretminen herum. Da müsst ihr aufpassen. Ich mache dir die Schuhe nachher gleich sauber."  „Da seid ihr ja, Kinners!" Scheinbar hatte Linus Vater sie schon erwartet, denn er tauchte plötzlich neben ihnen auf und umarmte sie alle herzlich. Er schnappte sich zwei der Taschen. „Na dann man los. Die Astrid wartet schon. Seit Stunden läuft sie wie eine Henne ohne Kopf durch die Bude." „Ich.....ich muss noch meine Schuhe wechseln." Ina spürte, wie ihr die Wärme in die Wangen schoss als sie zu ihren Füßen schaute. Thomas Blick wanderte auch da hin. „Och, hast du die Schiete von so einem Köter erwischt." Er winkte mit seiner Hand ab. „Das is man kein Problem, das läuft sich noch ab und die Astrid ist da ganz anderen Schmutz von meine Bauschuhe gewöhnt. Wir haben ja keine Perserteppich. Also komm meen Deern." Ja, dann war das wohl so. Ina folgte ihm bedröppelt. Genau wie Linus, der zwar nicht bedröppelt, aber doch nachdenklich war. Wie lange war er schon nicht mehr hier gewesen? Natürlich die ganze Zeit, die er nicht mehr in Hamburg lebte. Das war klar, aber auch vorher hatte er sich hier kaum noch sehen lassen. Damals war ihm hier alles zu alt und schmuddelig vorgekommen. Okay, das hatte sich nicht wirklich geändert. Er dachte an die moderne und helle Wohnung in Othmarschen, die er damals gehabt hatte. Dicht an der Elbe. Ja, damals als er dort eingezogen war, hatte er noch geglaubt die ganze Welt stünde ihm offen. Erst hatte er Überstunden geschoben, um die Miete zusammen zu bekommen und dann.....dann, um auf der Karriereleiter immer weiter hinaufzuklettern. Und jetzt...jetzt lebte er in einer alten Villa in Düsseldorf, in der es an nichts fehlte. Dafür hatte schon Inas Vater gesorgt, als er noch besser drauf war. Ja, er hatte auch dafür geschuftet, damit der Luxus bezahlt werden konnte......und, wo hatte ihn das hingebracht? Ins Pflegeheim, wo er dahin vegetierte. Klar, hatte er das Geld, um das Pflegeheim der gehobenen Luxusklasse zu finanzieren, aber was brachte es ihm? Was brachte einem dieses ganze Tretrad überhaupt? Diese Frage hatte sich Linus schon damals nach dem Vorfall im Büro gestellt....obwohl Vorfall hörte sich viel zu gering und unbedeutend für das an, was dort passiert war. Damals hatte sich Linus die Sinnfrage auch ganz klar beantwortet, in dem er seinen Job gekündigt und seinen Rucksack gepackt hatte. Sein Blick wanderte zu Ina, die vor ihm lief. Diese Möglichkeit hatte er jetzt aber nicht mehr. Er konnte sie nicht einfach im Stich lassen. Nein, das wollte er auch nicht, schließlich liebte er sie und fühlte sich auch für ihre kleine Schwester mit verantwortlich. Trotzdem hatte er bei dem Gedanken für immer festzuhängen das Gefühl einen ganzen Felsbrocken um den Hals hängen zu haben. Sein Blick ging wieder zu der alten Fassaden vor ihm, hinter der sich die kleine Wohnung seiner Eltern befand. Sie hatten sich nie solche Fragen gestellt. Da war er sich sicher. Sie hatten nicht viel und Luxus war ein Fremdwort. Trotzdem waren sie immer glücklich und unbeschwert gewesen. Das wollte er auch sein. Vielleicht......nein mit Sicherheit lohnte sich die Hatz nach Besitz und Reichtum nicht. Aber was konnte er in seiner Situation machen, um das zu ändern? Nichts! Und das frustrierte ihn mächtig.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt