Kapitel 6 - Pizza in Rom

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„Und du atmest aus...und wieder ein. Aus...und wieder ein...", die magische Stimme, welche über den Lautsprecher über seinem Kopf erklang, konnte zwar nicht leiern oder schwächer werden, doch für Noah klang sie von mal zu mal eintöniger.

Tag für Tag fand er sich im Übungsraum des magischen Ladens ein und meditierte mindestens eine Stunde, um seinen Geist von den emotionalen Einflüssen seiner Mitschüler zu reinigen. An vielen Tagen war es gar nicht so schwer, denn im Grunde genommen hegten Teenager doch stets ähnliche Emotionen. Erste Verknalltheit, Ärger über die Eltern oder Freunde, Schulfrust. An manchen Tagen jedoch war dies richtig schwer.

An Tagen wie diesem Freitag - dem dritten seit seinem Erwachen, so poetisch nannte Stella es - war es eine Qual. Ein Paar hatte sich nahezu zerfetzt schon bevor der Unterricht begonnen hatte, der Hund einer Schülerin aus seinem Englisch LK war gestorben, der Mathelehrer war sexuell frustriert. Ein anderer Schüler war am Boden zerstört, weil seine Eltern sich scheiden lassen wollten und die Hälfte der Teeniegirls auf seiner Schule flippte aus, weil irgend so eine koreanische Boyband nun doch in der zweiten Jahreshälfte, ein Konzert in der Stadthalle geben würde. Dann hatte er beim Mittagessen nur noch zwischen Thunfischauflauf (nein danke er wollte gern noch etwas leben!) und Königsberger Klopsen wählen können (Ieeh!Kapern!), denn die beliebte Pizza war natürlich schon weg. Blöder Biolehrer mit seinem blöden Projekt im Schulgarten, welcher in entgegengesetzter Richtung zur Mensa lag. Also hatte er sich mit einem halb verwelktem Salat und Himbeerwackelpudding begnügt.

Mittlerweile knurrte sein Magen protestierend und so gab er dann resigniert auf. Erste Regel war grundsätzlich nicht hungrig Magie zu üben.

Er stand auf, „Übung beendet!", sagte er und der Lautsprecher verstummte. Seufzend ergriff er das kühle Tuch , welches stets bereit lag und rieb es über sein Gesicht und seinen Nacken. Dann schnappte er sich seine Sweatjacke und zog sie über das Tanktop welches er trug. Wenn er hier trainierte, tat er das in seinen normalen Trainingsklamotten.

„Stella?", er rief nach der Dame in weiß, während er die mit violetten Samt bedeckten Stufen der langen Treppe hinunter eilte. Er bekam jedoch keine Antwort und sah sich irritiert um. Sie hatte gesagt, sie würde ihm ein paar Zusatzbücher heraussuchen. Denn natürlich hatte Noah schon alles was man ihm mitgegeben hatte , durchgearbeitet. Und da er heute alleine war, weil Saskia schließlich auch weiterhin zum Tanztraining musste, war es eine perfekte Gelegenheit für ihn später mal Zeit in der magischen Bibliothek zu verbringen. Zuhause war es nämlich auch nicht immer so einfach. Seine Mutter gehörte nämlich zu der Sorte Eltern, welche hin und wieder einen Blick auf die Bücher die ihre Kinder konsumieren, werfen wollte. Zwar tarnten die Bücher sich selbstständig, doch es machte ihn trotzdem nervös.

Aufgeregte Stimmen ließen ihn an der Tür zum Verkaufsraum des Ladens innehalten. Verwirrt nahm er wahr dass er die Sprache kannte, aber nicht verstand. Schließlich nahm er sich ein Herz und öffnete die Tür. Stella sprach mit einem Mann, etwas älter als Noah selbst. Der Mann hielt inne und Stella drehte sich um. „Noah!" „Ich..." , verwirrt nahm er die Neugier des Mannes wahr, „...Entschuldigung. Ich kann mich nicht richtig konzentrieren. Ich bin so hungrig. Kann ich mir irgendwas machen?" Stella hatte schließlich ihre kleine Küche im Teil des magischen Ladens, in welchem sie lebte.

„Oh du Armer! Aber natürlich....obwohl...", sie lächelte breit und wandte sich zu dem Mann. „Antonio questo è Noè!", erklärte sie und ein Schwall aufgeregter, freundlicher Worte brach aus dem Mann, als er Noahs Hand ergriff. Verwirrt sah er von ihm zu Stella, welche nur schmunzelte. „Lass die Magie zu Noah!", sagte sie nur. Noah sah wie sie das Pentagram um ihren Hals berührte und spürte das seinige, warm und sicher an seinem Hals. Er schloss die Augen und ließ seinen Geist nach dem des Mannes greifen. Dann berührte sein Geist seinen Anhänger und mit einem mal verstand er den Mann.

Erfreut grinsend, schüttelte er die Hand des Anderen. „Nett dich kennen zu lernen Antonio. Ich lerne noch!" Der Italiener lachte fröhlich, „Ich verstehe es sehr gut. Es ist auch alles sehr verwirrend zu Anfang. Du hast Hunger? Das trifft sich wirklich gut. Meine Familie hat eine der besten Pizzarias hier in Roma! Ihr kommt jetzt mit und seid unsere Gäste. Dann kann Stella gleich mit meiner Großmutter persönlich sprechen." Aufgeregt blickte Noah zur Hüterin, „Der Laden ist gesprungen? Nach Rom?" Stella lachte. „Ja, ich dachte es ist okay, wenn du im Übungsraum bist. Im Normalfall, hättest du es gar nicht bemerkt. Aber Antonios Oma hier, ist eine Heilerin. Nun hat sie sich den Fuß gebrochen und kann nicht selbst herkommen. Antonio ist aber selbst kein Heiler, sondern ein Telepath. Deshalb hat sie ihn geschickt. Nur leider empfängt er seine Großmutter hier schlecht und weiß so nicht genauwas sie braucht!"

„Genau! Roma ist so eine verrückte Stadt! Zu viele Menschen! Zu viele Gedanken!"

Noah nickte nur, das konnte er sich gut vorstellen. „Also wäre es okay, wenn wir mit Antonio gehen? Seine Großmutter gehört zu den Ältesten. Die verärgert man nicht leichtfertig.", fragte die Hüterin ihn. „Klar, gerne! Ich muss nur...", er sah an sich hinab. Antonio lachte. „Ja, mach' du dich fertig und wir packen ein paar Dinge für meine Nonna!"

Es dauerte nicht lange und sie waren auf dem Weg durch Roms schmale Gassen. Abseits der Wege die die Touristen verstopften. Daher überraschte es Noah als sie schlussendlich beim Trevi Brunnen landeten. „Wow! Saskia flippt aus, wenn ich das erzähle!" „Warte nur, wenn du ihr vorschwärmst von der besten Pizza!" , frohlockte Antonio und führte sie in eine kleine Pizzaria, nah am Hot Spot. Die Pizzaria war vollgepackt mit Menschen und es gab eine Schlange von Menschen die entweder auf einen Tisch warteten, oder nur eine Pizza zum Mitnehmen kaufen wollten. Noah atmete den würzigen Duft gierig ein und grinste fast schadenfroh. Sollten die anderen doch die öde Schulpizza für das Highlight des Tages halten!

Noah kam sich fast schon wichtig vor, als Antonio sie vorbei an den Wartenden führte und sie durch das gesamte Lokal in einen der berühmten, romantisch, versteckten Hintergärten Roms brachte. „Ich habe Gäste mitgebracht! Stella kennt ihr natürlich und das ist Noah! Er ist neu und ein...ein...?" Noah grinste ein bisschen wie Antonio nun bemerkte, dass er gar nicht wusste, was Noah für eine Fähigkeit besaß.

„Ich bin ein Empath!", sagte er also und sprang dann gleich erschrocken auf, als die alte Dame welche bisher in einem bequemen Stuhl gesessen hatte, fast aus jenem aufsprang. Sofort waren helfende Verwandte bei ihr und bugsierten die begeisterte Dame zurück in den Stuhl. „Ein Empath! Endlich!" Irritiert sah Noah zu Stella, welche nur die alte Frau intensiv musterte. Sie glaubte vielleicht er sehe das warnende Kopfschütteln nicht, doch er sah es. Er sprach sie jedoch nicht darauf an, als Stella sich ihm zu wand. "Wahre Empathen sind selten. Es gab schon länger keinen neuen mehr. Daher ist es aufregend.", erklärte sie. Noah nickte, schließlich wusste er das schon, trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los, dass es noch um etwas anderes ging.

Doch er konnte dann schon nicht mehr weiter grübeln, da mehrere Männer beladen mit riesigen Tellern auf denen dampfende Pizzen thronten, hinzu kamen. Flink hatten die Italiener den großen Familientisch beladen, Wein wurde ausgeschenkt (Welchen er natürlich ablehnte, auch wenn er schon 18 war!), Stühle gerückt und dann wurde zugegriffen.

Noah nahm kaum was vom Gespräch um ihn herum wahr und schwelgte nur im wunderbaren Geschmack von Italiens Hauptstadt.

Selbst die verstohlenen Blicke des ein oder anderen älteren Mitgliedes der magischen Familie entgingen dem sonst so aufmerksamen jungen Empathen.





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Dieses Kapitel ist das erste komplett neue. Sprich : es war vorher nicht in dieser Geschichte. In der ursprünglichen Version war es sehr wohl, aber dann fiel die Geschichte mit der italienischen Familie der Kürzung zum Opfer.



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