Kapitel 67

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Ina schaute noch einmal in den Schminkspiegel, ehe sie die Blende im Auto wieder hochklappte. Sie wollte gut aussehen, wenn sie gleich ihre Familie wieder traf. Familie! Das hörte sich immer noch irgendwie komisch an.....und es hörte sich nicht nur so an, sondern es fühlte sich auch so an. Obwohl komisch war eigentlich nicht das richtige Wort. Ungewohnt und neu traf es wohl besser. „Du siehst wie immer perfekt aus, Pepincito!", zwinkerte ihr Linus schmunzelnd zu und strubbelte einmal durch die Haare. „Menno! Wie sehe ich denn jetzt aus", knurrte Ina und klappte sofort wieder den Spiegel herunter, um alles wieder in Ordnung zu bringen. „Wunderschön, wie meine Pepincito." Linus beugte sich zu ihr und begann sie zärtlich zu küssen. Ina ließ sich in seine Küsse fallen und entspannte sich. Irgendwie hatte sich seit der Taufe in Hamburg etwas bei Linus verändert. Er war irgendwie viel anhänglicher. Es war fast so wie in der ersten Zeit als sie zusammengekommen waren. Ständig gab es von ihm kleine Liebesbekundungen und Zärtlichkeiten. Das war.....das war im Büro manchmal fast schon peinlich. Gestern hatte sie nämlich ihre Sekretärin beim Knutschen erwischt und war überstürzt in ihre Mittagspause geflüchtet. Okay, aber irgendwie war es auch total süß und gefiel Ina. „Kommt ihr langsam hoch oder sollen wir euch Decken bringen, falls die Standheizung ausfällt." Luca hatte die Beifahrertür aufgerissen und grinste sie breit an. Ina spürte wie ihr leichte Wärme in die Wangen schoss. Auch wenn Luca genauso alt wie sie war, war er richtig betrachtet ihr Stiefvater und würde ihrer Mutter bestimmt erzählen, dass sie vor ihrer Haustür im Auto herum geknutscht hatte. „Nur kein Neid, du verheirateter Knecht!", kam sofort die grinsende Retourkutsche von Linus, ehe er aus dem Auto ausstieg.
„Schön, dass ihr uns besuchen kommt." Genia kam auf sie zugestürmt und zog sie in ihre Arme. Ina genoss die Umarmung. Auch wenn es noch ungewohnt war. Nein, sie hatte wirklich keine Zweifel mehr daran, dass Genia sie nicht freiwillig weggegeben hatte. „Wie war es denn in Hamburg? Hattet ihr Spaß?" Ina nickte. Ja, die paar Tage waren echt schön gewesen. Linus Eltern mochte sie total und seine Geschwister schienen auch ziemlich nett. Okay seine Zwillingsschwester war schon eine Herausforderung. Sie war ziemlich impulsiv. Aber in vielem glich sie auch Linus. Ihr kleiner Sohn war auch total knuffig gewesen. Bei dem Gedanken schaute sie zum Bauch ihrer Mutter. „Wie geht es dir überhaupt? Ist alles mit dem Baby okay?" Genia legte ihre Hand auf ihren unteren Bauch, an dem noch überhaupt nichts zu sehen war. „Ja, alles bestens. Wir waren gestern beim Ultraschall. Möchtest du das Bild sehen?" Ina nickte. Ja, das wollte sie. Gleichzeitig wunderte sie sich über sich selbst. Babys hatten sie noch nie interessiert...außer damals Natascha. Vielleicht lag das an ihrem Alter oder einfach nur daran, dass es sich bei dem Baby auch um ihre Schwester oder ihren Bruder handelte. Genia lief zu ihrer Handtasche und zog ihren Mutterpass heraus, ehe sie Ina stolz das Ultraschallbild reichte. Was gab es darauf bitte zu sehen? Das sah nur wie ein Schneegestöber aus. „Mama, is au gucken." Espie war um die Ecke gefegt gekommen. „Ina!", jubelte die Kleine los, als sie sie erblickt hatte. Das Ultraschallbild war unwichtig geworden. Stattdessen umklammerte sie Inas Hals, die sich zu der Kleinen herunter gebeugt hatte und drückte ihr einen feuchten Schmatzer auf die Wange. „Ich habe dir was aus Hamburg mitgebracht", fiel es Ina spontan ein und sie zog den kleinen plüschigen Simba aus ihrer Handtasche, den sie extra für ihre kleine Schwester im Musicaltheater gekauft hatte. „Uih ein Löwe", wurde sie angestrahlt. Die leuchtenden Augen der Kleinen ließen ihr Herz höher schlagen. „Da wird ja jemand verwöhnt!" Luca war zu ihnen getreten und wuschelte Espi durch ihr blondes Haar. „Warte mal ab, wir haben auch etwas für euch mitgebracht", grinste Linus. Das war dann wohl das Zeichen ihm die Bierflasche zu reichen, die sie auch in ihrer Tasche hatte. „Hier ein Astra, damit du auch mal ein ordentliches Bier abbekommst." Linus reichte die Flasche grinsend seinem Kumpel, der nur seinen Kopf schüttelte. „Ihr habt doch alle keine Ahnung. Das einzig richtige Bier gibt es in Bayern." „Du spinnst ja, das ist doch nur so eine dünne Plörre." Genia stupste sie in die Seite. „Lass die beiden mal ihre fachmännischen Gespräche führen. Da stören wir sowieso nur. Komm mal mit, ich zeige dir mal die Stoffproben, die ich für die Gardinen für das neue Haus habe. Ich brauche da mal eine geschmackssichere Entscheidungshilfe."
Linus schaute Ina und Genia hinterher, die mit Espie im Schlepptau das Wohnzimmer verlassen hatten. Luca folgte seinem Blick und fing an zu grinsen. „Das war schon witzig, wie ertappt Ina vorhin geschaut hat, als ich die Tür aufgerissen habe. Sie scheint wohl,Respekt vor ihrem Stiefvater zu haben." „Du weißt doch wie Ina ist. Sie ist immer auf Etikette bedacht und will nichts falsch machen." Linus fuhr mit seiner Hand über sein Kinn. „Da ist mit Sicherheit auch ihr Vater nicht ganz unschuldig dran. Er hat sie ja schließlich förmlich dressiert. Da war nie Platz für Fehler oder eigene Entwicklung und Entscheidungen." Luca nickte. „Ich weiß, ich bin ja selbst in seinen Strudel geraten. Du siehst aber ziemlich geschafft aus. War Hamburg so anstrengend?" Linus zuckte mit den Schultern. „Ist Familie nicht immer anstrengend?" Sein Kumpel begann zu lachen. „Da sagst du was. Außer die eigene Ehefrau und die Kinder, die sind akzeptabel. Du glaubst ja nicht, wie mein Dad schon wegen des Umzugs nervt. Ich warte schon täglich darauf, dass er einfach mit einem LKW und ein paar Möbelpackern morgens vor der Tür steht." „Apropos Umzug, könnt ihr Hilfe gebrauchen?" Linus spannte  seinen Bizeps an. „Auf alle Fälle." Luca nickte begeistert. „Aber deine Muckis sahen auch schon mal beeindruckender aus." Okay, da hatte er recht. Das musste Linus zugeben. Zu seinen Surfer-Zeiten war da noch mehr los. Da bestand ja auch nicht sein einziges Armtraining aus dem Tippen einer Computertastatur. „Aber wenn wir schon gerade bei Hilfsangeboten sind. Ich könnte dein Hilfe demnächst auch gebrauchen." Luca schaute ihn forschend an. „Geht klar. Und wofür?" „Das erfährst du noch früh genug." „Na dann lass uns jetzt das Bier killen." Ja, genau so funktionierte eine Männerfreundschaft. Da gab es keine quälenden und nervenden Nachfragen, sondern einfach nur eine Zusage. So musste das sein.

Schuss und Treffer -  in der zweiten Mannschaft   ✔️    Teil 13Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt