Zu spät für die Liebe ⚠️

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POV Isra

Ich versauere in diesem Zimmer schon lange genug.
Abgemagert bin ich, der Hunger plagt meine Sinne.
Trocken ist meine Kehle, sie verlangt nach Wasser.
Flehend ist mein Herz, es schreit nach Rache.

„Ich hasse dich Silver." Mein Zwillingsbruder blickt auf. Miguel hat ihn zu mir ins Zimmer verfrachtet, ihn hier an einen Stuhl gefesselt. Ich stehe vor ihm und sein Anblick, bringt mich zum Kotzen.

Mein ewiger, verdammter Bruder.
Mein eigenes Fleisch und Blut.

Dort im Haus von Steffan, dort waren wir beide, um ihn zu töten. Er fing uns. Hielt uns fest. Halb so schlimm, denn noch hatten wir einander.

Weißt du Silver, was das Schlimme daran war?
Dass du mich aufgabst.
Du gabst uns auf.
An jenem Tag, als du mich im Gegenzug zu deiner eigenen Freiheit angeboten hast.

„Ich hasse dich nicht Isra." Er schreit und heult. Erbärmlich. „Isra, scheiße! Ich dachte wirklich du seist tot und ich hätte dich auf ewig verloren."

„Du hast mich auf ewig verloren, du verdammter Lügner. Kein liebender Bruder, würde den Tod seiner Schwester einfach so glauben, ohne sich vergewissern zu wollen."

„Isra, ich war in scheiß Panik! So wie dieser Dreckskerl Steffan drauf war, dachte ich wirklich, dass du tot seist..., er ist zu allem fähig!" Alles billige Ausreden.

„Silver, ich wurde vergewaltigt - ....... und das nicht gerade wenige Male." Seine Augen reißen auf.

„Isra f*ck, ich-..."

„Nein, weißt du was? Mir ist es egal, dein vorgespieltes Mitleid und all dieser Scheißdreck! Verf*ckt nochmal, halt deine Fresse!" ICH HASSE IHN. ICH HASSE IHN SO UNGLAUBLICH, DASS ICH IHN MIT JEDER EINZELNEN PORE MEINES KÖRPERS TÖTEN WILL!! Steffan hatte Recht, er ist ein egoistisches Schwein. Ein Jemand, der sich selbst rettet und dafür sogar die eigene Schwester zurücklassen würde. Jederzeit würde er das tun.

„Isra, hörst du mir überhaupt zu?" Er versucht sich aus den Handfesseln zu lösen, was ihm natürlich nicht gelingt.

„Ich höre dir nicht zu. Nie mehr."

„Isra bitt..."

„HALT DEINE FRESSE. HALT DEINE VERDAMMTE FRESSE! SEI STILL DU SCHEISS VERRÄTER! ICH HASSE DICH!"

„BERUHIG DICH! ICH WILL ES DOCH NUR MAL ERKLÄREN ISRA!"

„....Erkläre es dem Messer in meiner Hand. Bye Bye mein Bruder. Meine seelenlose, egoistische, aber wunderschöne zweite Hälfte." Ich ramme ihm das Messer mitten in sein dunkles Herz und spüre den stechenden Schmerz am eigenen Leibe.

„Ich liebe dich." Flüstert er mir zu. Tränen kullern seine Wangen hinunter.
„Zu spät für die Liebe, aber die richtige Zeit für Rache." Ich gebe ihm einen trockenen Kuss auf die Stirn und rufe nach Steffan oder Pablo, wie er neuerdings heißt.

Er schaut mich stolz an.

„Wusst ich's doch. Isra ist eine Kämpferin." Pablo schleift den leblosen Körper von Silver aus dem
Zimmer. Wird er ihn begraben oder irgendwo hinschmeißen und vergammeln lassen?

Wenn das Letztere der Fall sein sollte, wären Silver und ich auf einer Welle. Mein Körper mag zwar lebendig sein, doch er verwest zur selben Zeit.

Ich werde dich vermissen Bruder.
Nicht dein verräterisches, neues Du. Dein altes, loyales Du. Den Zwillingsbruder, für den ich jederzeit in den Tod gegangen wäre.

POV Inéz

Mir ist übel...ein total ekelhaftes Gefühl macht sich auf meiner Brust breit. Ich öffne meine Augen und sehe nichts als weiß. Weiße Wände, weißer Boden, weiße Möbel, alles stechend weiß, wie in einem
Krankenhaus. Meine Augen suchen den fremden Raum nach einem Fenster ab. Keins zu entdecken. Hohe Decken, wenige Möbel und keine Luft zum Atmen.

Wo
Bin
Ich ?

Wer
war
dieser
Mann?

Ich fasse mir an die Stirn, denn sie schmerzt noch immer. Dieser Typ hatte mir ein Tuch vor die Nase gehalten, um mich ruhig zu stellen. Egal wer das war, gut meint er es nicht mit mir.

Ich trage nicht mehr Seth's Jackett, sondern eine komplett weiße Pyjama. Ein kühler Alptraum.

Eine Tür öffnet sich.

„Na? Gut geschlafen? Weiß steht dir gut Kleines. Es steht für Reinheit." Dringt meines Vaters Stimme in mein Ohr. Oh nein-

„Vater?" Er stolziert selbstsicher in den Raum und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich bekomme kein weiteres Wort raus.

„Du bist in Sicherheit. Lass' mich dich umarmen Inéz, viel zu lange ist es her." Er setzt sich an den Bettrand und umschlingt mich mit seinen starken Armen. Ich ringe nach Luft.

„Was ist das hier?"

„Dein neues Zimmer. Es soll dich daran erinnern, dass du dich mit Wenig zufrieden geben sollst und nichts brauchst, außer mir und deiner neuen Familie."

Ich muss erstmal schlucken. Verdammt, das ist bis jetzt -mit Abstand- mein realistischster Alptraum. Ich hoffe jedenfalls, dass es ein Alptraum ist.

„Neue Familie?"

„Dein Onkel, deine Cousine." Mein ONKEL, meine COUSINE?! Ich habe keine weitere Familie, als Vater und meine verstorbene Mum.

„Beide mögen dich jetzt schon! Wie könnten sie auch nicht? Du bist so unschuldig, meine kleine Tochter mit reinen Gedanken."

Äh. Was zum -

„Vater, was soll das Ganze hier?"

„Das will ich dich auch fragen. Wieso brachte der Bodyguard, ein Mädchen mit Unterwäsche hierher? Ich hatte meine Tochter Inéz erwartet, stattdessen kam eine Schlampe. Ich kann von Glück sprechen, dass du keine Schminke trugst, sonst hätte ich dich erst gar nicht erkannt." Er umfasst mein Handgelenk und schenkt mir einen warnenden Blick.

„Welcher Bodyguard? Und wieso wusstest du, wo ich bin? Was ist mit Seth?"

„Keine Sorge Schätzchen. Seth wird bald nicht mehr unser Problem sein. Er bekommt die Strafe, die ein Schänder wie er, verdient. Ich beschütze dich, komme was wolle."

Ich sehe nichts mehr, als weiß.
Mein fremder Onkel, meine unbekannte Cousine kommen in den Raum, stellen sich vor, umarmen mich. Ich sehe sie nicht. Ich sehe nichts als weiß. Nichts als kalte Leere.

Nach gefühlten Stunden verschwinden sie und ich breche in Tränen aus.
Liegt es diesem surrealen, kaltweißen Raum?
An der Familie, die ich bis jetzt nicht einmal kannte?
Daran, dass Vater noch verrückter ist, als früher?
Oder daran, dass ich nicht weiß, was mit Seth und Jaro passieren wird?

Ich will mich nicht für sie interessieren,
ich will mir keine Sorgen um sie machen,
das wäre grotesk.

Sie sind Mörder, Folterer, Idioten.
Meine Entführer.

Ich darf das nicht zulassen.
Ich darf mich nicht von ihnen abhängig machen.

Es ist nicht so, als würde ich sie vermissen.
Keinesfalls. Nie im Leben würde ich die beiden vermissen.

Das Einzige was ich will, ist, dass ich Abstand gewinne. Ich habe Vater die letzten Tage nicht vermisst. Das soll schon was heißen.

Jetzt ist er da? Mitsamt einem Onkel und einer Cousine? Ein neues Zimmer? Bodyguards? Ein reines Rätsel.

(Danke für's Lesen <3 Gerne Votes dalassen ;)

Bring mich nicht in VersuchungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt