40. Kapitel

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'Cause I'm not ready ~ Forget Me (Lewis Capaldi)

Als ich sechs Stunden später wieder die Familie bediente, bedankte sich Lavinia bei mir, als ich ihr den Zitronenkuchen hinhielt. Überrascht sah ich auf. Bisher hatte sich niemand, außer einmal der König, dafür bedankt, dass ich sie bediente. Sie lächelte mich an. „Bitte“, sagte ich leise. „Wie heißt du?“, fragte sie. Ich stutzte. Warum wollte sie das wissen? „Emilia“, meinte ich trotzdem. Fast unmerklich hob sie eine Augenbraue.

„Das ist ein sehr schöner Name. Ich bin Lavinia, aber nenn mich ruhig Venia.“ Ich lächelte. „Hast du auch einen Spitznamen?“, erkundigte sie sich. Mein Lächeln verblasste augenblicklich. Ich biss mir auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.
„Wirklich nicht? Ich finde, Emmi würde ganz gut zu dir passen.“
Was zum Teufel …? „Ich habe keinen Spitznamen und Emmi passt definitiv nicht zu mir“, stellte ich klar. Bei meinen letzten Worten schielte ich zu Benjamin.

Dann trat ich zurück und stellte mich neben Marie, die das Geschehen mit großen Augen verfolgt hatte. Sie sah unauffällig zu mir rüber. Um ihr zu zeigen, dass ich wusste, dass sie mich anstarrte, blickte ich sie direkt an. Marie hob einen Mundwinkel und grinste mich schief an. Sie wusste genau, dass ich sie beim Beobachten erwischt hatte.

„Es wird etwas länger dauern, bis wir dir ein neues Haus gebaut haben, das ist dir hoffentlich klar, oder?“, sagte der König in dem Moment zu Venia. Ich wandte mich wieder dem Tisch zu.
Lavinia nickte seufzend. „Ja. Ich hatte gehofft, solange bei euch bleiben zu können. Zur Not kann ich auch in die Stadt gehen und in ein Hotel, oder in einen anderen Kreis …“

„Schwachsinn! Du bleibst hier. Ich wollte nur wissen, ob du weißt, dass der Aufbau auch ein halbes Jahr dauern kann. Benjamin und Enya freuen sich, dass du mal wieder da bist und vor ein paar Tagen ist ein Gästezimmer frei geworden, weil der Mann gegangen ist, der Benjamins Zimmer restauriert hat. Der arme Mann musste nach der Explosion nochmal von vorne anfangen“, erklärte der König. „Ja, du kannst gerne bei uns bleiben“, stimmte seine Frau ihm zu. Ich nahm mir vor, später auf der Lichtung Benjamin zu fragen, was mit Venias Haus geschehen war.

☆☆☆

Ich legte meine Hand an die Rinde eines großen Baumes. Sie fühlte sich rau und ein bisschen spröde an. Ich spürte, wie das Wasser durch seine Wurzeln nach oben in die Blätter floss und diese mit lebensnotwendigen Dingen versorgte. Sein Herz schlug kräftig unter meinen Fingern. Doch als ich die Augen schloss, um das Gefühl ganz zu genießen, merkte ich, dass es dem Baum nicht so gut ging wie es von außen wirkte. Das Wasser war viel zu kalt, es fühlte sich an, als hätte es Temperaturen im Minusbereich, obwohl das eigentlich nicht sein konnte, und das Herz des Baumes war von winzig kleinen Eisblumen übersät.

Ich runzelte die Stirn. Ich spürte, dass der Baum Hilfe brauchte und sollte er sie nicht bekommen, würde er sterben. Es war eine kranke Kälte, die durch ihn floss. Sie war irgendwie nicht natürlich. Da kam mir eine Idee. Ich verband meine Körperwärme mit seiner. Instinktiv wusste ich, wie ich es machen musste. Es fühlte sich an, als wäre ich eine Spinne und würde Fäden zwischen meiner Haut und der Rinde des Baumes spannen. Augenblicklich fühlte ich seine Kälte im ganzen Körper. Ich fing an zu zittern.

Erschrocken riss ich die Augen auf und sah, dass sich meine Hand, die den Baum berührte, blau färbte. Dann wärmte sich mein Körper endlich. Hitze schoss durch meine Adern und nutzte die Fäden um durch die Rinde zum Herzen des Baumes zu gelangen. Dort schmolz die dünne Eisschicht sofort, doch meine Wärme ging weiter und verbreitete sich im Erdboden und in den Wurzeln. Ich fing an, zu schwitzen. Der Baum brauchte viel mehr Wärme als ich und weil wir miteinander verbunden waren, wurde ich mit ihm immer wärmer. Aber ich wollte ihm unbedingt helfen.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt