Und? Mundet es dir?

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POV Inéz

Die Zeit vergeht hier definitiv NICHT wie im Flug.
Ich bin am Ende, emotional und körperlich.
Den ganzen beschissenen Tag sehe ich nichts anderes, als das kahle, heruntergekommene Zimmer, das kalte metallische Lattenrost und natürlich den gefesselten Seth.

Als Bestrafung für das Bedrängen von Seth, habe ich seit zwei Tagen nichts zu essen bekommen. Seth dort drüben, auf seiner eigenen Seite des Zimmers, gönnt sich die köstlichsten Leckereien. Die Doktorin meint, er soll belohnt werden, da er der Versuchung widerstehen konnte.

Ich hasse ihn dafür, dass er die Ärztin gerufen hat, das hat nämlich das kranke Projekt um mindestens einen Monat verlängert. Mindestens einen Monat weniger Freiheit.

Dieses Wort <Freiheit>, wird mir immer fremder. So lange spüre ich sie nicht mehr, dass ich befürchte, die Bedeutung so langsam zu vergessen.
Wenn ich hier länger festsitze, ohne Essen, vollgestopft mit Medikamenten..., dann werde ich Freiheit nicht einmal mehr buchstabieren können.

Ja, ich meine es todernst.

„Ich bin am E.N.D.E!"

„Oh nein Schätzchen, das ist erst der Anfang. Beende nichts, dass du nie begonnen hast." Summt er vor sich hin.

„Seth, es reicht mir mit deinen Weisheiten. Seit gefühlten Wochen brabbelst du gequirlten Mist."

„Inéz hast du Hunger? Vielleicht bist du deshalb so mies drauf..."

„Nein Seth, ich habe keinen Hunger. Ich liege nur gefesselt, halbtot, seit zwei Tagen da, ohne jegliche Nahrungsaufnahme."

„Warte, ich hab da was, das dich aufmuntern könnte!" Ruft er mir zu.

„Was? Etwa eine neue Narbe?"

„Leider nicht, aber hier! Fang das!" Seine Arme sind so locker angebunden, dass er sogar ein Stück Brot herüberwerfen kann.

„Autsch!" Scheiße, das gibt eine Beule.

„Was?!" ..... fragt er ernsthaft <Was>?

„Das Brot ist steinhart. Du hast es mir direkt auf die Stirn geworfen!"

„Ups. Mein Fehler."

„Ja dein Fehler, aber danke. Ich hab das gebraucht!" Ich versuche das Brot zu meinem Mund zu führen.

„Ich brauche auch etwas..."

„Seth, wehe das wird jetzt ein schmieriger Anmachspruch."

„Nein, nein, vergiss' es. Genieß das Brot! Aber hey, pass auf, dass du dir dabei keine Zähne ausbrichst!"

Danke für die Warnung! Ich versuche das Brot zu kauen..kläglich. Das fühlt sich an, als würde man in einen Stein beißen.

„Und? Mundet es dir? Hahahahaah!"

„Du Penner, deshalb hast du mir das Brot gegeben! Weil es nicht essbar ist...wie kann man nur so hinterlistig sein?"

Er lacht hämisch...dort in seiner Ego-Zimmerhälfte.
Ich bin ganz ehrlich zu mir. Für eine Sekunde oder besser gesagt - bis ich ins harte Brot gebissen habe - dachte ich, er würde sich um mich sorgen, mir einen Gefallen tun wollen, etwas Empathie zeigen.

Doch nichts davon ist der Fall.
Dumme hoffnungsvolle Gedanken.

„Ich dachte wirklich, du würdest etwas von deinem Essen abgeben, weil dir etwas an mir liegt, Seth. Aber hey! Menschen täuschen sich eben..."

Funkstille.

Soll ich mich damit zufriedenstellen?
Wenigstens kein fieser Spruch.
Wenigstens keine Beleidigung.
Wenigstens keine hämische Lache.

Ist mein Standard so erbärmlich gesunken? Dass ich mich bereits freue, wenn mir keine Beleidigung an den Kopf geworfen wird?
Ich sollte mich erst freuen, wenn sich jemand um mich sorgt, mir Witze erzählt, für mich da ist, mir die Tränen abtrocknet.

Nein, die neue zerbrochene Inéz, freut sich bereits wenn ihr das Mindeste an Nettigkeit entgegenkommt.

~

„Ich kann mir mal wieder selbst auf die Schulter klopfen. Ihr redet nicht, seid voneinander weggedreht und keinerlei sexuelle Spannungen liegen im Raum. Perfekt. So gehört es sich!"
Die Doktorin grinst triumphierend.

Denken Sie wirklich, Sie hätten gewonnen?
Sie billige, kleine *********
Okay, ich muss mich abregen.
Ich will hier schließlich raus.

Ich will nicht nur hier raus, sondern auch gleich aus diesem weißen, ungemütlichen, komplett gruseligem Kittel. Ich fühle mich, wie in einer Psychiatrie oder so.. also, ich war noch nie zuvor in einer, aber EXAKT so, stellt man sich eine vor.

~

„Inéz, ich binde Sie heute los. Doch Essen gibt's vorerst noch keins...ich muss warten, bis Mr Padre es erlaubt. Sobald er es tut, bringe ich Ihnen etwas."

Wow. Selbst die Ärztin braucht eine Erlaubnis, um
ihrer „Patientin" Essen zu geben? Vater, du bist nicht mehr von dieser Welt.

Die Doktorin verlässt den Raum und ich kann nur von Glück sprechen, dass sie noch nicht das Brot auf meinem Bettlaken entdeckt hat. Womöglich hat sie es mit einem Stein verwechselt...

Ich habe eine brillante Idee...vielleicht könnte ich dieses steinharte Brot gegen Seth werfen? Am
Besten direkt auf seine Stirn.... 1:1

„Denk gar nicht daran, Inéz." Raunt er.

„Was meinst du?"

„Ja, du willst mir diese Mordwaffe gegen die Stirn katapultieren oder etwa nicht?"

Kann der Gedanken lesen?

„Ja, das hatte ich in Erwägung gezogen, aber was wenn dadurch eine Narbe entsteht? Du würdest dich daran aufgeilen."

„Du kennst mich ... zumindest ein bisschen." Er grinst und ich bin neidisch auf seine perfekt weiß strahlenden Zähne.

„Sag' mal, wie bekommst du deine Zähne so weiß?"

„Gott gab sich Mühe bei mir. Er hat viel Zeit und Schweiß aufgewendet..., aber dabei kam eine derartige Perfektion raus, er konnte es nicht eine Sekunde bereuen."

„Ich bereue es, dich gefragt zu haben."

„Zahnpasta und Zahnbürste, die zwei Antworten, nach denen du gesucht hast."

„Haha."

(Danke für's Lesen <3 Gerne Votes und Kommis dalassen ;)

Bring mich nicht in VersuchungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt