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 Die Luft steht in der alten Fabrikhalle. Wie spät es ist ist kaum zu sagen, denn es dringt kein Tageslicht ins Innere. Die Scheinwerfer sind gedimmt. Erwartungsvoll blicke ich in Richtung Bühne. Wie immer bin ich in der vordersten Reihe, betrachte die Silhouetten der vier Musiker, die im dämmrigen Licht stehen. Er ist ganz rechts, ich erkenne die Gitarre, und natürlich die charakteristische Haltung seines hoch gewachsenen, schlanken Körpers.

Und mit einem Knall explodiert alles. Schlagzeug, Gitarren, Bass. Scheinwerferlicht, Nebelmaschine. Wie von einer unsichtbaren Macht geleitet setzt sich die Menge setzt sich in Bewegung, und ich mich mit ihr. Der Gesang setzt ein, ich lasse mich treiben. Doch meine Augen sind nur auf ihn gerichtet, wie er von einem Bein aufs andere wippt, sein Gesichtsausdruck andächtig, konzentriert. Seine langen, kräftigen Finger fliegen über die Saiten der Gitarre. Ich weiß, wozu sie noch fähig sind. Unwillkürlich presse ich meine Schenkel zusammen. Keine Frage, es erregt mich jedes Mal, ihn auf der Bühne zu sehen. Der Welt scheinbar entrückt, völlig in seinem Element. Im Rausch der Endorphine.

Ich löse meinen Blick von ihm und lasse ihn durch die Menge gleiten. Im Wesentlichen bin ich umgeben von schwarz gekleideten Männern mittleren Alters. Ein paar Frauen haben sich auch hier her verirrt, vermutlich hauptsächlich die Partnerinnen dieser Männer.

„Die Musik gefällt dir nicht, da bin ich mir sicher!" Seine Worte hallen in meinem Kopf nach und ich muss schmunzeln. Seit ich ihn das erste Mal live erlebt habe ist mittlerweile einiges an Zeit vergangen. Mein Musikgeschmack ist breit gefächert, von Taylor Swift über Johnny Cash bis hin zu den Rolling Stones, meiner absoluten Lieblingsband, und etlichen weiteren Künstlern jeglicher Couleur. Metal hatte ich bis dato nicht auf dem Schirm, aber ich bin immer bereit, meinen Horizont zu erweitern. Vor allem für diesen unverschämt süßen Gitarristen, der mein Herz im Sturm erobert hat. Und außerdem muss ich sagen, dass mir dieser Kleidungsstil absolut gefällt. Heute trage ich ein kurzes, schwarzes Samtkleid mit am Rücken überkreuzten Trägern, Netzstrümpfen, schwarzen Stiefeln und einem auffälligen, schwarzen Leder-Choker. Auf den BH habe ich selbstverständlich verzichtet. Er konnte seinen Blick kaum von mir abwenden. Ich liebe es, wie er mich dann ansieht.

Ich lasse mich treiben, schüttele meine Haare im Takt der Musik, hüpfe auf und ab. Gerate ins Moshpit und springe wie wild mit ein paar Verrückten vor der Bühne im Kreis. Werde angerempelt, doch ein Kumpel eilt mir zur Hilfe und verhindert dass ich stürze. Der Schweiß steht mir auf der Stirn und ich ziehe mich ein wenig aus dem ärgsten Getümmel zurück.

Zufrieden lehne ich mich an einen Stehtisch und sehe zur Bühne empor. Ihn so zu sehen macht mich unwahrscheinlich glücklich, ein breites Grinsen legt sich um meine Mundwinkel. Er liebt die Musik, scheint der Realität entrückt zu sein. Und so sehr ich ihm diese Momente auch gönne, so mindestens genauso sehr freue ich mich auf den Augenblick in dem der letzte Akkord verklingt, und er wieder zu mir nach unten kommt. Mittlerweile ist es zu einem festen Ritual geworden, dass wir unmittelbar nach seinen Auftritten mehr oder weniger sofort vögeln. Ich erinnere mich an das erste Mal, in einer schäbigen Garderobe. Zwischen Myriaden an schwarzen Mänteln und Jacken presste er mich ungeduldig gegen die Wand, zerriss meine schwarze Strumpfhose und drang im Stehen von hinten in mich ein. Ich weiß nicht wie viele Leute uns gesehen haben, aber es war mir fürchterlich egal. Oder ein anderes Mal, als wir es ganz klassisch auf der Herrentoilette eines Clubs getrieben haben. Ich glaube, das ist die Zeit, an die man sich einmal erinnert wenn man alt ist. Das sind die Momente, die man niemals mehr vergisst.

Meine Zunge klebt mir am Gaumen und ich kämpfe mich vor zur Bar. Nachdem die Bekanntheit der Band doch etwas gestiegen ist, gibt es nun erfreulicherweise ein erweitertes Sortiment an Getränken, welches auch Cola Zero einschließt. Zufrieden umschließe ich den eiskalten Flaschenhals mit meinen Lippen und genieße das erfrischende Prickeln in meiner Kehle. Unwillkürlich driften meine Gedanken ab und ich frage mich, wo wir es nachher treiben werden. Da mittlerweile jeder weiß, dass wir zusammen gehören, bin ich vorhin auch kurz im Backstage Bereich gewesen. Er ist nicht sonderlich groß, aber es gibt eine Nische mit abgewetzten schwarzen Ledersofas. Bei der Vorstellung, wie meine Haut das kühle Leder berührt, während sein heißer Körper sich an mich presst spüre ich, dass ich bereits feucht werde. Ich bleibe am Rand stehen und erlaube meinen Gedanken abzudriften. Als die Musik langsam verklingt und der Leadsänger ans Mikrophon tritt werde ich aus meinen Tagträumen gerissen.

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