47. Kapitel

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In the middle of the night ~ You Belong With Me (Taylor Swift)

„Wir sollten zurück gehen“, schlug Benjamin vor und streckte die Hand aus. Erst wusste ich nicht was er meinte, doch dann reichte ich ihm meinen Dolch. Er nahm ihn mit einem Danke entgegen und steckte meins und seins in den Rucksack. Danach schulterte er ihn und wir machten uns auf den Weg zum Schloss. Schweigend liefen wir nebeneinander her. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.

„Du hast eine Ahnung, warum wir
wissen, wer der andere ist, oder? Warum?“, fragte ich. Er starrte weiter auf den Boden. Als ich schon dachte, es würde keine Antwort mehr kommen, sagte er: „Es gibt da so eine Möglichkeit.
Aber falls es so wäre, wäre es ein echt krasser Zufall. Und es wäre gefährlich. Sehr gefährlich. Und deswegen möchte ich erstmal herausfinden, ob es überhaupt stimmt, bevor ich es dir
verrate.“

„Und wie lange dauert das?“
Er zuckte mit den Schultern. „Kommt ganz darauf an.“
„Worauf?“
„Darauf, wie gut meine kriminellen Fähigkeiten sind.“
Ich starrte ihn an. Er wollte kriminell werden?!
„Keine Sorge, das ist nicht gefährlich, Emmi. Obwohl … Wenn mich meine
Eltern erwischen, dann schon“, meinte er.

„Warum? Fährst du wieder auf dem
Lebensmittelwagen mit?“, fragte ich, bevor ich realisierte, was ich da von mir gab. Jetzt hob Benjamin den Kopf. „Was?“
„Nichts“, sagte ich schnell. Zu schnell. „Du warst es!“, entfuhr es ihm.
„Was war ich?“, fragte ich unschuldig und sah überall hin, nur nicht zu ihm. „Vor ein paar Wochen warst du es, die auf dem LW, also dem Lebensmittelwagen, mitgefahren ist. Ich wusste doch, dass ich jemanden gesehen habe. Deine schwarzen Haare sind eine gute Tarnung, aber die
Mütze …“

Ich schwieg. Würde er mich jetzt feuern? Aber er brauchte mich doch, um Konzulesian zu retten. Was, wenn er es trotzdem tat? „Ich werde dich jetzt nicht feuern“, sagte er amüsiert. „Kannst du Gedanken lesen?“, fragte ich.
„Nein. Aber du hast geglinkt.“
„Was? Aber ich habe die Klappe doch gar nicht aufgemacht!“, sagte ich erschrocken.
„Manchmal passiert das auch ohne dein Zutun. Meistens, wenn man sich Sorgen macht.“
Hoffentlich würde mir das nie,
nie wieder vor Benjamin passieren, dachte ich. Die Klappe hatte ich längst wieder geschlossen.

☆☆☆

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Als ich die Augen öffnete war es dunkel. Was hatte mich aufgeweckt? Ich sah mich suchend um und entdeckte, dass die Tür nicht ganz zu war und Licht ins Zimmer drang. Anscheinend waren Marie oder Sophia auf dem Klo gewesen und hatten die Tür nicht richtig geschlossen. Na toll, das durfte ich jetzt wohl erledigen.

Müde quälte ich mich aus dem Bett und schob die Tür zu. Erst, als ich wieder im Bett lag fiel mir auf, wie dumm ich gewesen war, aufzustehen. Ich war eine verdammte Aniral. Ich konnte Türen schließen, ohne dass ich mich bewegen musste.

Mich selbst verfluchend schloss ich die Augen. In meinem Kopf war Aufruhr. Aus dem Nichts erschien ein Ohrwurm. If you could see that I’m the one who understands you. Been here all along, so why can’t you see, you belong with me? You belong with me. Ich stöhnte genervt
auf. Was machte denn jetzt dieses Lied in meinem Kopf? Ich mochte Taylor Swift, keine Frage, aber warum musste ich ausgerechnet jetzt an eines ihrer Lieder denken? Außerdem hatte ich plötzlich Durst. Was war denn los? Feierte mein Unterbewusstsein eine Party ohne mich, oder was?

Seufzend stand ich auf und trat auf den Flur. Hier herrschte Dämmerlicht. So leise wie möglich machte ich mich auf den Weg zum Badezimmer. Als ich gerade in den Gang einbiegen wollte, der mich dorthin führte, hörte ich ein Geräusch. Abrupt blieb ich stehen. Jetzt war es wieder still. Ich bewegte mich weiter in Richtung Bad. Da! Schon wieder! Ich erstarrte. Das Geräusch kam aus dem Gang hinter mir.

Langsam drehte ich mich um. Dort war niemand zu sehen. Obwohl mein Herz
heftig pochte und es mir nicht ganz geheuer war, schlich ich mich den Gang entlang, dem Geräusch entgegen. Am Ende des Ganges befand sich die Küche. Und die Tür stand einen Spalt breit offen. War heute Nacht der offenen Tür? Das war schon die zweite, die offen stand und hinter der Licht brannte.

Langsam ging ich auf sie zu. Was, wenn ich gleich einem Einbrecher gegenüber stand? Was, wenn Xenia das Gebiet auskundschaftete? Was, wenn sie mich hier und jetzt tötete? Hinter der Tür hörte ich Geklapper. Jemand hantierte mit Tellern oder Schüsseln. Was hatte das zu bedeuten? Mein Puls ging schneller als normalerweise und so leise und so langsam ich konnte, schob ich die Tür auf. Erst sah ich nichts, weil das Licht mich blendete, aber als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, blinzelte ich verwirrt.

„Enya?“ Das kleine Mädchen, das auf einem Stuhl gestanden hatte, drehte sich so abrupt um, dass sie ins Schwanken geriet. Geistesgegenwärtig lief ich auf sie zu und hielt sie an der Hüfte fest, so dass sie nicht herunterfiel. „Was machst du hier?“, fragte ich sie. Durfte ich sie überhaupt duzen? Durfte ich Benjamin duzen? Ich nahm es an, da sich nie jemand beschwert hatte und Marie und Sophia ihn auch nicht siezten, aber sicher war ich mir nicht. Enya schien es jedoch nicht zu stören.

„Backen“, erwiderte sie.
„Und was?“
„Schokoladenkuchen für Venia“, meinte sie stolz. Mitten in der Nacht? Alleine? „Komm da mal lieber runter“, riet ich ihr und deutete auf den Stuhl. Enya
nickte und stieg rückwärts von ihm ab.
„Hat Venia Geburtstag?“, erkundigte ich mich. Die Prinzessin schüttelte den Kopf und ihre braunen Haare flogen um sie herum. Wie ich hatte sie einen Schlafanzug an. Während meiner dunkelblau und schlicht war, waren auf ihrem alle möglichen knallbunten Vögel aufgezeichnet.

„Sie braucht eine Stärkung. Sie hat kein Haus mehr.“
„Ich weiß. Und jetzt backst du ihr einen Kuchen, um ihr Kraft zu geben?“ Sie nickte eifrig. „Hilfst du mir?“
Perplex sah ich sie an. Ich sollte mit ihr mitten in der Nacht einen Kuchen
backen?
„Kann ich machen.“ Wenn ich ihr nicht half, würde sie die Küche, oder noch
schlimmer, sich selbst abfackeln. Geschweige denn einen auch nur halbwegs genießbaren Kuchen
hinbekommen.

Jetzt strahlte sie und gab mir ein zerknittertes Blatt Papier, das hinter ihr auf der Anrichte gelegen hatte. Es war ein Rezept.
„Na, dann wollen wir mal.“

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