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Durch ein nervtötendes Geräusch werde ich wach und stelle fest, dass ich in einem Krankenhaus bin. Das Geräusch kommt von einem EKG, welches auf meiner Brust klebt. In meinem linken Arm steckt ein Zugang und mein rechter Arm ist verbunden. Wann ist das bitte passiert? Ich werde panischer und sehe, wie die Tür geöffnet wird. „Hallo Olivia. Mein Name ist Birgit Maas. Ich bin die Diensthabende Ärztin. Wie fühlst du dich?", fragt die etwas ältere Ärztin. Ich traue mich nicht zu antworten, sondern will einfach nur weg, weshalb ich mit aller Kraft die Decke wegschiebe und mich aufsetze. „Ich gehe jetzt.", sage ich mit fester stimme, doch sie schüttelt mit dem Kopf. „Das kann ich nicht zulassen. Du hattest einen Suizidversuch und hast viel Blut verloren. Du warst für einen Tag im Koma.", erklärt sie. Koma? Wie Mama? Sofort lasse ich mich wieder aufs Bett fallen, da ich merke, dass mein Kreislauf noch sehr schwach ist. „W-wo ist Phil?", frage ich schüchtern. Ich bin mir zwar sicher, dass er mich nie wieder sehen will, doch ein Versuch ist es wert. „Er steht vor der Tür, mit Paula. Dürfen sie rein?", fragt sie. Er ist wirklich hier? Mit Paula. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Auf ihre Frage hin nicke ich und ziehe mir die Decke wieder über den Körper. Die Ärztin verlässt den Raum und Phil und Paula kommen rein. „Hi Liv.", sagt er knapp. Ich kann sehen, dass sie geweint haben. Ihre Augen sind sehr rot und geschwollen. Schon wieder habe ich ihnen nur Kummer und sorgen bereitet. Was besseres kann ich ja auch gar nicht. „Hi.", begrüße ich die beiden und dann herrscht stille. Anscheinend weiß keiner, was er sagen soll. Plötzlich legt Phil mir einen Zettel auf den Schoß, den ich erstmal skeptisch betrachte und dann lese. „Was ist das?", frage ich, da ich den Inhalt nicht ganz verstehe. „Das ist ein Formular. Das kannst du ausfüllen, wenn du die Adoption abbrechen willst. Dann kommst du in eine neue Pflegefamilie. Ich dachte, dass du das vielleicht so möchtest.", antwortet er und legt mir einen Stift daneben. Diese Situation ist für mich mehr als schwierig. Ich will bei Phil sein und bei ihm leben aber ich habe Angst, dass es auf Dauer wieder schief geht und ich wieder alles zur Nichte mache. „Ich weiß nicht.", stammle ich und spiele mit dem Stift. „Du kannst dir Zeit lassen. Das Jugendamt braucht das Formular erst, wenn du das Krankenhaus verlässt. Also noch mindestens zwei Tage.", sagt er und geht weiter auf Abstand. Jetzt merke ich erst, dass mir seine Umarmungen und seine Wärme fehlt. Er war für mich da, als ich keinen mehr hatte und selbst als ich extrem scheisse zu ihm war. Kann man sich was besseres vorstellen?
„Nein Phil. Ich weiß nicht, ob ich das ausfüllen will, weil...", beginne ich und zögere dann. Ich schaue zwischen Paula und Phil hin und her und atme einmal tief durch. „Weil ich, glaube ich, bei dir sein will.", beende ich nun schließlich den Satz. Phil regt sich überhaupt nicht und schüttelt dann mit dem Kopf. „Und dann? Damit du uns weiter fertig machen kannst? Tut mir leid Liv aber selbst ich habe eine Toleranzgrenze und die ist nun erreicht. Nochmal mache ich das nicht mit.", sagt er und verschränkt die Arme. Es tut weh, ihn so kalt zu sehen, doch genauso war ich in der letzten Zeit zu denen. Kalt und distanziert. Ich nicke und verliere einige Tränen aber selbst das lässt ihn nicht wärmer werden. „Ich-ich...es tut mir leid. Alles. Ich kann verstehen, dass du mich nicht mehr bei dir haben willst. Ich fühle das Formular dann aus.", sage ich und lege mich hin. Phil seufzt und legt das Blatt dann auf den Tisch, neben mir. „Ihr müsst nicht hierbleiben. Ich werde das schon alleine schaffen.", sage ich traurig und wische mir die Tränen weg, doch es kommen immer mehr dazu. „Alles gute weiterhin.", sagt Phil und geht dann. Paula bleibt noch einige Zeit bei mir, selbst als die Tür schon zu ist. Erst da fang ich richtig an zu weinen. „Du Liv, es ist hart aber du kannst ihn doch verstehen oder?", fragt sie. Ich nicke traurig und lege mich dann auf die Seite. „Sag ihm bitte, dass ich ihn sehr lieb habe und er immer ein Teil meines Herzens bleibt.", antworte ich unter Tränen. Sie kommt zu mir und nickt dann. „Das mache ich.", sagt sie und verlässt dann den Raum. Warum war ich nur so blöd und habe mich so verhalten? Jetzt habe ich alles verloren. Den einzigen Menschen, der sich die letzte Zeit so gut um mich gekümmert hat, ist weg. Für immer und ich kann nichts tun. Oder vielleicht doch? Ich muss es versuchen.
Komplett erschöpft stehe ich aus dem Bett auf, reiße mir unabsichtlich den Zugang raus und trete in den Flur. Phil und Paula stehen beim Fahrstuhl und warten, dass sich die Türen öffnen. „Bitte geh nicht.", rufe ich und muss mich an dem Türrahmen festhalten. Er und Paula sehen sofort zu mir und kommen hergelaufen, weil sie das Blut an meinem Arm sehen. „Sie brauch einen Arzt.", sagt Phil, woraufhin Dr. Maas kommt. „Okay Birgit, du kümmerst dich drum? Noch einen schönen Dienst.", sagt er und geht wieder. „Nein Phil, bitte bleib bei mir.", heule ich nun rotz und Wasser. Mein ganzes Tshirt hat schon dunkle Flecken angenommen und mein Gesicht ist komplett rot. Er dreht sich nochmal zu mir um und hebt dann die Schultern. „Und dann?", fragt er verwirrt. „Man ich brauche dich.", sage ich und laufe auf ihm zu. Meine Armbeuge hat nun ein Verband und Dr. Maas steht hinter mir. „Bitte.", flehe ich ihn an und stehe nun direkt vor ihm. Wie gerne würde ich jetzt seine Arme um meinem Körper spüren. So wie noch vor einiger Zeit. „Ich hab dich lieb.", flüstere ich und lege einen Arm um ihn. Er sagt gar nichts und erwidert die Umarmung auch nicht. Er wartet sicherlich auf irgendwas, was ihn umstimmen lässt, dass ich das wirklich ernst meine. Deshalb löse ich mich von ihm und gehe zu Paula. Sie schaut mich ganz verwirrt an, denn mittlerweile stehe ich so nah vor ihr, dass sich unsere Zehenspitzen berühren. Ohne lang zu Fackeln lege ich beide Arme fest um sie und sage ihr, dass ich sie ebenfalls lieb habe. Es kostet mich zwar einige Überwindung aber das ist es mir wert. „Hast du sie gerade umarmt?", fragt Phil skeptisch, als ich mich wieder von ihr löse. „Ja habe ich und ich würde es immer wieder tun, weil...weil ich euch vertraue.", sage ich und nehme fest ihre Hand und mit der anderen greife ich nach Phil's.

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Man liest sich im nächsten Teil:)

Der Grund zum kämpfen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt