Einen Moment [Ereri/Riren]

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Ein lautes Brummen erfüllte die gesamte Halle und sorgte für einen kribbelnden Schauer auf meiner Haut. Es sagte an, dass nun das letzte Viertel anfing, was die Fans um mich herum in eine aufgeweckte und jubelnde Stimmung versetzte. Ich war zum ersten Mal bei einem seiner Spiele dabei, war dementsprechend sehr gespannt darauf, was passierte. Bisher führte sein Team, aber mit genug Anstrengung könnte das Gegnerteam es schaffen, sie einzuholen - was ich natürlich nicht für Erens Team hoffte. Er liebte Basketball, schwärmte fast jeden Tag davon, vor dem Training und danach auch. Als Teamkapitän sorgte er dafür, dass seine Kameraden immer alles gaben und trieb sie über ihre Grenzen.

Ich verstand noch nie viel von solchen Sportarten. Ich bevorzugte es, ins Gym zu gehen, weil ich mir dann aussuchen konnte, wie und was ich trainieren wollte. Wiederum muss es schön sein, bei einem Sieg mit den Teamkameraden zu feiern. Und wenn ihn das glücklich machte, warum nicht?

Ich saß hier auf der Tribüne und schaute gefesselt dabei zu, wie Eren mit dem Ball über den Platz raste. Er passte immer mal wieder den anderen zu, verschwand hinter den anderen Spielern und nahm - während diese beschäftigt waren, den Ball zu beobachten - diesen wieder entgegen, raste weiter. Mit weitgeöffneten Augen beobachtete ich das Geschehen, öffnete meinen Mund, um ihn anzufeuern.
Dieses siegessichere Grinsen auf seinen Lippen, die angespannten Muskeln, die schnellen Füße... Was konnte schon schiefgehen? Eren würde den letzten Punkt holen und sein Team einen Platz höher bringen, daran glaubte ich.

Der Braunhaarige sprang hoch in die Luft, so hoch, wie ich ihn noch nie springen gesehen habe. Das Publikum wurde still für einen Moment. Er hob seinen Arm hoch, den Ball festumgriffen, und wollte ihn versenken. Doch in genau diesem Moment kam einer aus dem Gegnerteam auf ihn zu und riss ihn aus der Luft auf den Boden. Es geschah so schnell, keiner wusste zuerst, was passiert war. Mein Jubeln verstummte und die Angst machte sich in mir breit. Ein erschreckender Knall rauschte uns entgegen. Als würd etwas zerbrechen. Während das Gemurmel losging und das Publikum sich nicht zu bewegen schien, lieber Fotos und Videos machte, kämpfte ich mir meinen Weg durch die Menge. In meinem Hals bildete sich ein schwerer Klos, der mich dauernd versuchen ließ, die aufkommenden Gefühle herunterzuschlucken. Doch vergebens.

Ich sprintete die Tribüne herunter, sah die Sanitäter an mir vorbeieilen und den Coach aus Erens Team. Wie gelähmt blieb ich stehen und versuchte zu verarbeiten, was ich sah. Eren war mit dem Rücken auf die untere Bank der Tribüne gefallen und hatte sich seinen Kopf angeschlagen, er war bewusstlos und unter ihm war eine Lache an Blut zu finden. Mein Atem ging nur stockend und ich fasste die Kraft näherzutreten. Ich sah nur wie die Sanitäter Eren auf eine Liege brachten und aus dem Gebäude zum Krankenwagen bewegten. Ich fing den Trainer ab, er erkannte mich sofort.

„Levi!", sprach er zu mir, hatte ebenfalls einen geschockten Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich packte ihn an den Schultern. „In welches Krankenhaus bringen sie ihn?", wollte ich wissen, sah ihn eindringlich an. Ich musste unbedingt zu ihm, musste mit den Ärzten sprechen. Ich war als sein Notfallkontakt eingetragen, weil seine Eltern im Ausland lebten. Ich musste zu ihm.
„Maria Rose Hospital", sagte er. „Danke", ich lief direkt zum Auto. Zu Erens Glück war das Krankenhaus nicht weit weg, weshalb ihm schnell geholfen werden konnte.

Als ich ankam, fragte ich am Empfang nach. Die Dame sagte, er wäre momentan im OP, weshalb ich nicht zu ihm konnte. Ich wartete also. Viele Stunden vergingen. In diesen Stunden informierte ich seine Eltern und seine engsten Freunde, die alle mindestens genauso geschockt waren wie ich. Seine Eltern würden erst morgen kommen, seine besten Freunde waren schon auf dem Weg.

„Herr Ackermann? Sie können zu ihm", hörte ich auf einmal die Stimme einer Krankenschwester. Ich richtete mich auf, verließ den Wartebereich und ließ mich von ihr zu seinem Zimmer führen.
Es war, als würde ich über eine Schwelle in eine andere Welt laufen, als ich ihn sah, tief schlafend. Die Schläuche in seinem Mund, die Kabel um ihn herum. Es schmerzte mich so sehr, ihn damit zu sehen. Ich schaffte es kaum, die Fassung zu bewahren. Ich setzte mich zu ihm und nahm seine Hand. Der Arzt kam herein. „Herr Ackermann, Sie sind der Notfallkontakt von Herrn Jäger. In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm?" – „Verlobter." Der Arzt nickte und notierte es sich in den Unterlagen. Es verging eine stille Minute, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte. „Nun... Wie Sie wissen, ist Ihr Verlobter bei dem Spiel auf den Rücken gefallen, auf die Stufen der Tribüne. Dies hat zu einer Quetschung des Rückenmarkts geführt, einer Paraparese. Dies sorgt dafür, dass Ihr Verlobter ab dem unteren Bereich seines Rückens eine inkomplette Querschnittslähmung erlitt. Es kann sein, dass er seine Beine noch spürt, aber nicht mehr bewegen kann, oder er hat gar kein Gefühl mehr, das müssen wir überprüfen, wenn er wieder bei Bewusstsein ist."

Einen Moment [Ereri/Riren OS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt