Schon seit einer Woche suchte ich nach dir. Ich hatte jeden Winkel der Stadt abgesucht. Jeden Ort, an dem wir uns damals immer zusammen aufhielten. Unsere geheimen Verstecke, weißt du noch? Dort, wo wir wussten, dass uns keiner finden würde. Die Orte, an denen wir unser wahres Ich nicht verstecken mussten.
Oft saß ich nach deinem Verschwinden hier und stellte mir vor, deine Hand zu halten. Deine weichen Haare durch meine Finger gleiten zu lassen und den blumigen Duft dabei tief in meinen Lungen aufzunehmen. Ich wusste, dass ich dich dort nicht finden würde, es verschlug mich dennoch immer wieder dorthin.
Du hattest mir damals immer in die Augen gesehen und gesagt, wie sehr du diese Stille hier liebtest. Du hattest diese Leidenschaft in dir. Ich spürte sie. Du interessiertest dich fürs Schweigen. All diese Worte, die du niemals sagtest, spürte ich. Auch wenn ich nicht viel von dir Erfahren konnte, konnte ich all dies in deiner Stille lesen. Du warst wie ein verschlossenes Buch, welchen Bann ich brechen konnte.
Es fühlte sich so gut an, bei dir zu sein.
Hattest du es auch gefühlt? Dieses Gefühl, mit mir verbunden zu sein? Ich fühlte mich komplett, immer wenn ich in deine Augen sah. All das, was ich in ihnen sehen konnte, gab mir ein Gefühl von Vertrauen und Zuneigung und Angst. Hattest du Angst? Wovor hattest du Angst? Ich wünschte, auch dies hättest du mit deiner Stille ausgedrückt. Vielleicht wäre dann noch ein Funken Hoffnung in mir, der daran glauben würde, bald wieder mit dir hier zu sitzen und in deine Augen zu schauen. Meine Finger sanft durch deine glatten Haare gleiten zu lassen. Deinen Duft für immer in meinen Lungen zu speichern. Doch ich wusste, dass du fort warst. Ich wusste, dass du aufgegeben hattest.
Niemand außer ich hatte nach dir gesucht. Es schien, als würde es auf dieser dunklen Welt nur dich und mich geben. Wir waren immer die, die in ihrer eigenen Welt lebten und diese zu einem besseren Ort gemacht hatten. Es war eine Art Flucht, vor der Realität zu fliehen, oder? Wir taten es aus purer Angst vor der Wahrheit, habe ich recht?
Nun, wo ich hier allein saß und auf das endlose Meer schaute, erschlichen sich immer mehr Vorwürfe einen Weg in meine endlos scheinenden Gedanken. Wieso hatte ich dieser Angst in deinen Augen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Wieso hatte ich in deinem hilflosen Blick nicht sehen können, wie sehr du mich brauchtest.
Ich hasse mich dafür. Ich hasste mein Schicksal.
Wie sehr ich deine Anwesenheit genoss.
Wie gerne ich meine Hände durch deine Haare gleiten lassen hab.
Wie sicher ich mich fühlte, wenn meine Hand in deiner lag.
Wie viel ich in deinen Augen entdecken konnte, als ich jedes Mal erneut in ihnen versank.
Wie wunderschön du warst.
Wie schnell mein Herz pochte, als ich meinen Kopf immer wieder auf deine weiche Schulter legte.
Wie sehr ich deine Stille liebte.
Wie sehr ich dich liebte.
Und, dass ich immer an diesem Ort auf dich warten würde.
Hätte ich nur reden können, dann hätte ich dir all diese Dinge sagen können.
Doch du wusstest es nicht. Wie auch? Wie hättest du wissen können, dass ich mein Gehör verloren hatte. Dass ich deine Stille so gut lesen konnte, weil ich wusste, wie sich die Stille anfühlte. Ich hätte dir diesen Brief früher schreiben sollen. Ich hätte dir zeigen sollen, dass ich ohne dich in dieser Welt keinen Halt finde.
Jene Nacht, in der ich dir den Zettel übergab, war das letzte Mal, dass ich dich gesehen hatte. Hätte ich dich in dieser Nacht nicht gehen lassen, hätte ich deinen Worten mehr Bedeutung geschenkt, wärst du dann noch bei mir?
Auf all meine Fragen werde ich niemals mehr eine Antwort kriegen.
Ich danke dir für die Zeit, die ich mit dir teilen durfte. Für all die Momente, in denen du mich vollkommen und schwerelos fühlen lassen hast. Dafür, dass du mir all meinen Schmerz genommen hattest.
Danke.
Ich liebe dich und werde auch niemals damit aufhören.
In liebe, dein Taehyung.
-
Ich legte den Stift nieder und schaute auf meine geschriebenen Worte. Auf die Worte, die ich ihm niemals sagen konnte.
Ich warf einen letzten Blick drauf, bis ich die Zettel sorgsam faltete, in einen leeren Umschlag legte und diesen verschloss.
Ich schaute hoch und blickte auf einen großen, glatt geformten Stein, welcher von einer schönen Schrift geziert war. Hinter ihm, das endlose Meer.
Ich wusste, dass es kein Ausweg mehr gab. Mein Herz zog sich so sehr zusammen, dass es mir schwer viel, an Luft zu kommen. Auch die Tränen, die ich so lange in mir hielt, lies ich nun endlich gehen. Ich habe den Überblick darüber verloren, wie oft ich hier an dieser Stelle stand und wie lange ich auf diesen makellosen Stein starrte.
Ich hatte alles verloren.
Meine Hand umgriff den Umschlag fester, als würde ich halt an diesem suchen. Ich schaute hinunter zu ihm und in einer fließenden Bewegung wieder hoch zum Stein. Mein Griff lockerte sich. Ich kniete mich langsam nieder, ohne meinen Blick abzuwenden. Aufgrund der vielen Tränen war meine Sicht verschwommen. Meine Atmung verschnellerte sich von Sekunde zu Sekunde mehr und ich fühlte mich, als würde mein Herz jeden Moment in tausend Teile zerspringen. Meine Hand hob sich wie von selbst, um den Brief direkt vor den schönen Stein zu legen.
Je länger ich hier stand, desto mehr realisierte ich die Wahrheit. Desto mehr realisierte ich, dass alles was mir wichtig war, nun fort ist. Ich erhob mich, schaute hinauf in den von Sternen verzierten Nachthimmel und versuchte all diesen Schmerz aus meiner Seele zu schreien, doch kein Ton verlies meine Kehle.
Ich ließ den Kopf wieder fallen, wobei meine Haare meine komplette Sicht versperrten. Meine Tränen vielen auf die trockene Wiese, während ich mich wegdrehte. Ich wollte nicht gehen, aber wenn ich noch länger geblieben wäre, wäre ich endgültig zerbrochen. Meine Füße begannen, mich vom Geschehnis fortzutragen. Fort in die Dunkelheit.
Ein letztes Mal schaute ich zurück zum makellosen Stein, bis ich sein Grab verlies.
Es tat so verdammt weh, Jungkook.
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stille OS; j.jk k.th
Fanfiction,,Jungkook, fühlst du das auch?", schrieb ich auf einen zerknüllten Zettel. Ich hielt ihn meinem Gegenüber hin, welcher diesen nur ungern annahm. Seine Augen landeten auf der kleinen Notiz und ich konnte erkennen, wie er jedes Wort, Buchstabe für B...