Diebe

Oneshot

Ich stehe im Laden und glotze das Kleid an. Genauso wie gestern. Und vorgestern. Und vorvorgestern. Es ist unglaublich schön, und leider auch unglaublich teuer. Im Kinderheim kriegen wir kaum Taschengeld, bis ich mir das zusammen gespart habe, verkaufen die das bestimmt nicht mehr. Ich seufze niedergeschlagen. "Wieso klaust du es nicht einfach?" denke ich mir. Sonst bin ich eigentlich mega korrekt und halte mich an alle Regeln, aber was bleibt mir denn anderes übrig? Bevor mein Verstand noch anfängt zu protestieren, schnappe ich mir das Kleid und renne auf den Ausgang zu. Ich bin immer noch so geflasht von dem, was ich hier gerade tue, dass ich erst bemerke, dass mir jemand im Weg steht, als ich gegen ihn knalle. Erschrocken reiße ich die Augen auf, halte den Blick aber gesenkt, aus Angst, es könnte ein Security-Mann sein. Obwohl, tragen Security-Leute leuchtend rote Nikes? Langsam hebe ich den Kopf und schaue direkt in zwei wunderschöne, strahlend blaue Augen. "Alles ok?" fragt mich die dazugehörige Stimme. Ich starre ihn einfach nur an. Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Er hebt mein "Diebesgut" auf, das ich fallengelassen habe, und betrachtet es. "Wolltest du das gerade klauen?" Ich werde rot und nicke. "Es ist so wunderschön, und im Heim bekommen wir so gut wie kein Taschengeld, und..." "Und da klaust du es einfach?" unterbricht er mich. "Du könntest dir doch einfach einen Minijob oder sowas suchen." Beschämt blicke ich zu Boden. Der Typ hat ja recht. "Hast du es schon mal anprobiert?" Vom plötzlichen Themenwechsel überrascht schaue ich ihn an und schüttel den Kopf. "Na dann komm!" sagt er und zieht mich am Handgelenk Richtung Umkleide. Wie befohlen schlüpfe ich voller Vorfreude ins Kleid, doch als ich mich im Spiegel betrachte, bin ich ziemlich enttäuscht. Am Bügel sah es so toll aus, aber an mir? Definitiv nicht. Also ziehe ich es wieder aus und trete aus der Kabine. Der Typ sieht mich fragend an. "War nix", sage ich niedergeschlagen. Er grinst. "Na ja, immerhin hast du jetzt was fürs Leben gelernt. Bevor man was klaut, sollte man es immer erst anprobieren!" Zusammen verlassen wir das Geschäft. Als wir draußen stehen, fragt er :"Wie heißt du eigentlich?" "Bianca. Und du?" Doch statt einer Antwort lächelt er nur und sagt :"Sorry, aber ich muss jetzt weg. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, Bianca." Mit diesen Worten dreht er sich um und geht einfach. Und wie er da so lang läuft, fällt mir schlagartig wieder ein, woher ich ihn kenne. "Jan!" schreie ich. "Jan Meyer von ApeCrime!" Aber er hört mich nicht. Er geht einfach weiter und lässt mich hier, in der Kölner Innenstadt, stehen.