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Meine Zofe band mir das Kleid zu, woraufhin ich mich dem Spiegel zu drehte. Ich war wunderschön. Meine blonden Haare fielen gelockt. Mein Kleid schmeichelte meiner Figur. Es war aus Grüntönen, geschmückt mit Gold. Auf dem Kleid waren weiße Lilien abgebildet. Ein Symbol der Reinheit, wie man mir erklärt hatte. Das Korsett presste meine Wunde zusammen und hielt das Blut vom Fließen ab. Es war keine besonders große Wunde. Sie würde schnell wieder heilen, doch die Schmerzen nagten dennoch an mir.

„Es ist jetzt so weit.", erklärte die Zofe mir.

Meine Krönung. Ein Tag von dem ich bis vor kurzem nicht erwartet hätte, dass er kommen würde. Sicheren Schrittes lief ich durch die Tür und augenblicklich hafteten sich hunderte Blicke auf mir. Alle Bediensteten und Adelige waren gekommen, zudem noch einige Schaulustige, die sich hereinschleichen konnten. Die Blicke machten mir nichts aus. Ich war wunderschön und mächtig. Niemand würde es wagen, etwas gegen mich zu sagen. Und wieso sollten sie auch?

Ich schritt auf den Thron, am Ende der Halle, zu. Daneben standen ein Priester und Luka. Für den Glauben hatte ich nicht viel übrig. Schon als Kind war mir so etwas ausgetrieben worden. „Der Glauben ist etwas für die Schwachen. Die Schwachen brauchen Vertrauen in etwas Größeres, doch die Starken brauchen nur das Vertrauen in sich selbst.", hatte meine Mutter oft gesagt. Ich hatte ihr nie widersprochen und auch nie daran gedacht, dass sie sich täuschen könnte.

Bei ihnen angekommen drehte ich mich zu den Zuschauern um. Sie alle musterten mich interessiert. Es waren Männer, Frauen und Kinder da. Einige der Kinder hatten ihren Mund vor Erstaunen aufgerissen. Ich ließ meinen Blick durch die Reihen gleiten.

Die meisten von ihnen hatte ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Die Menschen sahen für mich alle gleich aus. Dieselben Gesichter. Dieselben Figuren. Sie alle waren nichts weiter als eine Masse an Fleisch. Doch dann blieb mein Blick an jemanden hängen, der nicht hier sein konnte.

Das kleine Mädchen aus meinen Albträumen. Nur dass sie kein kleines Mädchen mehr war. Sie war eine erwachsene Frau. Sie starrte mich direkt an und unser Blick traf sich. Wir blickten einander tief in die Augen und erkannten uns.

Das war nicht möglich. Ich hielt den Atem an und spürte ein merkwürdiges Gefühl in der Brust. Alles zog sich zusammen.

Ich blinzelte und als ich meine Augen wieder aufschlug war sie noch immer da.

Ich drehte mich zu dem Priester und Luka um. Sie flüsterten miteinander.

Das Geräusch der Kirchenglocken erfüllte den Raum und die Gäste setzten sich auf die Bänke an den Seiten des Ganges. Als ich mich der Frau wieder zudrehte war sie verschwunden.

Ich konnte mich nicht auf die Zeremonie konzentrieren und blickte immer wieder durch die Reihen, in der Hoffnung sie doch noch irgendwo zu erblicken. Doch ich sah sie nicht mehr.

Dies sollte der schönste Tag in meinem Leben sein, doch ich konnte mich nur auf die Suche nach ihr konzentrieren. Sie zu sehen, brachte mich vollkommen aus dem Konzept. Also wenn es tatsächlich sie war und nicht nur ein Streich, den mir mein Kopf spielte.

Ich saß in meinem Zimmer an dem runden Fenster und genoss die kalte Nachtluft. Sie ließ mich wieder klar denken. Ich genoss die leichte Gänsehaut auf meiner Haut und die nächtliche Atmosphäre. Ich konnte endlich meine Gedanken sortieren.

Es war nicht möglich, dass sie es gewesen war. Sie war tot. Ich war vor lauter Stress in letzter Zeit verwirrt gewesen. Ich musste mich auf die Zukunft konzentrieren.

Draußen wehte der kalte Nachthauch durch die Bäume und ließ sie beruhigend tanzen. In der Mitte des Gartens stand ein kleiner Springbrunnen, der trotz der Dunkelheit noch immer, von dem Mondlicht beschienen, glitzerte. Meine Kehle fühlte sich auf einmal wie ausgetrocknet an und ich stand auf.

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