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Mich umgab der Geruch von frisch gewaschenem Seidenbettbezug. Ich spürte keinen Schmerz. Keine Last. Ich fühlte mich, als würde ich schweben. Und tatsächlich konnte ich nicht sagen, wo oben und unten war. Ein so freies Gefühl, dass ich lachen musste. „Riza, gut dass du wach bist." Ich schlug die Augen auf und wurde von einem grellen, gelben Licht geblendet. Mir stiegen Tränen in die Augen. All meine Euphorie war geschwunden. Ich war nicht tot. Ich spürte wie sich der gesamte Druck, den ich dachte, losgeworden zu sein, wieder an mich klammerte und es für mich unmöglich machte mich aus seiner Umarmung zu befreien. Mikon sah mich besorgt an. Ich wusste, dass er sich tatsächlich Sorgen um mich machte. Er war wohl neben Nimue der Einzige, der noch auf meiner Seite war. Es wäre dumm von mir anzunehmen, dass meine Leute noch hinter mir standen. Auch wenn ich mein Bestes gegeben hatte, so flossen doch Geschichten über mich durchs ganze Land. Ich war mir sicher, dass bereits geplant wurde mich zu stürzen. Doch ich würde ihnen keine Chance dazu geben. Bis zu meinem Tod würde ich nicht zulassen, dass dem Haus Tarys die Macht genommen wird. „Ich muss dich etwas fragen. Du bist doch froh, dass du am Leben bist, oder?" Mikon blickte mich hoffnungsvoll an. Worauf wollte er hinaus. Vorsichtig nickte ich. „Gut. Du hast uns nämlich allen einen Schrecken eingejagt." Er versuchte es zu lächeln, doch man konnte sehen, dass er es nur erzwang. „Riza, du weißt ich will nur dein Bestes. Aber was du getan hast, kann nicht so einfach vergessen werden. Deshalb muss ich das Jetzt tun." Er stand auf und blickte mich entschuldigend an. Er lief rückwärts auf die Tür zu. Ich konnte mir immer noch kein Bild machen von dem, was er vorhatte. Als er das Zimmer verließ, konnte ich das Geräusch des Schlüssels hören, der im Schloss umgedreht wurde. Ich versuchte etwas zu sagen, doch es wollte kein Ton meine Kehle verlassen. Trotzdem spürte ich einen schrecklichen Schmerz. Ich krümmte mich zusammen. Mit all meiner Kraft stand ich auf und lief auf die Tür zu. An der Tür angekommen klopfte ich immer wieder mit all meinem Gewicht gegen die Tür. „Bitte verzeih mir.", konnte ich von der anderen Seite der Tür aushören. Dann Schritte, die sich entfernten. Ich versuchte es immer wieder. Ich schmiss mich gegen die Tür und begann zu weinen. Zu weinen, wie ich wohl noch nie in meinem Leben geweint hatte. Wie ich nur wünschte, dass Nimue jetzt bei mir war. Oder Luther. Oder meine Eltern. Doch ich war allein. In meiner Verzweiflung rutschte ich an der Tür zu Boden und weinte und weinte. Ich wollte nicht mehr allein sein.

Ich war nun bereits mehrere Tage in dem Zimmer und auch wenn ich genug zu Essen bekam und auch Mikon mich besuchen kam war das die einsamste Zeit meines Lebens. Doch eines Nachts besuchte sie mich. Ich war noch am Weben, als sie vorsichtig die Tür aufsperrte. Ich konnte es kaum erwarten sie zu sehen. Irgendwie wusste ich, dass sie es war, bevor sie durch die Tür kam. Und dann stand sie da. All die schrecklichen Stunden waren in der Sekunde vergessen. Sie setzte sich neben mich auf das Bett. „Nimue. Nimue was soll ich nur tun?" Meine Tränen flossen mir ungehindert über die Wangen und Nimue blickte mich tröstend an. „Keine Sorge. Ich bin da." Ich musste lächeln und war voller Freude. Ich war nicht allein. Nein Nimue würde für immer bei mir sein. Ich würde nie wieder allein sein müssen. „Hör mir zu. Du musst hier heraus. Du kannst schreiben. Du bist die Königin, niemand kann sich gegen dich stellen. Du musst es nur befehlen. Und dann musst du Mikon fortschicken." Erschrocken blickte ich auf. Wieso denn? Mikon war auf unserer Seite. „Er hat dich hintergangen. Nur wegen ihm sitzt du hier fest. Du kannst dich nicht mehr auf ihn verlassen." Sie hatte Recht. Solange jemand solch eine Macht über mich hatte, konnte ich nicht in mein Schicksal hineinwachsen.

Nimue blieb noch einige Stunden. Wir unterhielten uns und irgendwann schlief ich ein. Als ich wieder erwachte war sie weg. Doch ich wusste was zu tun war. Also riss ich ein leeres Blatt aus meinem Buch, suchte in allen Schubladen nach einem Federhalter mit Tinte. Ich brauchte einige Stunden, um ihn zu finden und machte schon Pläne, was ich hätte tun sollen, hätte ich keine gefunden. Einer beinhaltete, dass ich mein Blut nutzte und die Botschaft mittels meiner Fingernägel oder Fingern auf Papier brachte. Doch ich fand einen Füllfederhalter und auch ein Fläschchen Tinte und so begann ich aufzuschreiben. Es war eine Erlösung endlich die Möglichkeit zu haben mich mitzuteilen. Später, wo mir das Essen gebracht wurde, steckte ich den Zettel auf das Tablett und gab es wieder zurück. Keine zwanzig Minuten später war ich wieder frei. Es bescherte mir eine Genugtuung, als ich zusah wie Mikon gezwungen wurde zu gehen. Ich mochte ihn, doch Nimue hatte Recht, er stand mir im Weg. Nimue stand die Ganze Zeit an meiner Seite. Sie war die Einzige, die ich brauchte. Mit ihr konnte ich meinem Schicksal gerecht werden. Luka half mir alles so weit vorzubereiten. Unser Plan sah vor zuerst die Stadt Cailleadh einzunehmen und danach weiter nach Ear zu gehen. Das gesamte Gebiet gehörte der Familie Light und durch den Kampf mit unserer Familie war die Armee wohl im Moment stark geschwächt und damit angreifbar. Nach einigen Wochen Planung zogen wir los. Mir folgten mehr als 3000 Mann und ich hatte es im Blut, dass dies mein letzter Kampf sein würde.

Ich blickte von einem Felsvorsprung aus auf Cailleadh. Die Stadt war in dem Markriottal erbaut worden und war nicht besonders groß. Doch als Kriegsankündigung würde es wohl genügen. Bevor die Männer losstürmten, bat mich Nimue um etwas Seltsames. „Riza, schrei. Schrei all deinen Schmerz in die Welt hinaus." Ich war von ihren Worten verwirrt. Ich hatte schließlich keine Stimme mehr. Doch wie so oft zuvor entschied ich mich ihr einfach zu vertrauen. Und so tat ich um was sie mich bat. Ich erwartete, dass nichts passierte, denn schließlich hatte ich schon des Öfteren versucht meine Stimme wieder zu verwenden. Doch was geschah war unglaublich. Ein ohrenbetäubender Schrei ließ auch die Männer neben mir vor Schmerz aufschreien. Doch das war nicht das Unglaublichste. Nein. Wie bei einem unglaublich starken Wind wurde die Stadt einfach weggeweht. Wobei weggeweht wohl etwas zu sanft wäre. Es mit anzusehen war grässlich, doch verlieh mir das Wissen über meine neue Gabe ein solches Hochgefühl, dass mir die Leben, die ich zuvor ausgelöscht hatte, ganz kleinlich vorkamen. Ich würde gewinnen. Das wusste ich nun. 

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