Kapitel 8

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Als wir im Erdgeschoss im Esszimmer ankamen, nahmen wir uns ein Tablett und stellten uns an der Frühstücksbar an. Eigentlich habe ich ja gar keinen so großen Hunger, weil ich schon im Krankenhaus was hatte. Ich nahm mir trotzdem ein Brot mit Frischkäse und Gurken. Wir setzen uns an einen noch freien Tisch und fingen an zu essen.
"Wie lange bist du schon hier?" traute ich mich dann doch zu fragen.
"Seid vorgestern" antwortete sie mit noch halbvollem Mund.
"Oh achso"
Ich schaute mich etwas um und sah einen Tisch wo nur Erwachsene saßen, auch Daniel und die Frau vom Empfang waren dort. "Sind das die ganzen Erzieher hier?" fragte ich.
"Ja.." sagte Seline und wendete ihren Blick von mir ab.
Irgendetwas schien sie zu beunruhigen.
"Magst du die nicht?"
"Eine mag ich sehr, aber einen mag ich gar nicht"
"Wen magst du denn nicht?", fragte ich in der Hoffnung, sie würde es mir sagen.
"Darf ich nicht sagen", sagte sie, während sie auf ihren mittlerweile leeren Teller schaute.
Oh nein, das ist kein gutes Zeichen. Hoffentlich hat ihr niemand was angetan.
"Es wäre echt wichtig, wenn du mir das sagst, weißt du, ich möchte dir nur helfen" versuchte ich zu erklären.
Es bildeten sich Tränen in Selines Augen. Sie stand ruckartig auf und nahm ihr Tablett mit.
"Seline, bitte warte, es tut mir-"
Ehe ich es aussprechen konnte, war sie schon weg.
Ich atmete tief ein und wieder aus und schaute ihr hinterher. Eine der Erzieherinnen hatte es wohl bemerkt und tröstete sie. Ich sah Seline weggehen und die Erzieherin kam in meine Richtung.
"Hey, mach dir keine Sorgen wegen ihr, sie ist einfach sehr empfindlich und nimmt alles zu sehr zu Herzen" sagte die Erzieherin, während sie sich zu mir an den Tisch setzte.
"Achso, eh, kein Problem" sagte ich etwas nervös.
"Du bist ihre Zimmernachberin oder?"
"Ja"
"Kannst du vielleicht ein bisschen auf sie aufpassen? Ich möchte nicht das sie sich noch mehr Kummer bereitet, als sie eh schon tut"
"Klar, kann ich machen" sagte ich.
"Und wie geht es dir hier so?", fragte mich die Erzieherin mit einem einfühlsamen Blick.
"Eh gut, denke ich", antwortete ich mit einem aufgesetzen Lächeln.
"Ach echt, das freut mich sehr. Weißt du, wenn du irgendwelche Probleme hast oder so, kannst du dich immer bei mir melden"
"Mach ich, danke"
"Supi, wir sehen uns"
Sie stand auf und ging wieder zum Erziehertisch. Puh, zum Glück hat sie nichts bemerkt. Aber irgendwas ist da faul mit Seline und vorallem den Erziehern stimmt was nicht. Da erinnerte ich mich an Daniel. Er war sehr arrogant und sah viel zu gut aus um in einem Waisenhaus zu arbeiten, ohne das böse zu meine. Es ist eigenartig.
Ich nahm schließlich auch mein Tablett und ging danach wieder auf mein Zimmer. Unser Zimmer befand sich in der 1. Etage etwas weiter hinten des Flurs. Als ich die Tür öffnete, sah ich Seline wie sie auf ihrem Bett saß und lieste.
"Nah was liest du denn da schönes?" fragte ich, um vom vorherigen Geschehniss abzulenken.
"Oh das ist mein Lieblingsbuch, dass hat meine Mama mir immer vorgelesen vor dem einschlafen. Da geht es um eine Elfe, die in einem Zauberwald wohnt, ist mega cool!" antwortete sie mit funkelnden Augen.
Sie scheint das Buch wirklich zu lieben.
"Wow, das klingt aber wirklich spannend! Magst du es mir vielleicht vorlesen?"
"Kann ich gerne machen. Du kannst aber bestimmt besser lesen als ich"
"Ach das macht doch nichts, ich konnte in deinem Alter auch noch nicht so super lesen, wie jetzt" sagte ich mit einem Lächeln im Gesicht. Tatsächlich dachte ich in dem Moment kein bisschen an meine Mutter oder mein altes Zuhause. Es war wie eine Wundermedizin für mich, obwohl ich eigentlich die Medizin für Seline sein wollte.
Wir laßen uns letztendlich mehrmals gegenseitig die Geschichte vor und verbrachten den Rest des Tages gemeinsam im Zimmer.
Als es Abend wurde hörten wir plötzlich ein Klopfen an der Tür.
"Zimmerkontrolle" hörten wir es nuscheln.
Die Tür ging auf und die Erzieherin vom Frühstück war reingekommen.
"Nah ihr zwei Süßen, habt euch aber schnell angefreundet" sagte sie mit einem Lächeln, während wir es uns beide in Selines Bett gemütlich gemacht hatten.
"Du kannst mich übrigens Patricia nennen, Lisa. Das hatte ich ganz vergessen dir zu sagen.
Ab 22 Uhr ist Bettruhe, das weiß Seline auch schon, also nicht mehr so laut sein, ja?"
Wir beide nickten zustimmend.
"Gut, dann mal gute Nacht und schlaft schön!"
Sie schloss die Tür wieder zu und man hörte wie sie zur nächsten Tür ging.
"Werden hier alle mit den Vornamen angesprochen?" fragte ich Seline etwas verwundert, denn auch Daniel sagte mir nur seinen Vornamen.
"Ja, das ist normal hier" antwortete sie.
"Hm, achso"
Wir kuschelten uns noch ein bisschen tiefer unter die Decke.
"Ist es ok, wenn ich bei dir im Bett schlafe?" fragte ich Seline, in der Hoffnung, sie würde ja sagen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich lieber bei ihr bleiben sollte.
"Jaaaa!" sagte sie schon fast zu laut für die Uhrzeit.
"Nah gut, nah gut, ich bleib ja schon hier" lächelte ich.

Ich Bereue EsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt