CHAPTER 8

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Das Klicken der Haustür, das Geknister und gedämpfte Laute, rüttelten mich um — wie ich auf dem Wecker erkannte — drei Uhr morgens wach. Ich hatte gerade mal zwei Stunden geschlafen.

In meiner trockenen Kehle blieb ein Stöhnen hängen, das zu nichts als einem Schnauben reduziert wurde. Es war nicht das erste Mal, dass Junghee so spät nach Hause kam.

Ich stand schon in der Diele, bereit sie zu belehren, so gut das in Pyjamahosen ging. Da fiel mir das Zittern in ihrem Körper auf. Sie stand mit dem Rücken zu mir. Zusammengekauert. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als ein Schluchzen sie durchrüttelte.

»Junghee-yah?«

Als hätte ich ein Reh verschreckt, riss sie ihren Kopf herum. Ihr schwarzes Haar hing wie ein schwarzer Teppich um ihr rotes Gesicht. Sie wischte sich hastig die Tränen weg, verschmierte dabei aber ihre Mascara. Meine Augen fielen auf ihre Handgelenke. Das bemerkte sie auch, denn sie zog die Ärmel ihres Pullovers zurück an ihre Stelle.

Aber es war zu spät. In drei Schritten war ich bei ihr, packte sie am Arm und riss den Stoff zurück. Mir wurde schlecht. Ich sah rote, raue Abdrücke von Fesseln, Fingerabdrücke um ihren Hals, an ihrer entblößten Taille, Bissspuren.

»Junghee-«

»Lass mich in Ruhe«, keifte sie und entriss sich meinem Griff, der sich unter Schock gelockert hatte. Ich konnte ihr nur nachsehen, als sie in ihr Zimmer stürmte und die Tür zuschlug.

Mein Rücken kam in Kontakt mit der kalten Metalltür. Von Schock, über Trauer bis hin zu Wut, vergingen lediglich Minuten. Wer hat ihr das angetan? Wer war der Mistkerl? Wie brachte man jemanden so sauber wie möglich um?

Als ich an ihrer Tür klopfte, antwortete mir niemand. Sie hatte abgeschlossen. Ich nahm es ihr nicht übel. Die Sicherheit eines Schlosses war etwas, was wir nicht immer hatten.

Am nächsten Morgen stand ich stur und starr in der Küche, aber ich brauchte mich nur einen Moment wegzudrehen, da war sie an mir vorbeigehuscht.

»Kook, alles gut?«, fragte Taehyung. Ich blinzelte und wusste nicht, wie lange ich jetzt auf die Box Schokoriegel in meinen Händen gestarrt habe. Es waren Junghees liebsten. Aß sie denn genug? Sie war so schrecklich schmal geworden.

»Ja.« Nein.

Taehyungs Augenbraue schoss hoch. Er verdächtigte mich. Ich verbarg nichts vor ihm, nicht nachdem er mich an meinen tiefsten Punkten erlebt und aufgefangen hatte. Aber das hier war anders. Es ging nicht um mich. Es ging um meine kleine Schwester.

Und ich wollte kein Wort darüber sagen, solange mein vaporisierter Kopf nicht wieder auf meinen Schultern saß. Mein Verstand ist implodiert. Am liebsten würde ich auf alles einschlagen, was in meiner Reichweite war. Wie konnte ich mich überhaupt ihren großen Bruder nennen?

»-Namjoon gestern wieder im Club gesehen. Der treibt sich ganz schön oft da in letzter Zeit herum, seit dem du ihm fast eine reingehauen hast.«

Nachdenklich schob ich die Box ins Regal. Namjoon war lange nicht der erste in einer Reihe an üblen Kerlen, mit denen sich Junghee abgegeben hatte. Aber der einzige, den ich von ihnen je zu Gesicht bekommen habe. Würde er etwas wissen? Wer ihr das antat? Wer hätte gedacht, dass gerade er meine letzte Hoffnung war.

»Hey, Tae, hast du Lust, heute auszugehen?«

Der Dunkelhaarige riss seinen Kopf prompt herum und glotzte mich an, als hätte ich ihm gesagt, ich wolle mit ihm schlafen. Natürlich war es willkommen, aber solche Worte stammten unmöglich aus meinem Mund.

Seine Hand lag flach auf meiner Stirn.

»Jetzt weiß ich, dass definitiv etwas nicht stimmt. Bist du krank? Hast du Krebs? Ist es das?«

BROOKLYN BOY | 𝑗𝑖𝑘𝑜𝑜𝑘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt