„Was sitzt du denn hier so mit Hängekopf, meene Lütte?" Thomas ließ sich neben Ina auf das Sofa plumpsen. Sie zuckte mit den Schultern. Was sollte sie schon sagen? Dass sie wie eine Psychopathin in das Kaminfeuer gestarrt hatte, weil sie seinen Sohn wie Hölle vermisste und sich Sorgen um ihn machte. Vielleicht lag er irgendwo verletzt und hilflos. Es hatte doch keiner eine Ahnung, wo er sich überhaupt aufhielt. Seine Firmenkreditkarte hatte er jedenfalls nirgends eingesetzt. Und die Tatsache, dass Luca ihn damals als Anhalter kennengelernt hatte, war auch nicht wirklich beruhigend. Nein, eher im Gegenteil, denn es war mehr als wahrscheinlich, dass Linus wieder als Anhalter unterwegs war. Also kein Wunder, dass Ina befürchtete, dass er vielleicht irgendwo verletzt, hilflos und ausgeraubt herumlag und sie brauchte. Aber wie sollte sie ihm helfen, wenn sie nicht einmal wusste, wo er war? „Du vermisst Linus. Das ist mir schon klar." Thomas legte ihr seinen Arm um die Schulter. Das fühlte sich irgendwie tröstlich an. Was hätte sie dafür gegeben, wenn ihr Vater früher nur einmal so gewesen wäre. Ina spürte wie es an ihrem Nasenrücken kribbelte. Na toll! Jetzt wurde sie auch noch sentimental. Das war bestimmt der Tatsache geschuldet, dass heute Silvester war. So ein Blödsinn! Dann hatte dieses komische Jahr wenigstens endlich ein Ende und es gab einen Neuanfang. Vielleicht würde das neue Jahr ja etwas ruhiger. Das letzte war einfach ein Auf und Ab zwischen positiven und traurigen Ereignissen gewesen. Davon hatte Ina definitiv erst einmal genug. Ihr würde schon ein schönes Ereignis, wie die Geburt ihres kleinen Geschwisterchens reichen. Ihr Blick ging zu ihrer Mutter, die gerade mit ihrem kleinen Kullerbauch durch die Tür marschiert kam. Ihr folgte Luca.„Glaub mir, er wird dich genauso vermissen wie du ihn. Und ich bin mir sicher, dass er auch bald wieder auftaucht. Das war damals auch so. Er weiß doch, wo er uns findet." Ina nickte, auch wenn sie nicht so überzeugt davon wie Thomas war. Aber was sollte sie sonst machen? Ändern würde es sowieso nichts. „Inibini, wir haben voll die coolen Raketen gekauft." Natascha kam auch in den Raum gesprintet. „Opa Leon bereitet sie alle vor und Carmen, Ben und ich dürfen sie dann zünden. Das wird episch!" So aufgedreht wie Natascha war, bezweifelte Ina, dass ihre Schwester überhaupt den Zünder traf. „Ja, und jetzt musst du mir erst einmal helfen die Deko anzubringen." Astrid war mit einer Tüte aufgetaucht und zog das erste Pakete Luftschlangen heraus und wedelte damit vor Natascha herum. „Außerdem müssen wir nachher noch die Knallbonbons und das Wachsgießen vorbereiten." Auch Alex war mit einer ähnlichen Tüte aufgetaucht und grinste breit. „Knallbonbons und Wachsgießen?" Natascha schaute fragend. „Ja klar, sonst ist das doch kein richtiges Silvester." Okay, dann hatte Ina und ihre Schwester wohl noch nie richtig Silvester gefeiert. Sie musste an das letzte denken und ihr Blick wanderte zu ihrer Mutter. Ja, das letzte Silvester hatten sie zusammen gefeiert, ohne zu wissen, dass sie Mutter und Tochter waren. Ehrlich gesagt hatten sie beide sich überhaupt nicht gemocht. Glücklicherweise war das jetzt völlig anders. Man war Ina damals sauer gewesen als Linus einfach zugesagt hatte, dass sie bei Luca feierten. Sie hatte wie immer einfach zu Hause sitzen, gut essen und dann früh ins Bett gehen wollen. Und dann hatten sie sogar noch dort in der Wohnung in Dortmund übernachtet. Sie musste daran denken wie sie Genia beim Lauschen erwischt und was sie von ihr gedacht hatte. Unglaublich, was inzwischen alles passiert war. Gefühlt lagen Jahre zwischen letztem Silvester und diesem. Scheinbar hatte ihre Mutter ihren Blick wohl bemerkt, denn ihre Blicke trafen sich und Genia zwinkerte ihr zu.
„Menschenskinder, haben wir überhaupt Berliner besorgt?" Inas Opa war auch in den Raum getreten und schaute seine Frau besorgt an. „Jo, wann gab es bei uns mal keine Berliner? Und was heißt besorgt? Die sind wie immer selbstgemacht. In Astrid hatte ich die perfekte Assistentin. Und in einem ist auch wieder Senf. Also bei deinem Glück können wir am zweiten Januar ein neues Hemd kaufen gehen." Alex stupste ihren Mann grinsend mit dem Ellenbogen in die Seite. Er rieb sich kurz über das Kinn und nickte. „Das ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht sollte ich....". „Nein, du solltest keine Formel, Matrix oder was weiß ich dafür aufstellen. Das ist nicht Wahrscheinlichkeit sondern Tatsache, wenn du dich in den letzten paar Jahren nicht verändert hast", lachte auch Genia. „Hat er nicht", kicherte Alex. „Na dann quod erat demonstrandum würde ich sagen." Johannes verzog sein Gesicht. „Schön, dass zwei meiner Lieblingsfrauen sich so auf meine Kosten amüsieren. Man tut halt was man kann. Ich glaube ich gehe lieber zu meiner anderen Lieblingsfrau." Ihr Opa ließ sich neben Ina nieder und zwinkerte ihr zu. „Du bist wenigstens nicht so voreingenommen und bösartig zu mir." Nein, das waren die beiden anderen zwar auch nicht, aber Ina genoß es ihren Opa neben sich zu haben. Die Melodie eines Handys übertönte die leise Musik im Hintergrund. Luca zog sein Handy aus seiner Hosentasche und begann spanisch zu sprechen. Okay, Ina war trotz des Unterrichts und des halben Jahrs in Spanien nicht total des Spanisch mächtig und bestimmt hatte sie das meiste auch schon wieder vergessen. Trotzdem schnappte sie einige Worte auf. Scheinbar handelte es sich bei dem Anruf wohl um einen alten Freund von Luca aus der Barcelonazeit. Okay, sie hatte dort nicht viele Leute kennengelernt. Aber das war ja damals auch gar nicht ihre Prämisse gewesen. Sie hatte einfach nur dort studieren und sich Luca angeln wollen, damit ihr Vater den Schwiegersohn bekam, den er sich wünschte. Wie blöd war das eigentlich? Hätte sie ihre Prioritäten damals anders gesetzt, bekäme sie jetzt vielleicht auch einen Neujahrsanruf von einer Freundin aus Barcelona. Sie hatte einfach viel zu viel Zeit und Möglichkeiten verschenkt richtig zu leben. Glücklicherweise war ihr das jetzt klar und sie konnte es ändern. „Mit Linus surfen?" Die Worte drangen ganz klar in ihr Gehirn und ihre Ohren wanderten sofort auf Vollempfang. Hatte Luca da mit dem Anrufer gerade über Linus gesprochen?
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Schuss und Treffer - in der zweiten Mannschaft ✔️ Teil 13
RomantikLinus und Ina sind schon seit zwei Jahren ein Paar. Gemeinsam führen sie das Bauunternehmen von Inas Vater, der seit seinem Herzinfarkt ein Pflegefall ist. Für Ina war der Weg in die Firma schon von kleinauf vorgezeichnet. Linus hatte sich sein Lebe...