65. Kapitel

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It's keeping me awake ~ Little Talks (Of Monsters And Men)

Es blieb ein Problem: In Filmen sah es viel
leichter aus als es war, einen Pfeil richtig abzuschießen. Die ersten fünf Pfeile streiften die Rinde des Baumes und die drei, die darauf folgten, flogen an ihm vorbei.
„Soll ich dir helfen?"
„Nein", brummte ich. Er sollte bloß weg von mir bleiben. Es war schon schlimm genug, dass er mich wie mit Argusaugen beobachtete. Wie stellte er sich das denn vor? Dass ich es konnte, ohne dass er mir einmal gezeigt hatte, wie es ging? Die nächsten zwei Pfeile landeten in der Baumkrone. Des Baumes nebenan. Ich seufzte frustriert.

Plötzlich spürte ich Benjamins Atem in meinem Nacken. Im nächsten Moment legte er von hinten seine Hände über meine und richtete den Bogen richtig aus. Mein Herz spielte erst verrückt, bevor es sich so schmerzhaft zusammenzog, dass ich schon wieder Tränen in den Augen hatte. So schnell wie möglich machte ich mich von ihm los.

„Emmi ..." Ich unterbrach ihn. „Lass es. Es war ein Fehler hierzubleiben. Ich brauche keine Hilfe von meinem B..." Ich konnte das Wort nicht einmal aussprechen. Die erste Träne fand ihren Weg über meine Wange. Ich drehte mich um und rannte in den Wald hinein. Warum hatte er alles kaputt machen müssen? Warum hatte er sich so nah hinter mich gestellt und meine Hände berührt? „Emmi! Ich weiß, dass wir die gleichen Eltern haben! Aber das ist nicht so wie du denkst! Bitte, lass mich dir sagen, dass ..."

„Lass mich in Ruhe! Du machst alles kompliziert und du tust mir weh! Halte dich einfach von mir fern!", unterbrach ich ihn. Es war mir egal, was er sagen wollte. Nichts konnte die Tatsache ändern, dass wir Geschwister waren und niemals zusammen sein konnten. Nichts. Ich hörte ihn, wie er mir durch den Wald hinterherrannte.
„Jetzt warte doch mal!"
Ich schüttelte mein tränennasses Gesicht und rannte weiter. Weiter, immer weiter weg. Von ihm.

Irgendwann kam ich wieder auf die große Wiese vor dem Schloss. Tränenblind lief ich auf das Schloss zu.
„Emilia! Ich wollte gerade bei euch vorbeischauen! Ich ... Was ist los? Warum weinst du?" Marie war durch die Seitentür auf die Wiese getreten und kam mir nun entgegen. Ich schüttelte bloß den Kopf. Als sie bei mit ankam, nahm sie mich in den Arm. Und es brach alles aus mir heraus. Der ganze Schmerz, der mir durch meine Eltern, Benjamin und diese ganze Sache mit Xenia zugefügt wurde.

„Hey. Alles gut", versuchte Marie mich zu beruhigen. Und nach einer Weile klappte es auch. Meine Tränen versiegten langsam und ich löste mich von ihr.
„Danke", schniefte ich. Sie winkte ab.
„Doch wirklich. Danke", beharrte ich.
„Emmi?" Frustriert schloss ich die Augen. „Benjamin, was?"
„Du solltest wissen, dass du und ich, dass wir ..."

„Hey Leute! Wie geht's?", wurde Benjamin von jemandem unterbrochen. „Su! Sophia! Euer Zeitpunkt hätte nicht besser sein können!", rief Marie ihnen zu. Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.
„Warum? Was ist denn passiert? Emilia, weinst du?", fragte Sophia. Ich schüttelte den Kopf. „Nein."
„Aber du hast geweint. Warum? Hast du ihr wehgetan, Benjamin?"
Als dieser daraufhin schwieg, machte Su einen Schritt auf ihn zu. "Du Miststück! Du kleiner ..."

Sophia unterbrach sie. „Jetzt komm mal runter, Su. Benjamin, was hast du mit Emilia gemacht?", wandte sich jetzt Sophia an ihn. „Ich habe gar nichts gemacht! Ich schwöre es!", verteidigte er sich.
„Stimmt das?", fragte Marie an mich gewandt. Ich nickte.
„Was ist dann passiert?" Alle drei waren höchst verwirrt.
„Ich ...", setzte ich an. Gleichzeitig begann Benjamin. „Wir ..."

„Du? Ihr? Euch geht es definitiv beiden nicht gut! Sagt uns, was los ist, dann hilft es euch vielleicht und ihr könnt euch aussprechen", schlug Sophia vor. „Es gibt nichts, worüber wir uns aussprechen müssten", sagte ich leise.
„Das würde ich gerne widerlegen. Ich versuche dir nämlich schon seit vorhin zu sagen, dass wir ...", begann Benjamin, wurde jedoch von einer Jungenstimme unterbrochen.
„Gibt es hier irgendwo Schokolade umsonst, oder warum seid ihr alle hier?" Ich wandte mich zu dem Jungen. Er war ungefähr in unserem Alter, hatte schwarze Haare und sah uns mit seinen braunen Augen der Reihe nach belustigt an.

„Nein. Su und ich wollten zu meinen Eltern gehen. Ich möchte ihnen endlich die Wahrheit erzählen", erklärte Sophia. Ich sah sie überrascht an. „Sie sollen wissen, dass nicht ich die Zeichnungen gemacht habe, sondern Marie", fuhr sie fort. Ich lächelte ihr zu. Sophia sah leicht nervös und gleichzeitig unglaublich entschlossen aus.

„Was machst du hier?!", riefen Marie und
der Junge unisono. Verwirrt fiel mein Blick auf die beiden. Sie starrten sich an. „Tristan? Marie?", fragte Benjamin so verwirrt wie ich mich fühlte.
„D-Du bist ein A-Aniral", stotterte Marie. Ihr
Gesicht war weiß wie eine Wand. Das Gesicht des Jungen, Tristan, sah nicht besser aus. „Du auch", sagte er atemlos.

„Was ist hier los?", fragte Su irritiert. „Ey, das darf jetzt nicht wahr sein! Ernsthaft jetzt?!", entfuhr es Benjamin.
„Oha", meinte ich. Ich wusste, worauf Benjamin hinauswollte.
„Ich kapier's nicht. Kann mir mal jemand erklären, was hier gerade passiert?", fragte Su, als sich Marie und Tristan in die Arme fielen.
„Darf ich vorstellen? Marie und Tristan. Die wahrscheinlich dümmsten Aniral in Konzulesian", antwortete Benjamin. „Hä? Warum?" Su kapierte es wirklich nicht. „Marie und Tristan haben sich beide in der Menschenwelt kennengelernt. Sie dachten zwei Jahre lang, dass der jeweils andere ein Mensch ist. Tristan hat zwei Jahre lang umsonst gelitten und mich vom Schlafen abgehalten. Tada."

Also das war wirklich die Zusammenfassung der zusammengefassten Zusammenfassung. Trotzdem irritierte mich eine Sache. „Warum hat Tristan gelitten und dich vom Schlafen abgehalten?"
„Unser Kandidat hier ist scheinkrank. Das bedeutet, er hat bei einem Sprung durch einen Schein unglaubliche Schmerzen. Diese Schmerzen können ihm nur durch eine Spritze mit Medizin genommen werden. Die kann er sich aber nicht selbst geben, da ihn die Schmerzen davon abhalten. Deshalb musste ich ihn immer begleiten", erklärte Benjamin mir.

„Ah. Okay." Den Blick richtete ich auf den Boden. „Emmi ...", setzte er an. Ich unterbrach ihn. „Bitte nenn mich Emilia." Mein Herz zog sich kurz zusammen und schon wieder hatte ich das Gefühl, dass es nicht mein Herz war, das sich zusammengezogenen hatte. Kurz schüttelte ich den Kopf. Blödsinn. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Benjamin langsam nickte.

Im nächsten Moment fiel ein großer Schatten auf uns hinab. Verwundert schaute ich nach oben. Ich erstarrte.
Über uns flog ein Drache. Seine dunkelblauen Schuppen glänzten im Sonnenlicht und die spitzen Haken auf seinem Rücken sahen extrem scharf aus. Sie verliefen vom Nacken bis zur Schwanzspitze, die mindestens fünf Meter lang war. Der Rumpf des Drachen war alleine ungefähr zwanzig Meter lang und der Kopf mit Hals nochmal drei Meter. Es war ein gigantisches Wesen.

Fasziniert starrte ich zu ihm hoch und bemerkte deshalb erst zu spät, dass er sich mit dem Kopf zuerst nach unten stürzte. Direkt auf uns zu. Die anderen hatten den Drachen ebenfalls bemerkt und schrien auf. Seine dunkelblauen Augen fixierten einen Punkt und ließen ihn nicht aus den Augen
während er uns immer näher kam. Ich folgte seinem Blick. Nein! Ich sprang vor. Er flog weiter auf uns zu. Sein Atem schlug heiß gegen meine Haut, als er mir zuvorkam. Er fuhr seine langen spitzen Krallen aus und krallte sie um Marie.

Tristan, der neben ihr stand, versuchte
panisch ihre Hände zu erreichen, doch der Drache stoppte abrupt seinen Flug und zog seinen Körper nach oben. Mit Marie flog er über den Wald davon. Mit einem dumpfen Knall kam Tristan mit den Knien auf dem Boden auf.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt