Kompass zur Heimat

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Hallo liebe Leute!

Heute gibt es ein besonderes Kapitel: Ich habe seit Langem mal wieder aus der Sicht vom Mann im Mond geschrieben! Bösewichte zu schreiben macht immer sehr viel Spaß. ;) Ich hoffe, es gefällt euch. Ich freue mich über eure Kommentare! <3


















Mit geschlossenen Augen und einem tiefen Durchatmen genoss ich die helle Magie, die mich umgab. In dem mächtigen, goldenen Strudel trennten sich die Gesetze der Zeit und die Fäden, die mich in der Gegenwart festhielten. So fühlte sich Freiheit an. Die Freiheit, sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Meine Lippen umspielten ein Lächeln.

Kurz bevor mich der Strudel des Zeitglases in einer anderen Zeit absetzte, öffnete ich die Augen. Anstelle eines Sturms von goldenem Licht kam mir nun ein Sturm aus dicken Schneeflocken entgegen. Ich blinzelte. Die Weihnachtswerkstatt war verschwunden; in dieser Zeit existierte sie noch nicht. Ich stand in einer kargen, leblosen Eiswüste.

Das Zeitglas funktionierte. Ich war in die weit entfernte Vergangenheit gereist – in meine Vergangenheit. Ich hatte das geschafft, was niemand vor mir geschafft hatte.

Ich ließ Julien los und kaum, dass ich ihn nicht mehr berührte, rannte er durch den Schnee davon. Mit einem Seufzen verdrehte ich die Augen und sah ihm für ein paar Sekunden einfach nur stumm dabei zu, wie er sich durch den Schnee kämpfte. Mit jedem Atemzug, den ich auf dieser Erde tat, wurde mir wieder mehr und mehr bewusst, wie lächerlich dumm die Menschen waren.

Mit einem Satz war ich in der Luft und landete genau vor ihm im Schnee. Der fassungslose Ausdruck auf seinem Gesicht amüsierte mich, als er erschrocken vor mir abbremste.

„Du bist nicht sonderlich schlau, oder?", fragte ich und stemmte eine freie Hand in die Hüfte, während die andere Hand fest das Zeitglas umschloss. „Das hier ist der Nordpol. Hier gibt es meilenweit nichts als Schnee und Eis. Du wärst innerhalb weniger Stunden tot."

„Das Risiko gehe ich ein!", fauchte Julien mit klappernden Zähnen, und machte Anstalten an mir vorbei zu rennen, aber ich war schneller. Ich musste bloß die Hand heben und er verweilte auf der Stelle wie festgefroren.

„Ich aber nicht", entgegnete ich scharf.

Mit verbissener Miene versuchte Julien sich aus meinem Zauber zu befreien – als ob er nicht wüsste, dass das nichts brachte. Schließlich hatten wir beide bereits eine Begegnung hinter uns, die er sicherlich nicht vergessen hatte. Eine Begegnung mit mir vergaß man nicht.

Ich umrundete ihn und zog seine Jacke mitsamt seinem Shirt nach oben, damit ich einen Blick auf den Kompass werfen konnte. Alle vier Pfeile waren intakt und zeigten in dieselbe Richtung. Ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es lief alles nach Plan. Jetzt musste ich ihnen nur noch folgen.

Achtlos ließ ich den Stoff seiner Kleidung wieder los und umfasste stattdessen seinen Oberarm. Mit einem Sprung stieß ich mich von der schneebedeckten Oberfläche ab und sauste mit dem Kompass und dem Zeitglas in beiden Händen durch die Luft in Richtung Süden, weg vom Nordpol und von der Eiseskälte. Während ich in der Luft war, fiel mir nur am Rande auf, wie Julien mit der Kälte zu kämpfen hatte. Eine Kälte, die für jemanden wie mich lächerlich war, im Vergleich zu den Temperaturen, die auf dem Mond herrschten.

Mit der Zeit wurde der Wind wärmer, der mir ins Gesicht peitschte. Die Schneelandschaft unter mir verschwand. Das Meer breitete sich tief unten in mächtigen, dunklen Wogen aus. Ich liebte das Meer. Es stand völlig unter meiner Kontrolle, und es war so stark wie kein anderes der Elemente. Es bewegte sich im Einklang zu jeder meiner Bewegungen. Aber für den Moment war das Meer nicht mein Ziel. Ich erwartete das nächste Stück Land.

Der Mann im Mond kehrt zurück / JCU (Julien Bam)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt