Seine Haare wirkten noch verwuschelter als sonst, seine Augen noch blauer. Mir kam es allgemein so vor, als würde ich ihn noch klarer wahrnehmen, als ich es sonst sowieso schon tat. Irgendwas war anders. Vielleicht lag es daran, dass er gerade erst aufgestanden war. Oder daran, dass wir gestern einen Fastkuss hatten und noch nicht darüber geredet hatten und es ja eigentlich auch gar nichts zu reden gab, ich aber trotzdem die ganze Zeit darüber nachdachte, wobei es mir natürlich nichts bedeutete, aber trotzdem. Sein Blick streifte meinen und blieb an der Person hinter mir kleben. Seine Augenbrauen schossen in die Höhe und ich konnte ganz genau sehen, wie er sie von Kopf bis Fuß musterte.
Sarah. Eine Schulfreundin von mir, die heute mit mir zusammen an einem Projekt arbeiten sollte. Schulfreundin ist in diesem Fall nicht wörtlich gemeint. Wir tolerierten uns. Das Mädchen war blondiert, trug die recht kurzen Haare wie immer offen über die Schulter, hatte wie immer zu kurze Shorts an und ihre Augen waren von so viel schwarz eingerahmt, dass man vermutete, sie hätte Stunden damit zugebracht, sich so zu schminken. Diesen Monat sah sie nicht ganz so abgemagert aus wie sonst, was sie allerdings nicht davon abhielt, so viel von ihrem Körper zu zeigen, wie möglich. Wir akzeptierten uns irgendwie. Sie kam meiner besten Freundin und mir nicht in die Quere und im Gegenzug ließen wir sie in Ruhe.
Meine Augen konnten sich nicht von seinem verwirrten Gesichtsausdruck lösen und nach ein paar Sekunden verstand ich, warum er so guckte. Niemand sollte von seinen Verletzungen wissen und jetzt stand Sarah hier und konnte ihn in seiner gesamten Pracht bewundern. Mist! Sie hatte zwar keinen Austauschschüler zu Hause und damit auch nichts mit Mr. Lancaster zu tun, aber selbst sie sah, dass der Dortmunder an einer Schlägerei teilgenommen hatte und ein kleiner Ausrutscher genügte und die ganze Schule würde davon wissen.
Ich ging im Kopf alle Möglichkeiten durch, die wir hatten und mir fiel genau eine ein. Die Tatsache, dass er sein Auge mir einer Packung Tiefkühlerbsen kühlte ignorieren und so tun, als sei alles normal. Na dann mal los.
„Achja, richtig. Sarah, das ist Louis. Louis, das ist Sarah. Wir arbeiten heute zusammen an einem Projekt in Psychologie."
Die Blonde ging arschwackelnd an mir vorbei und streckte ihm ihre Hand mit den perfekt lackierten Fingernägeln hin. Er drückte sie kurz und ehe ich mich mit Sarah in mein Zimmer verziehen konnte, zog sie eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen hoch und fragte:
„Bist du in eine Schlägerei geraten?"
Oh klasse, Blondie! Sein Blick streifte meinen für den Bruchteil einer Sekunde. Tu etwas! Sag..irgendwas, aber starr sie nicht so dämlich an.
„Ähm ja, so ungefähr. Ein Kerl wollte einer älteren Dame die Tasche klauen und ich hab ihm klar gemacht, dass er sowas in Zukunft lieber lassen sollte. Er war..-"
Ehe unser Held noch irgendwelche glorreichen Details hinzufügen konnte, hustete ich laut und packte ihn mit festem Griff am Arm.
„Loulou, wir gehen jetzt nach oben. Wir haben heute noch was zu tun."
Sarah machte mir allerdings einen Strich durch die Rechnung. Sie starrte ihn mit riesigen Augen an und wollte alles von seiner Heldentat wissen. Sie verstand natürlich auch, dass er das lieber geheim halten wollte, da er keine dummen Blicke von irgendwelchen Idioten riskieren wollte. (DUMME LOGIK!)
Naja, mir sollte das Recht sein und nach ein paar Minuten machte ich noch einen Schritt auf ihn zu, so dass Sarah wieder hinter mir stand und bedeutete ihm mit einem Blick, endlich die Klappe zu halten.
„Super. Wir fangen jetzt an. Stimmt's Sarah? Sarah? Sarah!"
Das Mädchen war doch tatsächlich verschwunden.
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Dein Hass ist mein Stolz
RomanceManchmal ist alles erschreckend einfach. Aber dann gibt es auch noch die restlichen 23 Stunden am Tag, in denen man Entscheidungen treffen muss, seinem Bruder bei Partyvorbereitungen helfen muss, der besten Freundin zur Seite stehen muss und dem be...