Die Woche war bis auf die Beerdigung meines Großvaters recht ereignislos gewesen. Ich verbrachte die meiste Zeit damit, mich in meinem Zimmer zu verkriechen und viel nachzudenken, wie es nun weiter gehen würde.
Aber einen wirklichen Plan, was das angeht, hatte ich nicht.
Heute war nichts geplant, weshalb ich mich dazu entschloss, meine Zeit mit meinen Nachbarn zu verbringen. Mal wieder, denn eigentlich machte ich das bereits täglich.
Nur eine Sache hatte sich in dieser Woche geändert. Die Beziehung zwischen mir und Kaz hatte sich gebessert. Zwar hatten wir uns nicht persönlich gesehen, da ich entweder mit Chase oder Bree unterwegs war, doch wir hatten öfters miteinander geschrieben. Es fühlte sich beinahe so an wie früher.
Als die Tür klingelte, schnappte ich mir meine graue Umhängetasche und ging aus der Wohnung, vor der mich auch schon unser Feuerteufel erwartete.
„Hey", begrüßte ich ihn mit einer leichten Umarmung.
Zwar waren wir mittlerweile wieder ziemlich gute Freunde, doch der Körperkontakt hielt sich in Grenzen.
„Kino? Wie geplant?"
Ich nickte lächelnd. Kaz wollte sich den neuen Superheldenfilm von Grey Granite anschauen. Ich war sofort begeistert davon gewesen. Gerade jetzt, wo ich von der Existenz von Superhelden wusste, machte es das alles spannender.
„Aber sind wir nicht etwas spät dran? Der Film geht doch schon in ein paar Minuten los."
„Wir müssen nur schnell genug sein."
Das Grinsen, dass er mir zuwarf, gefiel mir gar nicht. Es war dieses typische Ich-hab-was-vor-Gesicht und meistens ging es nicht gut aus.
„Kaz?"
Er schnappte mich, hielt mich hoch und warf mich über seine Schulter.
Ich ahnte bereits, was auf mich zukommen würde. Lachend krallte ich mich an ihm fest, als er vom Boden abhob.
„Wehe du lässt mich fallen."
„Das würde ich nie tun", entgegnete er.
Doch meine Unsicherheit blieb. Vielleicht würde er mich nicht fallen lassen wollen, doch ich könnte ihm ja auch von der Schulter rutschen. Man kann nie wissen.
Vom Himmel aus schaute ich auf die kleinen Männchen, die unten auf den Straßen wuselten. Den letzten Flug, mit dem einem Typ der mich entführt hatte, konnte ich ja schließlich nicht genießen. Doch jetzt hatte ich die Möglichkeit, alles genau zu begutachten.
„Was sollen denn all die Leute denken, wenn ja zwei Menschen im Himmel schweben?"
„Ach, die wissen doch eh über uns Bescheid. Und wenn wir schon die Freaks von Centium City sind, können wir das auch ausnutzen."
Da hatte er recht. Immerhin waren diese Fähigkeiten kein Geheimnis für die Welt. Nur die Existenz von Superhelden.
Direkt vor den Glastüren des Kinos landeten wir. Von umstehenden Menschen wurden uns merkwürdige Blicke zugeworfen.
Ein kleines Kind erhob die Stimme: „Das sind die Supermenschen!"
Ein schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Theoretisch waren meine Nachbarn berühmt. Ich hatte mir darüber nur noch nie Gedanken gemacht. Tatsächlich war ich, wie mir auffiel, in meiner Welt gefangen. Das Einzige was für mich existierte, waren meine Freunde. Alles andere von der Außenwelt bekam ich nicht mit.
Kaz winkte dem vielleicht 8-Jährigen Jungen zu, schob mich danach in das Gebäude.
„Ich frage mich, wann du das erste Mal Autogrammkarten verteilst."
„Gute Idee", lachte er.
Augenverdrehend ging ich mit ihm an die Kasse, um die Karten zu kaufen.
-
Zurück Zuhause wollte ich direkt in meine Wohnung gehen, doch Kaz hielt mich auf.
„Warte."
Ich schaute zu ihm und ließ den Türgriff meiner Wohnung los.
„Komm noch mit rein. Davenport wollte dich sprechen."
Nichts dabei denkend folgte ich ihm in die Wohnung, in der auch schon Donald bereitstand. An dem Küchentisch lehnend schaute er auf etwas, das er in die Hand hatte, für mich aber nicht erkennbar war.
Ich begrüßte den Mann mit einem freundlichen Lächeln, ehe ich auf ihn zu ging. Kaz hatte sich derweil auf die Couch geworfen. Wortwörtlich. Mit einem lauten Bauchklatscher.
„Guten Abend, Juna", lächelte mich Donald an. „Hat Kaz dir schon gesagt, weshalb ich dich sehen will?"
Ich schüttelte den Kopf, schaute dabei verwirrt zu dem genannten Jungen. Dieser schaute unschuldig über die Lehne der Couch.
„Nun, es ist ja einiges passiert in letzter Zeit. Ihr wisst alle, dass ihr großen Gefahren ausgesetzt seid, wenn ihr auf Missionen geht. Doch das hat sich nun geändert. Seit einem Jahr versuchen wir jetzt Roman und Riker zu finden und das ohne großen Erfolg. Und dass sie es jetzt auf dich abgesehen haben, macht es uns nicht leichter."
Er legte eine kurze Atempause ein. Vorsichtig nickte ich, da ich noch nicht verstand, worauf er hinauswollte. Doch es klang, als würde er mich rauswerfen wollen.
„Ich muss zugeben, trotz unserer technischen und übernatürlichen Möglichkeiten, ist es uns nicht mehr möglich dich zu beschützen. Wir können dich nicht mehr mitnehmen, wenn ständig diese Gefahr besteht."
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Er wollte mich wirklich rausschmeißen.
„Deswegen hatte Kaz eine Idee."
Davenport setzte ein strahlendes Grinsen auf und hielt mir eine kleine schwarze Schachtel vor die Augen, die er öffnete. Darin befand sich ein kleiner, goldener Gegenstand.
„Dein eigener bionischer Chip."
Mit großen Augen schaute ich ihn an.
„Mein... Chip?"
Donald nickte.
„Natürlich nur wenn du ihn haben möchtest."
Etwas überfordert mit diesem Angebot schaute ich zu Kaz, der gerade auf uns zu kam.
„Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn du auch ein paar Kräfte hättest", sagte er und lächelte mich sanft an.
„Sag mal, spinnt ihr?"
Augenblicklich drehte ich mich zum Hyperloop um, vor dem Chase stand.
Seit wann war er hier?
Mit schnellen Schritten kam er auf uns zu.
„Ihr könnt ihr doch keinen Chip einpflanzen."
Man konnte die Anspannung in seiner Stimme deutlich hören.
„Und Ob, ich bin Donald Davenport. Außerdem ist es zu ihrer eigenen Sicherheit", antwortete der Mann vor mir erstaunlich ruhig auf seinen Adoptivsohn und steckte den Chip in seine Hosentasche.
„Zu ihrer eigenen Sicherheit? Damit ist sie überhaupt nicht sicher. Ganz im Gegenteil. Das Ding könnte sie umbringen!"
Was könnte es?
Ich schaute stumm zwischen Beiden hin und her. Kaz schien meinem Beispiel zu folgen. Ich musste zugeben, diese ganze Situation überforderte mich gerade etwas zu sehr.
„Es wird sie sicher nicht umbringen. Die Chance ist zu gering."
„Und dennoch ist sie da!"
Chase hatte mittlerweile einen hochroten Kopf. Er war wirklich wütend. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Sie wird den Chip nicht nehmen!"
Ich hatte absolut keine Ahnung was ich dazu sagen sollte. Doch eine Frage kam mir in den Sinn: War es nicht ganz alleine meine Entscheidung?
Nachdem keiner mehr etwas sagte schaute Chase zu mir.
„Du kannst das doch nicht wirklich in Erwägung ziehen."
Naja, wieso denn nicht? Dann wäre ich wie sie. Ich wäre nicht mehr Hilflos, könnte mich selbst verteidigen, hätte vielleicht sogar besondere Fähigkeiten. Außerdem könnte ich an ihren Missionen teilhaben und müsste nicht im ungewissen bleiben, sobald sie weg waren. Ich müsste mir dann keine Sorgen mehr machen.
Auch wenn ich bereits wusste, dass Chase entsetzt sein würde, wandte ich mich an Donald.
„Was würde das Ding mit mir anstellen?"
„Nun, ich arbeite schon länger daran und habe mich an ein paar neuen Fähigkeiten probiert. Sobald wir den Chip mit deinem Körper verbunden haben, wird du ein paar Dinge ausprobieren müssen, damit wir sehen können, was zu dir und deinem Körper passt."
Ich nickte leicht. Interessant war es ja. Ich würde es mir auf jeden Fall überlegen.
DU LIEST GERADE
Zwischen Bionic und Superkräften
FanfictionJuna ist neu in Centium City. Da sie von nun an im Daventower wohnt, lernt sie direkt auch ihre neuen Nachbarn kennen. Eine Bande junger Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Kaum hatte sie sich mit Kaz angefreundet, hatte sie es mit Superschurke...