76. Kapitel

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Maybe I'm just crazy, maybe I'm a fool ~ Ugly Heart (G.R.L.)

Als ein paar Stunden später die Tür aufging, war ich schneller denn je auf den Beinen. Das Schwindelgefühl, das mich dabei überkam, ignorierte ich. Der Wachmann war relativ klein. Er stellte sich so vor die Tür, dass sie nicht zuschlug und wartete. Seine grauen Augen waren ins Nichts gerichtet. „Ich glaube, wir sollen gehen“, sagte Benjamin leise und nahm meine Hand. Ich nickte.

Vorsichtig gingen wir auf den Mann zu und dann durch die Tür. Im Gang traf mich der Schlag. Dutzende Männer standen dort Spalier und jegliche Emotionen waren wie ausgelöscht. Sie alle trugen die gleiche Uniform und die gleiche Frisur. Ihr Körperhaltung war identisch und steif wie ein Brett. Als Ben neben mich trat, wandten sie ihre Köpfe gleichzeitig in eine Richtung. Benjamin drückte meine Hand und wir liefen in die Richtung, in die sie blickten. Von wegen einer ihrer Männer würde uns abholen. Es waren hunderte, denen wir auf dem Weg durch das Schloss begegneten. Es war beklemmend, sich zwischen ihnen fortzubewegen.

Irgendwann, ich fragte mich schon, ob das Schloss kein Ende hatte, erreichte wir eine große schwere Tür aus dunklem Holz. Die zwei Wachmänner, die direkt davor standen, liefen zur Mitte der Tür und griffen jeweils nach einem Knauf. Dann öffneten sie sie. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber ganz sicher keinen stockdunklen Raum. Wir rührten uns nicht vom Fleck. Die Dunkelheit wirkte bedrohlich. Benjamin und ich drückten abwechselnd unsere Hände, machten aber keinen Schritt nach vorne.

Plötzlich spürte ich, dass jemand hinter mir stand. Direkt hinter mir. Gänsehaut kroch meine Wirbelsäule hinauf und ich machte den ersten Schritt. Hinein, in die Finsternis. Ben folgte mir. Schritt für Schritt entfernten wir uns von der Helligkeit im Flur. Als wir ein paar Meter im Raum standen, schlug die Tür mit einem Knall hinter uns zu. Jetzt sah ich gar nichts mehr.

„Schön, dass ihr gekommen seid.“ Ich fuhr erschrocken herum. „Ich habe auf euch gewartet.“
Wo war diese Stimme? Woher kam sie? „Tretet näher.“ Jetzt kam die Stimme von links. Ich drehte mich um und in diesem Moment flackerten Kerzen auf. Sie waren halbmondförmig angerichtet. In ihrer Mitte stand Xenia in einem schwarzen Umhang. Sie sah aus wie die weibliche Ausgabe von Severus Snape.

„Ich sagte: Tretet näher!“ Ihre Stimme hallte von den Wänden wider. Zögerlich tat ich, was sie verlangte. „Noch näher.“ Ihre schwarzen Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. „Näher … Stopp!“ Abrupt blieb ich stehen. Benjamin ebenfalls. Wir befanden uns nun ungefähr drei Meter vor ihr. Xenia und ich schwiegen uns an. Eine ganze Weile.

„Wie gefällt euch der Zimmerservice?“, begann sie so plötzlich das Gespräch, dass ich zusammenzuckte.
„Zimmerservice?“, fragte ich.
„Aber ja doch. Das Essen zaubert sich ja nicht zu euch!“
„Es gibt keinen Zimmerservice“, sagte Benjamin. „Nur Männer, die dazu gezwungen werden, Gefangenen ungenießbares Essen vor die Füße zu stellen.“
„Tststs. Ich dachte, ihr wisst meine Bemühungen zu schätzen. Tja. So kann man sich täuschen.“

„Nie im Leben werde ich mich bei Ihnen bedanken!“ Ben spuckte das Wort aus wie eine Schnecke.
„Jammerschade! Wirklich. Ich dachte nämlich, für meine Entscheidung bezüglich eurer kleinen Freundin verdiene ich euren Dank. Aber egal. Was kann man von einem Prinzlein und einer Auserwählten schon erwarten.“ Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

„Was für eine Entscheidung?“, erkundigte ich mich. Meine Stimme klang ein bisschen höher als sonst und ich hoffte, dass es ihr nicht auffiel.
„Dass ich sie frei lasse. Ich habe nachgedacht. Es ist nicht fair, ein Mädchen gefangen zu halten, dass nichts gemacht hat.“
Ich traute meinen Ohren kaum. Es war zu schön, um wahr zu sein. Irgendetwas war faul an der Sache.

Ben schien ihr gar nicht richtig zugehört zu haben. „Woher wissen Sie, dass Emilia die Auserwählte ist, wie Sie es nennen?“ Meine Gedanken stoppten. Das war eine gute Frage! Xenia hob erneut die Mundwinkel. „Emilia und ich sind verbunden. Man könnte uns als Zwillinge bezeichnen. Ich habe es gespürt, als sie nach Konzulesian kam. Und dann habe ich mein Ass im Ärmel gebeten, nun ja, ein wenig auf dich aufzupassen. Er war die ganze Zeit bei euch. Immer, wenn ihr draußen auf dieser Lichtung wart. Und in jener Nacht, in der du erfahren hast, wer deine Eltern sind. Er hat dein Selbstgespräch mitangehört.

Die Kraft der Elemente - Alles liegt in deiner HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt